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Zögern und Zaudern

Eigentlich ist die Sache klar: Durch den EU-Beitritt im Jahr 2004 ist Polen verpflichtet, auch den Euro einzuführen. Doch seit es kräftig kriselt in der Union, ist die Mehrheit der Polen gegen die Gemeinschaftswährung. Ministerpräsident Donald Tusk schiebt eine Entscheidung vor sich her.

Von Sabine Adler | 08.01.2013
    Regierungschef Donald Tusk bewegt sich wie ein ängstlicher Springer auf dem Zehnmeterbrett. Auf den Turm raufgeklettert ist er schon, doch runter traut er sich nicht. Seit Monaten schiebt die polnische Regierung die Entscheidung vor sich her: Soll der Euro nun kommen oder nicht. Für polnische Europolitiker wie Danuta Hübner, eine Parteifreudin von Tusks konservativer Bürgerplattform und ehemalige EU-Kommissarin für Regionalpolitik ist der Fall eindeutig. Die heutige Abgeordnete des EU-Parlaments zu den Alternativen:

    "Entweder gehen wir hinein oder wir bleiben draußen und sind dann aber auch damit einverstanden, dass neben uns ein stark integriertes Europa entsteht. Wir können auf unserem Pfad bleiben und damit abseits von einem dynamischen Wandel, abseits vom Pfad, der zur wirtschaftlichen, finanziellen, fiskalischen und politischen Integration in der Eurozone führt. Nur: Man darf die Leute nicht täuschen und muss von Anfang an klar sagen, dass das die Wahl ist, vor der wir stehen."

    Nicht einmal beim Fiskalpakt geht die Tusk-Regierung so zügig voran, wie sie es im vorigen Jahr angekündigt hat, mehrfach wurde dessen Ratifizierung im Parlament verschoben, zuletzt am vergangenen Freitag. Nun soll das Dokument, das Polen angeblich in die Mitte Europas katapultieren soll, im Februar verabschiedet werden. Euro, Fiskalpakt, Bankenaufsicht – ein weiteres Feld, das Tusk nur zögerlich betritt, Vorbehalte gegenüber der auf dem Dezember-EU-Gipfel beschlossenen einheitlichen europäischen Bankenaufsicht sind groß. Ludwik Kotetzki, Experte im Finanzministerium gibt zu bedenken:

    "Die einheitliche Bankenaufsicht, die für die Eurozone geschaffen wurde, ist zwar auch gut für Länder außerhalb der Eurozone, allerdings mit einer kleinen, aber wesentlichen Ausnahme: für uns gibt es nicht die Möglichkeit, bei Problemen im Finanzsektor auf den europäischen Stabilitätsmechanismus zurückzugreifen. Dort sind 700 Milliarden Euro vorgesehen, aber nicht für uns. Das ist der wichtigste Unterschied, wenn man über das Sein oder Nichtsein in der Eurozone diskutiert, den man unbedingt in Betracht ziehen muss."

    Dass die einheitliche europäische Bankenaufsicht statt alle 6000 Finanzhäuser zu kontrollieren, lediglich 150 ins Visier nimmt, erregt in Polen nicht die Gemüter. Die Vorbehalte sind anderer Natur: dass nämlich Polens kleine und sehr stark kontrollierte Banken womöglich international operierende große retten sollen.

    Polens Unternehmer, je größer ihre Firmen, desto ausgeprägter, wünschen sich deutlich mehr Euro-Begeisterung. Henryka Bochniarz ist als Präsidentin der Polnischen Konföderation Lewiatan die Stimme der Privaten Unternehmer.

    "Unsere Unternehmer treten konsequent für mehr Integration in Europa ein. Für uns war der Eintritt in die Eurozone als vollwertiges Mitglied von wesentlicher Bedeutung und es ist es immer noch, auch wenn sich die Dinge dort schlecht entwickelt haben. Wir wollen bei der Integration dabei sein und nicht auf dem Bahnsteig zurückbleiben."

    Dass die polnische Regierung so zögerlich bei der Einführung des Euro vorgeht, liegt nicht nur an der Sorge um die Geldwertstabilität und das Wirtschaftswachstum, das Polen die gesamte Krise hindurch beibehalten konnte, sondern auch an der Opposition. Groß ist die Angst, dass der Vorsitzende der Partei Recht und Gerechtigkeit Jaroslaw Kaczynski die Vorbehalte gegen Europa und Deutschland neu mobilisieren könnte und eine Mehrheit der Wähler hinter sich versammelt. 2013 ist in Polen allerdings kein Wahljahr, sondern gerade mal Halbzeit der Legislaturperiode.