Samstag, 20. April 2024

Archiv


Zittern vor dem Headcrash

Die wenigsten Computernutzer wissen, dass sie mehrere Köpfe haben – in den Festplatten ihrer PCs sind eine ganze Menge Köpfe. Wenn diese Köpfe Unfug treiben, weiß der Computernutzer nicht mehr, wo ihm sein Kopf steht. Abgesehen von diesen lokalen und oft bis tief in die Familen hineinwirkenden Mini-GAUs stellen kaputte Daten ein grundsätzliches – und sehr altes – Problem dar.

Von Heinz Schmitz | 23.05.2009
    Das ist ein Headcrash, der Lesekopf der Festplatte fräst gerade die Oberfläche der Speicherscheibe. Das ist schlimm, denn alle die Daten sind verschwunden. Für immer?

    Ein Festplattencrash heißt nicht unbedingt, dass alles verloren ist. Ist die Festplatten-Hardware kaputt, weil sie runtergefallen ist, die Lager heiß gelaufen oder, wie gehört, die Daten weggefräst, helfen professionelle Firmen. Sie können meist einen Teil der Daten retten. Allerdings kann das teuer werden. Je nach Aufwand kommen da schnell einige hundert, wenn nicht sogar tausend Euro zusammen.

    Läuft die Platte aber noch normal und das Betriebssystem kann die Daten trotzdem nicht mehr finden, dann liegt es meist daran, dass die Datenverzeichniseinträge defekt sind. Natürlich könnte die Platte aus Versehen auch neu formatiert worden sein. Der Versierte hilft sich mittels spezieller Programme. Sie finden die Daten ganz oder teilweise wieder. Allerdings ist das Geduldsarbeit, denn meist sind die Verzeichnisstrukturen und richtigen Dateinamen nicht mehr auffindbar.

    Es tut uns leid, das zu sagen, weil es so altklug klingt – die Vorbeugung gegen Datenverlust ist die Speicherung wichtiger Daten auf so genannten Raid-Arrays. Dabei werden zwei oder mehr Platten parallel geschaltet und die Daten mehrfach geschrieben, auf verschiedene Laufwerke. Beim Defekt eines Laufwerks sind die Daten noch auf dem anderen Laufwerk vorhanden. Ursprünglich waren solche Lösungen nur in Rechenzentren zu finden, aber durch die niedrigen Preise für Festplatten und Gehäuse sind Raid-Systeme schon für weit unter 300 Euro zu bekommen und bieten auch Privatleuten ein sicheres zu Hause für Musik, Videos und Bilder.

    Raid-Speicher schützen vor Hardwareausfällen, allerdings nicht vor menschlichen Irrtümern. Nach dem versehentlichen Löschen oder formatieren etwa sind die Inhalte zunächst von allen Laufwerken verschwunden. Das Auffinden ist dann, wie beschrieben, mit viel Arbeit verbunden.

    Dann also doch besser normale Sicherungskopien! Aber auf welches Medium? Bis vor einigen Jahren waren Floppy-Disks erste Wahl. Heute sucht man in neuen Rechnern vergeblich nach Disketten-Laufwerken. Wechselplatten, wie zum Beispiel das ZIP-Laufwerk, hatten auch nur eine kurze Lebensdauer. Die CD steht so ziemlich am Ende ihrer Karriere und die DVD hat schon einen Nachfolger gefunden, die Blue-Ray Disk. Leider verkratzen die optischen Datenträger gerne. Der Film mag zwar noch auf der DVD sein aber beim Abspielen kommt es immer wieder zu Lesefehlern.

    Vielfach hilft der Einsatz verschiedener DVD-Laufwerke, denn die mechanischen und elektronischen Toleranzen sind unterschiedlich. Das Nachpolieren mit Reinigungspaste kann auch schon mal helfen. Spezielle Leseprogramme, die einfach über die Defekte hinweglesen sind teilweise sogar kostenfrei erhältlich. Dann kann der Film vielleicht noch Aussetzer haben, aber besser als gar nichts. Doch da tauchen noch ganz andere Herausforderungen auf:

    Stellen Sie sich doch mal vor, sie haben Ihre Buchhaltung vor zehn Jahren auf einer 5,25 Zoll Diskette gespeichert. Der Prüfer des Finanzamtes steht vor Ihnen und bittet freundlich um Kassenbuch und Abrechnung. Oder der alte Atari, der in den Homecomputer-Anfängen als Textsystem diente, hat genau den Brief an Onkel Gustav auf seiner Festplatte, den Sie ihm zum 80. Geburtstag noch vorlegen wollten.

    Wenn der Rechner nicht mehr startet, versucht der erfahrene Bastler sicher, die Platte in einen aktuellem PC oder MAC einzubauen. Schade nur, dass die damals üblichen Anschlüsse, die Interfaces, heute nicht mehr gebaut werden. In dem Fall hilft der Versuch auf dem Trödelmarkt oder im Internet einen funktionierenden Rechner oder ein Laufwerk zu ergattern und die Daten schnell zu überspielen. Zur Not über die serielle Schnittstelle, denn USB war damals noch nicht üblich.

    Wir müssen uns damit abfinden, dass es bis heute keine digitalen Datenspeicher gibt, die wie die Höhlenzeichnungen aus der Steinzeit Jahrtausende überdauern. Alle fünf bis zehn Jahre ist eine neue Generation von Datenspeichern aktuell. CD, DVD und USB-Stick können eine Menschengeneration halten, statistisch gesehen werden sie nach fünf Jahren unzuverlässig. Also sind wir gezwungen, die Daten, die uns wichtig sind zu migrieren. Die Migration, also das Kopieren älterer Daten auf neue Datenträger, sollte durchgeführt werden, bevor ein Desaster eintritt. Welche Daten so wichtig sind, in die nächste Datengeneration übergeführt zu werden, ist eine schwere Entscheidung, die jeder nur für sich treffen kann. Professionelle Archive ersparen sich diese Auswahl: Sie migrieren alles in die Zukunft.

    Sind Sie also sicher, dass Ihre Daten sicher sind?