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Zoff um Euro-Rettung

Heftige Kritik an den Gipfelbeschlüssen von letzter Woche: Für SPD-Fraktionschef Steinmeier ist die Fiskalunion ein "Scheinriese". Kanzlerin Merkel verteidigte die Beschlüsse. Sie seien in ihrer historischen Dimension nicht hoch genug einzuschätzen. Der Gipfel habe die Konstruktionsfehler des Euros beseitigt.

Von Andreas Baum | 14.12.2011
    Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht im Gipfel von Brüssel einen lupenreinen Erfolg – durchaus von ihr und ihrer Regierung herbeigeführt. Endlich sei der Weg zu einer Fiskalunion in Deutschland eingeschlagen worden. Damit habe ein Geburtsfehler der Währungsunion korrigiert werden können. Dass nicht alle 27, sondern nur 26 EU-Länder zugestimmt haben, die Verträge zu ändern, den Rettungsschirm EFSF stärker zu machen, den Stabilitätsmechanismus ESM vorzuziehen und einiges mehr, ist Angela Merkel zufolge kaum mehr als ein Schönheitsfehler, der in der EU allerdings schon Tradition hat.

    "So sehr ich bedauere, dass Großbritannien sich nicht auf diesen Weg gemacht hat, so sehr steht für mich außer Frage, dass Großbritannien auch in Zukunft ein wichtiger Partner in der Europäischen Union sein wird."

    Gemeinsame Eurobonds soll es nicht geben, es gilt der Kanzlerin zufolge eine Haftungsobergrenze für den dauerhaften Rettungsschirm ESM von 500 Milliarden Euro. Fragen nach der Rechtmäßigkeit einer Fiskalunion, etwa wenn es um Budgetrechte der Parlamente geht, ließ sie offen, das Große und Ganze, sagt sie, sei das, was zählt.

    "Wenn wir konsequent den Weg in Richtung Fiskalunion gehen, dann wird Europa diese Krise nicht nur bestehen, sondern stärker aus ihr herausgehen, als es in sie hineingegangen ist."

    So fiel es auch dem Oppositionsführer, SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, nicht schwer, die Kanzlerin frontal anzugehen. Nicht nur, dass ihr – mit Anspielung auf die Lage der FDP - die Regierung um die Ohren fliege, auch sei der Gipfelabschluss politisch und rechtlich höchst fragwürdig. Beispielsweise die Entscheidung, dem Internationalen Währungsfonds eine Kreditlinie von 200 Milliarden Euro für verschuldete Euro-Länder zu gewähren – 45 Milliarden davon kommen aus Deutschland.

    "Das ist wieder Trickkiste: Statt hier eine politische Entscheidung in diesem hohen Hause herbeizuführen, flüchten Sie sich erneut in teure und komplizierte Umgehungskonstruktionen."

    Ebenso scharf kritisiert Steinmeier die Weigerung der Union, die Aufstockung vom Bundestag billigen zu lassen – obwohl die Bundesbank, die eine verkappte Staatsfinanzierung fürchtet, genau dies gefordert hat.

    "Mich hat das erinnert an den alten Satz von Viktor Tschernomyrdin, der gesagt hat; wir wollten es diesmal wirklich besser machen, aber es ist geworden wie immer meine Damen und Herren."

    FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sah keinen Grund, auf die Krise seiner Partei einzugehen, ließ auch keine Zwischenfragen zu und griff SPD und Grüne scharf an, denen er vorhielt, eine reine Inflationspolitik zu betreiben.

    "Sie reden von sozial und schaffen die Voraussetzung für Geldentwertung, da stellen wir uns davor, wir wollen, dass die Kleinen auch ihr hart erarbeitetes Vermögen behalten können."

    Die Vorziehung des ESM wird möglicherweise einen Nachtragshaushalt nötig machen. Gregor Gysi, Fraktionschef der Linkspartei, mahnt zur Eile – er sieht die Bundesregierung schon auseinanderfallen.

    "Sie wissen doch gar nicht, wie viel Tage die Koalition noch hält. Wenn Sie wirklich den Nachtragshaushalt durchkriegen wollen, sollten sie das nicht bis Mitte nächsten Jahres verschieben."

    Was die Bundesregierung sich zugute hält, eine verpflichtende Schuldenbremse auch für die anderen EU-Länder – ohne Großbritannien – bewertet die Opposition ganz anders: Man solle investieren, statt zu sparen, sagt Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, und die Regeln für die Finanzmärkte verschärfen.

    "Sie haben es bis heute nicht geschafft, eine Fire Wall zu errichten, die die Spekulation nach dem Schuldenschnitt von Griechenland verhindert, dass sie auf andere EU-Länder übergreift."

    Außerdem kritisieren SPD und Grüne, dass die Beteiligung privater Gläubiger an den Rettungsaktionen still und heimlich beerdigt worden sei.