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Zika-Virus
Besorgniserregende Epidemie

In Französisch-Polynesien grassiert derzeit das Zika-Virus. Das Problem bei der Behandlung: Gleichzeitig verbreitet sich auch das Dengue-Fieber, das nur schwer vom Zika-Virus zu unterscheiden ist. Wissenschaftler haben Zika nun erstmals auch bei europäischen Touristen diagnostiziert.

Von Joachim Budde | 13.05.2014
    Eine Wissenschaftlerin hält zwei Glasröhrchen in die Höhe, darin schwimmen Larven der Asiatischen Tigermücke.
    Larven der Asiatischen Tigermücke: Sie können Dengue und Zika übertragen. (picture alliance / dpa / Ahmad Yusni)
    Ein geschwollenes Fußgelenk und Gliederschmerzen, gefolgt von Ausschlag auf Rücken und Brust, der sich auf Gesicht, Arme und Beine ausbreitete. Dazu Fieber und Übelkeit - schon während seiner Rundreise durch Thailand im vergangenen November litt ein Tourist aus dem Saarland an Symptomen, wie sie für viele Viruserkrankungen typisch sind. Der Mann Anfang 50 bemerkte zudem Insektenstiche. Die Beschwerden verschwanden nach ein paar Tagen, aber auch nach der Rückkehr nach Deutschland fühlte er sich weiter schlapp. Die Insektenstiche und die Symptome deuteten zuerst auf eine Infektion mit dem Dengue-Virus hin, sagt Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, der Blutproben des Patienten am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg untersucht hat.
    "Wir haben eben schon immer vermutet, dass viele der Reiserückkehrer, wo man denkt, das könnte ein Dengue-Virus-Infektion sein, dass die doch ein anderes Flavivirus, also zum Beispiel eine Zika-Virus-Infektion haben. Und genau in dem Fall war es so gewesen: Von der Laborkonstellation war es eben auffällig, also nicht für Dengue eindeutig, also haben wir gesagt, da gucken wir nach anderen Viren, haben dann also eine Zika-Virus-Analyse gemacht. Und dann hat sich herausgestellt, dieser Reiserückkehrer ist also mit dem Zika-Virus infiziert gewesen und hat diese Infektion dann nach Europa importiert."
    Ärzte können lediglich Symptome behandeln
    Beide Erreger, das Zika- und das Dengue-Virus, gehören zu den Flaviviren. Beide werden übertragen von Stechmücken wie der Gelbfiebermücke Aedes aegypti, die auch auf Madeira heimisch ist, und der Tigermücke Aedes albopictus, die in weiten Teilen Südeuropas lebt. Weder gegen Dengue noch gegen das Zika-Virus gibt es eine Impfung oder ein Medikament, dass das Virus abtötet. Ärzte können lediglich die Symptome behandeln. Auch die eindeutige Diagnose ist schwierig, weil die Symptome und die Laborwerte bei beiden Erregern so ähnlich sind. Schmidt-Chanasits Labor ist eines von zweien in Europa, die das Zika-Virus überhaupt nachweisen können.
    Darum landeten im Dezember auch Proben eines weiteren Touristen auf dem Tisch des Virologen: Eine Frau aus Norwegen hatte Urlaub auf Tahiti in Französisch-Polynesien im Pazifischen Ozean westlich von Australien gemacht. Nach ihrer Rückkehr entwickelte sie dieselben Beschwerden wie der Mann aus dem Saarland. Die 31-Jährige hat in einer Region Urlaub gemacht, in der seit Oktober eine Epidemie mit dem Zika-Virus herrscht.
    "Wir haben bis jetzt ungefähr 30.000 Erkrankte in dem Bereich, und haben jetzt seit Januar 2014 auch Infektionen in Neukaledonien, das auch zu Frankreich gehört. Insofern ist es zwar mehrere hundert Kilometer von französisch Polynesien entfernt, liegt ja eher Richtung Australien, ja, und jetzt auch auf den Osterinseln, seit einigen Tagen haben wir die ersten Berichte, dass dort die ersten Zika-Virus-Erkrankungen aufgetreten sind."
    Exorbitante Zahl von Lähmungserscheinungen
    Von den Osterinseln - 3.500 Kilometer vor Chile - wurden zuletzt 40 Fälle gemeldet.
    Sorge bereitet den Virologen vor allem, dass bei diesem Ausbruch ungewöhnlich viele Erkrankte unter Lähmungen leiden, dem Guillain-Barré-Syndrom. 60 solcher neurologischen Komplikationen, die im Extremfall tödlich verlaufen können, werden aus Polynesien gemeldet. Zum Vergleich: Am nahe verwandten Dengue-Virus erkranken jedes Jahr 400 Millionen Menschen, es wurden aber lediglich 20 Fälle von Guillain-Barré für Dengue beschrieben, sagt Schmidt-Chanasit. Die Zahlen aus Französisch-Polynesien erscheinen also geradezu exorbitant.
    "Das ist ungewöhnlich, und da ist jetzt die Frage, hängt das eben damit zusammen, dass das Polynesier sind. Haben die, die jetzt diese schweren Verläufe haben, hatten die zum Beispiel eine Dengue-Virus-Infektion vorher durchgemacht. Das sind alles Fragen, die jetzt beantwortet werden müssen, also da ist noch viel im Unklaren, und wir wissen außer dieser doch erstaunlich hohen Anzahl von neurologischen Komplikationen relativ wenig."
    Erschwerend kommt für die Polynesier hinzu, dass dort momentan parallel zu Zika auch das Dengue-Virus grassiert. Aus anderen Gebieten, in denen das Zika-Virus vorkommt, gibt es bisher keine Meldungen von Guillain-Barré.
    "Ansonsten ist die Erkrankung ja als solche jetzt nicht sehr schwerwiegend, aber diese schweren Verlaufsformen, die sind doch besorgniserregend, finde ich."