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Zofia Kossak
"Wer immer diesen Protest nicht unterstützt, ist kein Katholik"

Das Werk und das Wirken der polnischen Schriftstellerin und Widerstandskämpferin Zofia Kossak sind hierzulande nur wenig bekannt. Die gläubige Katholikin war 1942 Mitgründerin der Organisation Zegota, die schätzungsweise 75.000 Juden vor den Nazis rettete, vor allem Kinder. Heute vor 125 Jahren wurde Kossak geboren.

Von Doris Liebermann | 08.08.2015
    Eine Schreibfeder auf einem Blatt Papier.
    Eine Schreibfeder auf einem Blatt Papier. (imago/AFLO)
    Ihr literarisches Debüt erschien 1922: "Pozoga", "Die Feuersbrunst", Zofia Kossak war damals 32 Jahre alt. In diesem ersten Roman klang bereits ihr Interesse für historische Stoffe an, das sie später in ihren zahlreichen weiteren Büchern beschäftigte. "Die Feuersbrunst" war in der sozialistischen Volksrepublik Polen verboten. Das Buch<ins cite="mailto:Doris%20Liebermann" datetime="2015-07-12T11:51"> </ins>berichtete von Terror und Gewalt, die auf die Oktoberrevolution 1917 folgten:
    "Die gewaltige Welle der russischen Revolution brandete nicht gleich an den Ufern unseres Lebens in den Grenzgebieten. Eine Vorahnung dessen, was kommen würde, hatten nur die Juden ... [...] 'Es wird nichts Gutes kommen, gnädige Frau. Ohne den Zaren gibt es keine Ordnung', sagten sie und neigten verlegen ihre Häupter."
    Geboren wurde Zofia Kossak am 8. August 1890 in Kozmin im Gebiet von Lublin, manche Quellen geben auch den 10. August oder 1889 als Geburtsjahr an. Sie entstammte einer Künstlerfamilie: Ihr Großvater und ihr Onkel waren bekannte Maler. 1906 ging sie nach Warschau und studierte an der dortigen Kunstakademie, später an der Kunstakademie in Genf. 1915 heiratete sie Stefan Szczucki und zog mit ihm nach Wolhynien, wo sie Augenzeugin des Polnischen-Russischen Krieges von 1920/21 wurde. Ihr Mann starb 1921, vier Jahre später heiratete sie den Offizier Zygmunt Szatkowski. Durch ihn bekam sie Kontakte zu politischen und militärischen Kreisen.
    Nationalsozialistische Gewalttaten erschütterten die gläubige Katholikin
    Den Beginn des Zweiten Weltkrieges erlebte Zofia Kossak in Warschau. Die gläubige Katholikin war zutiefst erschüttert über die Gewaltverbrechen der deutschen Nationalsozialisten, vor allem über die Verhaftung und Ermordung der polnischen Juden. "Protest!" war ein von ihr verfasstes Flugblatt überschrieben, das in 5.000 Exemplaren im August 1942 in Warschau verteilt wurde, nachdem die Deportation der Juden aus dem Warschauer Getto in Vernichtungslager begonnen hatte.
    "... wir protestieren aus tiefstem Herzen, aus Herzen, die erfüllt sind von Mitgefühl, Abscheu und Entsetzen. Das Blut der Hilflosen ruft die Himmel um Bestrafung an. Wer immer diesen Protest nicht unterstützt, ist kein Katholik."
    Im Dezember 1942 gründete Zofia Kossak zusammen mit der Sozialistin Wanda Krahelska-Filipowicz die Organisation Zegota. Dies war der Tarn-Name für den "Rat für die Unterstützung von Juden", der der polnischen Exilregierung in London unterstand. Die Organisation rettete schätzungsweise 75.000 Juden vor dem Vernichtungstod, indem sie gefälschte Pässe, Medikamente und Geld besorgte, und vor allem Kinder in katholischen Klöstern oder Waisenhäusern unterbrachte.
    Zum Tode verurteilt und durch den polnischen Widerstand befreit
    1943 wurde die Schriftstellerin unter falschem Namen verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Als die SS ihre richtige Identität herausfand, wurde die kranke, völlig abgemagerte Frau ins Warschauer Pawiak-Gefängnis überführt und zum Tode verurteilt. Zwei Tage vor Beginn des Warschauer Aufstandes 1944 gelang ihre Befreiung durch den polnischen Widerstand.
    Als sich nach Kriegsende eine kommunistische Regierung unter sowjetischer Oberhoheit in Polen etablierte und der nicht-kommunistische Widerstand verfolgt wurde, legte der neue polnische Innenminister Jakub Berman der Schriftstellerin nahe, das Land zu verlassen. Berman hatte von seinem Bruder, der ebenfalls für die Organisation Zegota tätig war, erfahren, dass Zofia Kossak vielen jüdischen Kindern das Leben gerettet hatte. Mit ihrer Tochter Anna verließ die Schriftstellerin 1945 eher gegen ihren Willen Polen, sie reiste nach England, wo sie bei einer Rot-Kreuz-Mission in London Arbeit fand. 1946 fand sie ihren Mann bei den polnischen Streitkräften in Italien wieder, er hatte mehrere Jahre deutscher Gefangenschaft überlebt.
    Als sich nach Stalins Tod die politische Lage in Polen entspannte, kehrte Zofia Kossak 1957 mit ihm zusammen nach Polen zurück. Sie starb am 9. April 1968 in Bielsko-Biala und wurde in Górki Wielkie beigesetzt.