Mittwoch, 17. April 2024

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Zoff an der Elektrotankstelle

Wir Menschen leiten ja unseren Platz als Krönung der Schöpfung davon ab, dass wir klüger und intelligenter sind als all die anderen Lebewesen. Auch wenn wir diese Intelligenz nur dazu benutzen, überaus unintelligente Dinge anzustellen mit allem was nicht so intelligent ist wie wir. Doch stellt sich die Frage, ob wir diesen Herrschaftsanspruch als Krone der Schöpfung noch halten können, wenn die Wissenschaft zum Beispiel künstliche Intelligenz herstellt, die viel intelligenter ist als wir? Weil, dies wäre ja das Ziel von künstlicher Intelligenz. Intelligenter zu sein.

Von Maximilian Schönherr | 01.04.2012
    Millionen von Forschungsgelder raus zu blasen für eine Intelligenz, die dann auch nur auf der Couch rumlümmelt und Sportschau glotzt, ist ja Unfug. Doch wenn es diese künstliche Intelligenz gäbe, wäre es nicht dann auch an der Zeit die Verantwortung über die Geschicke der Welt diesen klügeren Mächten zu überlassen.

    Eine schöne, neue Welt. Ein digitales Arkadien? Ein binärer Garten Eden? Wirklich? Ist nicht die Frage angebracht: Wer steuert wen? Die WebCam an der Ladestation für Elektroautos zeigt jedoch eine alltägliche Situation, wie sie überall so oder ähnlich passiert.

    Ein Mann und eine Frau fahren mit ihren Elektroautos zu einer "Zapfsäule", die aus nur einem Elektrokabel besteht. Bremsen quietschen, der Mann steigt schneller aus als die Frau, steckt den Stecker des Kabels in seinen E-Tank. Es kommt zum Streit.

    Er: "Warum müssen Sie denn so schnell nach Hause?"

    Sie: "Geht Sie doch nichts an."

    Er: "Eine Tasse Tee?"

    Sie: "Von mir aus….Also ich habe eine Verabredung zu Hause und nur noch vier Kilometer Akkulaufzeit. Muss dringend mit meinem Nachbarn reden, das ist schon längst überfällig. Meine Jalousien an der Wohnung gehen so unkontrolliert hoch und runter."

    Er: "Und was das mit Ihrem Nachbarn zu tun?"

    Sie: "Weil es offensichtlich ist, wie die Jalousien sich bewegen. Nämlich in einem Rhythmus. Ungefähr so…Und da hab ich herausgefunden, dass diese Rhythmik einem Hip-Hop-Beat entspricht. Der Sohn meines Nachbars ist 13 und sieht aus wie ein Hiphopper."

    Er: "Wie soll der mit seiner Musik Ihre Rollläden manipulieren?"

    Sie: "Macht er ja nicht absichtlich. Er hört Hiphop über ein Internetradio, und weil er über mein W-Lan surft, nutzt er mein Haussystem, und triggert die Jalousienmotoren... Sie sind doch mit dem Aufladen meines Wagens draußen einverstanden?"

    Er: "Womit einverstanden?"

    Sie: "Na, haben Sie nicht gesehen, ich hab vorhin, als wir hier reingingen, kurz umgesteckt. Kein Problem für Sie."

    Er: "Wie, Sie haben mein Auto abgehängt und laden jetzt Ihr Auto auf?…"

    Sie: "…aber nur noch..., nur noch 23 Minuten. Und wir unterhalten uns doch so gut."

    Er: "Ich hab aber überhaupt keine Zeit!"

    Sie: "Sie klangen eben, als Sie mich hier hereinbaten und den Tee einschenkten, viel entspannter."

    Er: "War ich auch. Aber ich habe ein echtes Zeitproblem. Vorhin, als ich über die Brücke fuhr, rief mein Sohn an, er braucht zu Hause dringend Hilfe mit der Waschmaschine. Und ich habe den Akku meines Wagens völlig trocken gefahren, nur noch 1,8 Kilometer oder so."

    Sie: "Mit der Heizung nur 0,8."

    Er: "Oder 0,8. Die Waschmaschine schleudert und schleudert, und er kriegt sie nicht ausgeschaltet, und da ist unsere Seidentischdecke drein…"

    Sie: "…von Ihrer Schwiegermutter."

    Er: "Woher wissen Sie… ach, Sie verarschen mich doch nur. Hip Hop."

    Sie: "Geben Sie mir mal die Adresse von Ihrer Waschmaschine."

    Er: "Die IP-Adresse?"

    Sie: "Welche denn sonst!"

    Er: "188.188.182.5"

    Sie: "Port?"

    Er: "7070."

    Sie: "Sehen Sie, das ist Ihre Waschmaschine."

    Er: "Ach ja, kenn ich."

    Sie: "Und der grüne Punkt, das ist Ihr Sohn."

    Er: "In seinem Zimmer hinten, ja."

    Sie: "Heißt Markus? Darf ich ihn mal anpingen?"

    Er: "Äh… "

    Sie: "Markus, eine Bekannte von Deinem Vater hier."

    Sohn: "Wie, wer?"

    Sie: "Spielt jetzt keine Rolle. Schleudert die Waschmaschine noch immer?"

    Sohn: "Ja, klar, wie blöd. Mein Papa sollte längst hier sein, die schleudert sich noch zu Tode. Und hat keinen Ausschalter."

    Sie: "Ganz ruhig, Markus. Geh mal vor in die Küche."

    Sohn: "In die Küche?"

    Sie: "In die Küche!"

    Er: "Der geht tatsächlich in die Küche."

    Sie: "Und jetzt, dreh dich nach links, der Kühlschrank. Schalt ihn aus."

    Sohn: "Ich soll den Kühlschrank ausschalten?"

    Er: "Der kann doch jetzt nicht den Kühlschrank ausschalten, an dem hängt doch das ganze Küchennetz!"

    Sohn: "An dem hängt doch das ganze Küchennetz!"

    Sie: "Ich merke, eine Familie, eine Sprache. Markus, schalt ihn aus."

    Sohn: "Papa, bist du da?"

    Er: "Ja, Markus, tu, was sie sagt."

    Sohn: "Jetzt ist er aus."

    Sie: "Kannst ihn wieder einschalten."

    Sohn: "Soll das ein Witz sein?"

    Sie: "Und geh hinter zur Waschmaschine. Schleudert die noch?"

    Sohn: "Schleudert nicht mehr. Da blinkt F3."

    Sie: "Das liegt daran, dass Ihr Kühlschrank ein Update installiert hat und der Waschmaschine auch gleich eins mit verpassen wollte. Und das blieb hängen, hat nicht zuende installiert. Hatte ich auch schon mal…"

    Er: "Bei Ihren Rollläden."

    Sie: "Woher wissen Sie das? Ach so, weil ich Ihnen das von dem Hiphop erzählt habe. Kannst schon mal die Trommel leeren und die schöne Tischdecke rausnehmen – oder, was noch von ihr übrig ist. Dein Papa kommt gleich."

    Er: "Der Papa kommt gleich, von wegen, wo Sie mir das Ladekabel abgezogen haben."

    Sie: "Ihr Wagen hat sicher noch paar Reserven. Meiner war wirklich am Ende. Ich kam aus dem Parkhaus, und der Gebührencheckout hat mir zu viel Strom, ja unverschämt viel Strom aus dem Wagen gezogen."

    Er: "Ist mir vorhin bei der Brückenmaut passiert. Die scheuen vor nichts zurück. Bedienen sich am Strom der Elektroautos, als gehörten sie ihnen! Was meinen Sie mit 'Mein Wagen hat noch paar Reserven'?"

    Sie: "Geben Sie mir mal seine IP-Adresse."

    Er: "Nä, oder, jetzt nicht echt? Jetzt auch noch die IP-Adresse von meinem Auto! 188.178.168.22."

    Sie: "Port?"

    Er: "7090!"

    Sie: "Passwort?"

    Er: "Passwort, also hören Sie mal! Tankwart_812"

    Sie: "Sind am 8. Dezember geboren? Schütze?"

    Er: "Woher wissen Sie das?"

    Sie: "So, Ihr Wagen hat jetzt wieder 8,3 Periode Kilometer. Wenn Sie mich noch mal schneiden, wie vorhin, als wir hier ankamen, senke ich diese Zahl auf 0,1. War eigentlich ganz lecker, der Tee. Oder sagt man bei Tee 'genüsslich'? Grüßen Sie Markus. Ein aufgeweckter Junge. War nett, bis bald mal."

    Sohn: "Papa, wo steckst Du? Woher kennst du die?"