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Zoologie
Túngara-Frösche verraten sich selbst

Mit einem riesigen Kehlsack wollen die Männchen der Túngara-Frösche potenzielle Sexualpartner anlocken. Dumm nur, dass sie damit gleichzeitig räuberische Fledermäuse auf sich aufmerksam machen.

Von Lucian Haas | 10.02.2014
    So klingen die Rufe eines kleinen Túngara-Frosches im Regenwald von Pánama, mit denen er ein Weibchen beeindrucken will. Und so klingt Wouter Halfwerk, wenn er die Rufe dieser Tiere imitiert.
    Der Biologe von der Universität Leiden erforscht die Ursachen und Wirkungen der speziellen Art des Quakens der Túngara-Frösche. Denn sie haben eine auffällige Besonderheit.
    "Die Frösche rufen mit einer tiefen Frequenz von 500 Hertz, obwohl sie nur zwei Zentimeter groß sind. Man kann das vergleichen mit einer Maus, die Klänge macht wie ein Elefant. Es ist ein so tiefer und lauter Gesang."
    Besonders ist freilich auch, wie die Túngara-Frösche die Töne erzeugen. Sie blähen ihre Kehle zu einem riesigen Luftsack als Resonanzkörper auf, der fast so groß ist wie sie selbst. Auf diese Weise können sie die Weibchen nicht nur mit ihrem Quaken, sondern auch mit der schieren Größe des Kehlsackes beeindrucken. Diese Fähigkeit ist aber nicht nur von Vorteil, wie Wouter Halfwerk herausgefunden hat.
    "Die Frösche rufen immer vom Wasser aus. Dabei stören sie stets die Wasseroberfläche. Durch das Aufblähen erzeugen sie kleine Wellen, die langsam durch die Tümpel wandern. Ich habe bemerkt, dass diese Wellen eine wichtige Spur für andere Tiere sein können, die ihre Aufmerksamkeit auf diese Frösche richten – also auch deren Fressfeinde, in diesem Fall eben Fledermäuse."
    Einige Fledermausarten in Pánama machen Jagd auf Frösche. Normalerweise stellen die Túngara sofort ihr Quaken ein, sobald sie eine Fledermaus in der Luft flattern sehen oder hören. Doch das kann manchmal schon zu spät sein.
    "Die Wellen im Wasser sind viel langsamer als der Schall, etwa zehn Mal so langsam. Darum sind die Wellen auch bei Stille noch für ein, zwei Sekunden länger im Teich präsent. Das gibt den Fledermäusen wichtige Hinweise und ein Zeitfenster, um ihre Beute zu finden."
    Die Fledermäuse können die Wellen mit ihrem körpereigenen Echo-Ortungssystem erkennen, vermutet Walter Halfwerk. Er machte Versuche mit Froschattrappen an zwei künstlichen Wasserbecken, die direkt nebeneinander standen. Bei dem einen spielte er nur das Quaken der Túngara über einen Lautsprecher ab, bei dem anderen erzeugte er bei jedem Laut zusätzlich das typische Wellenbild rund um den Frosch.
    "Wenn man Fledermäusen die Wahl lässt, eine der beiden Attrappen anzugreifen, dann bevorzugen sie in neun von zehn Fällen den Frosch, der im Becken mit den Wellen sitzt."
    Für die Frösche in Regenwaldtümpeln dürfte das ein echtes Dilemma darstellen. Je größer und häufiger sie quakend ihre Kehlsäcke blähen, um den Weibchen zu imponieren und sich schnellstmöglich fortzupflanzen, desto größere Gefahr laufen sie, den Paarungsakt gar nicht mehr zu erleben, weil sie zuvor den Fledermäusen zum Opfer fallen. Für Wouter Halfwerk ist das ein interessantes Beispiel dafür, wie konträr unterschiedliche Selektionsprozesse im Zuge der Evolution auf das gleiche Merkmal wirken können.
    "Die Weibchen treiben die Frösche zum tiefen und häufigen Rufen, wobei diese Tiere wegen der erzeugten Wellen dann häufiger zur Beute der Fledermäuse werden."
    Welcher Prozess stärker wirkt, ist derzeit noch ungeklärt. Vielleicht stellen Biologen in einigen Jahren fest, dass die Túngara-Frösche in der Zwischenzeit kleinere Kehlsäcke entwickelt haben und in höheren Tönen Quaken. Dann hätten wohl die Fledermäuse die Oberhand behalten.