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Zu hell, zu grell, zu ungesund

Wenn der Mensch mit einem Übermaß an Kunstlicht die Nacht zum Tag macht, hat das dramatische Folgen, warnen Naturwissenschaftler, Umweltschützer und Mediziner. Bisher fehlen klare politische Vorgaben. Das könnte sich ändern.

Von Daniel Blum | 10.04.2013
    "Ich würde sagen: 95 Prozent der Politikerinnen und Politiker wissen überhaupt nicht, dass es Lichtverschmutzung gibt","

    urteilt der nordrhein-westfälische CDU-Politiker Michael Brinkmeier. Lichtverschmutzung, Lichtsmog: ein Thema, das im Schneckentempo Einzug in die Politik hält. Aber wenn es dort angekommen ist, lässt es die Emotionen rasch hochkochen. Wie letzten Dezember in Hannover.

    Damals beantragten Sozialdemokraten und Grüne im Umweltausschuss der Stadt, die Verwaltung möge ein "Konzept für eine Reduktion der Lichtverschmutzung" entwickeln. Der SPD-Ratsherr Jürgen Mineur stellte fest:

    "Die Stadt kommt nicht mehr zur Dunkelheit, es gibt zu viele Lichtquellen."

    Die rot-grünen Umweltpolitiker wollten die Verwaltung prüfen lassen, ob Hannover nachts nicht auch mit weniger Licht angemessen beleuchtet werden könne. Energie ließe sich dadurch sparen, die Natur schützen und die menschliche Gesundheit.

    Die Reaktionen waren harsch: Die politische Konkurrenz, der organisierte Einzelhandel und die lokale Presse fielen über die rot-grünen Umweltpolitiker her.

    Der CDU-Ratsherr Felix Blaschzyk schimpfte:

    "Das ist der dümmste Antrag, den ich je gelesen habe. Er zeigt die ideologische Regulierungswut von Rot-Grün."

    Auch der FDP-Ratsherr Wilfried Engelke empörte sich:

    "Die flippen jetzt völlig aus. Die Sicherheit der Bürger wird aufs Spiel gesetzt."

    Martin Prenzler, Geschäftsführer der City-Gemeinschaft, eines Zusammenschlusses des Einzelhandels, spottete:

    "Der politische Antrag hat das Potenzial zur Posse des Jahres. Eine Verdunkelung zu fordern ist weltfremd. Licht lockt Leute und steigert den Umsatz."

    Stadt-Land-Gefälle
    Andernorts in Deutschland finden sich dagegen durchaus Wissenschaftler, engagierte Bürger und Politiker, die sich parteienübergreifend gegen die sogenannte Lichtverschmutzung starkmachen, teilweise unter großem persönlichem Einsatz.

    Zu ihnen zählt Michael Brinkmeier, Unternehmensberater und promovierter Naturwissenschaftler. Der CDU-Politiker war zwölf Jahre lang bis 2012 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags, zuletzt als wissenschaftspolitischer Sprecher seiner Partei. Brinkmeier, der in einem Dorf bei Gütersloh lebt, ist überzeugt, dass dem Thema Lichtverschmutzung eine große politische Karriere bevorsteht - die aber noch in den Kinderschuhen steckt:

    ""Tatsächlich ist es bei den Parteien wirklich noch gar nicht angekommen. Es orientiert sich auch gar nicht an parteipolitischen Farben bei denen, mit denen man darüber spricht. Es ist eher ein Stadt-Land-Gefälle. Die Kollegen und Kolleginnen aus den Städten sagen: ‚Was soll das? Das ist doch Quatsch! Nehmt mir doch nicht das urbane Leben. Ich brauche dazu Licht.‘ Die vom Land verstehen das dann doch schon etwas eher und reden auch eher mit einem. Aber ansonsten ist das Thema noch so klein, noch so ein kleines Samenkorn."

    Ein wenig missverständlich ist er schon, der Begriff Lichtverschmutzung. Denn nicht das Licht wird beschmutzt, sondern die Umwelt beeinträchtigt, durch ein Übermaß an künstlich erzeugtem Licht. Von Lichtsmog zu sprechen wäre treffender, doch das Wort Lichtverschmutzung hat sich etabliert, wenn Naturwissenschaftler, Umweltschützer und Humanmediziner davor warnen, wie sehr der Mensch mittlerweile die Nacht zum Tag macht – und welche Folgen das für Tiere und für den Menschen habe.

    Noch lachen viele Bürger und Politiker ungläubig, wenn sie zu einem Eindämmen der Lichtverschmutzung aufgerufen werden, doch Michael Brinkmeier ist überzeugt, dass sich das bald ändern wird:

    "Genauso wie ich von Menschen erwarte, dass sie nicht mehr sagen: ‚Wir drehen jetzt überall fröhlich die Heizungen auf, damit wir es schön warm haben!‘, sondern versuchen, mit Bedacht Heizenergie einzusetzen, kann man das Gleiche mit Licht machen. Wenn wir eine Diskussion vor vierzig Jahren gehabt hätten zum Thema Elektrizitätsverschwendung, dann wäre man vielleicht auf Unverständnis begegnet. Alles hat seine Zeit. Und jetzt ist wirklich die Zeit zu gucken, wie man sorgsam mit Licht umgeht."

    Dunkelheit als Symbol für Gefahr
    Zum ersten Mal in der Erdgeschichte ist eine Spezies imstande, die Dunkelheit von unserem Planeten zu vertreiben. Zunächst waren es vereinzelte Lichtinseln der Großstädte, mittlerweile sind es weiträumige Lichtglocken, die sich über die Landschaft legen. Leuchtreklame soll von weit her Kundschaft anlocken, Diskotheken projizieren Lichtkegel in den Himmel, öffentliche Plätze, Sehenswürdigkeiten und Hochhausfassaden werden bestrahlt.

    Zur Freude der meisten Menschen. Denn von alters her gilt Dunkelheit als ein universelles Symbol für Gefahr, Verderben, den Tod. Der Wiener Astronom Thomas Posch, Mitherausgeber des Buches "Das Ende der Nacht":

    "In der Kulturgeschichte war es so, dass die Nacht sehr angstbesetzt war, dass da sehr viele irrationale Einstellungen zum Dunkel der Nacht vorherrschen: die Gleichsetzung der Nacht mit dem Bösen, umgekehrt die Gleichsetzung des Lichts mit dem Guten. Und diese Gedanken und Gefühle sind nach wie vor präsent auch in unserer heutigen Zeit."

    Bis zum späten siebzehnten Jahrhundert lebten die meisten Menschen im traditionellen Tag-Nacht-Rhythmus: Sie standen im Morgengrauen auf und gingen kurz nach Einbruch der Dunkelheit schlafen. Das änderte sich erst mit der Aufklärung und der ihr folgenden Industrialisierung. Mit dramatischen Folgen für unsere Gegenwart:

    "Es ist sehr viel leichter, ein unverseuchtes, klares Wasser zu bekommen – das kann man sich im Supermarkt kaufen, auch wenn man zu Hause keines haben sollte – als einen klaren Sternenhimmel zu konsumieren."

    Der Astronom ist Repräsentant der österreichischen Sektion der Dark Sky Association, einer Nichtregierungsorganisation, die im Nachthimmel ein schützenswertes, bedrohtes Kulturgut sieht. Posch leitet die Wiener Universitätssternwarte, die notgedrungen außerhalb des Stadtgebietes liegt, im Wienerwald – in der City selber ist den Städtern der Anblick des Sternenhimmels wie in den meisten anderen Metropolen kaum noch vergönnt.

    In früheren Jahrhunderten verzückte der Anblick der Milchstraße die Menschen, bei Sternschnuppen wünschte man sich etwas. Die heutige Generation von Großstadtkindern kennt den Sternenhimmel meistenteils nur vom Hörensagen.

    Im Zeitalter der Industrialisierung verlangten die Fabrikanten nach billigem, leicht verfügbaren Kunstlicht: Die Maschinen sollten mit möglichst wenig Pausen ausgelastet werden, die Arbeiter auch in der Dämmerung oder gar im nächtlichen Schichtbetrieb schuften. Zuerst wurde das Gaslicht erfunden, bevor Ende des neunzehnten Jahrhunderts der Siegeszug des elektrischen Lichts begann.

    Lichtsmog bedroht die Gesundheit
    Von Jahr zu Jahr verschwindet die nächtliche Dunkelheit mehr von unserem Planeten. Mit dramatischen Folgen für die Gesundheit der Bürger, warnen mittlerweile viele Wissenschaftler, unter ihnen die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, Beate Jessel:

    "Es gibt Hinweise, dass in stark beleuchteten Wohngegenden ein erhöhtes Krebsrisiko besteht, was Brustkrebs bei Frauen und Prostatakrebs bei Männern betrifft. Da ist sicher auch eine Menge Forschungsbedarf gegeben, aber es gibt entsprechende Hinweise. Zusammenhängen könnte das mit der Ausschüttung des Melatonins. Das ist ja das sogenannte Dunkelheitshormon, was vor allem im Dunklen produziert wird, im Schlaf - und was vor allem auch für einen gesunden Schlaf verantwortlich ist."

    Gut erforscht sind mittlerweile die gesundheitlichen Folgen der Nachtarbeit, die durch die künstliche Beleuchtung erst möglich wurde und die für immer mehr Menschen zum Alltag geworden ist. Andrea Fergen ist Mitglied im Vorstand der IG Metall und des Arbeitsstättenausschusses der Bundesregierung. Die Arbeitsschutzexpertin berichtet, zu welchen typischen Krankheitssymptomen Nachtarbeit langfristig führen kann.

    "Häufig kommt es zu Schlafstörungen, gestiegener Nervosität. Wir beobachten aber auch die Zunahme von Herz-Kreislauf- und Magen-Darm-Erkrankungen, und in den letzten Jahren hat die Debatte über Krebs in der Folge von vor allem Nachtschichtarbeit eine enorme Dynamik erfahren. Und es zeugt von einer wissenschaftlichen Anerkennung, dass die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO Schichtarbeit einstuft als wahrscheinlich krebserzeugend."

    In Dänemark gilt Brustkrebs bei Nachtarbeiterinnen mittlerweile als anerkannte Berufskrankheit, Betroffene werden von der Berufsgenossenschaft entschädigt. Nachtarbeit ist generell sehr anstrengend, vor allem auch deswegen, weil die innere Uhr des Menschen aus dem Takt gerät, wenn des Nachts Kunstlicht dem Organismus vorgaukelt, es sei eigentlich Tag.

    Doch grelles Licht beeinträchtigt nicht nur das Wohlbefinden derjenigen, die des Nachts arbeiten. Auch wer schläft, wird insbesondere durch weiß-bläuliches, kalt wirkendes Licht aus Straßenlaternen oder Leuchtreklamen in seiner Erholung nachweisbar beeinträchtigt.

    Oft noch gravierender sind indes die Folgen des Kunstlichts für die Tierwelt – wie Michael Brinkmeier jeden Abend beobachten kann:

    "Ich lebe auf dem Land, wir haben ein schönes Haus mit einem großen Garten. An der Ecke steht eine Straßenlaterne. Und im Sommer, wenn die ihr Licht abstrahlt, sammeln sich darum Hunderte von Insekten oder Tausende. Der Effekt ist aber, und das ist gemessen, dass solche Laternen die Insekten quasi wegsaugen aus der Umgebung. Mit der Folgekette, dass dann deren Räuber, Fledermäuse, Vögel, dann hinterher tatsächlich weniger Nahrung vorfinden werden und dass dann auch komplette Arten dezimiert werden. Das möchte ich nicht! Weil ich weiß, das geht auch anders."

    Falter und Mücken sterben des Nachts massenhaft an öffentlichen Laternen, Gartenlampen oder Leuchtreklamen. Was messbare Effekte hat: Neu aufgestellte Lichtkörper ziehen von Jahr zu Jahr weniger Insekten an. Auch für die Gewässer hat das Folgen, wie die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Beate Jessel, schildert:

    "Wasserflöhe haben einen Tag-Nacht-Rhythmus, der darin besteht, dass sie normalerweise den Tag in tieferen, dunkleren Wasserschichten verbringen und über Nacht an die Wasseroberfläche kommen, um Algen zu fressen. Auch das kann durch Beleuchtung, die wir ja gerade an Wasserrändern sehr stark haben, beeinträchtigt werden. Und man kann jetzt natürlich auch fragen: ‚Was gehen uns die Wasserflöhe an?‘ Auch Wasserflöhe spielen eine ganz wesentliche Rolle in den Nahrungsketten der Gewässer-Ökosysteme. Wenn sie weniger Algen fressen, dann kann sich das zum Beispiel auf die Nahrungsketten im Gewässer, aber auch auf die Wasserqualität auswirken."

    Bei vielen Bürgern und Politikern gelten Naturschützer noch immer als Romantiker, deren Kampf für das Überleben von Tierarten im Zweifelsfall zurückzustehen habe gegenüber den Interessen der Menschen. Was dabei übersehen wird: Der Mensch ist Teil der Ökosysteme.

    "Ich kann jedem nur raten, nicht leichtfertig damit umzugehen, wenn mal wieder eine Tierart verschwindet. Es muss ja nicht gleich der afrikanische Elefant sein, wo man sagt: ‚Ah, den wollen wir erhalten!‘ Es können die unwichtigsten Bakterien im Erdboden sein, die hinterher entscheidende Einflüsse auf das ökologische Gleichgewicht haben."

    Intelligente Beleuchtungskonzepte
    Den Lichtsmog zu reduzieren, bedeutet keineswegs, den Schalter umzulegen, die Großstädte abrupt ins Dunkle zu tauchen und das finstere Mittelalter wieder heraufzubeschwören. Vielmehr geht es darum, Licht nicht länger maßlos zu vergeuden, es stattdessen angemessener und intelligenter zu verwenden.

    "Es geht vor allem darum, Beleuchtung zielgerichtet einzusetzen, um zu verhindern, dass Licht verschwendet wird, indem es unnötig nach oben, zur Seite abgestrahlt wird. Sondern es geht darum, das auszuleuchten und zu beleuchten, was auch tatsächlich beleuchtet werden soll."

    Lichtverschmutzung einzudämmen ist keineswegs teuer, sondern spart auch noch Geld – und das nicht zu knapp. Insbesondere in den Kassen der Gemeinden.

    "Nun, die Kommunen sind die zentrale Ebene, wenn es darum geht, bessere Beleuchtungskonzepte umzusetzen. Denn hier wird ja ein Großteil der Beleuchtungsanlagen installiert. Hier werden auch die Bauleit- und Flächennutzungspläne erstellt. Und wenn man sich einmal vergegenwärtigt, dass in Deutschland fünfzehn Prozent des Stromverbrauches aus der öffentlichen Beleuchtung kommen – das ist doch ein signifikanter Anteil."

    Mehrere Städte in Deutschland haben mittlerweile Licht-Masterpläne aufgestellt, mit denen sie ihre öffentliche Beleuchtung systematisch modernisieren möchten. Vorreiter ist die Stadt Augsburg mit dem emsigen Abteilungsleiter für öffentliche Beleuchtung, Sándor Isépy. Der gebürtige Ungar wird mittlerweile von Gemeinden aus ganz Deutschland um Rat gefragt, wie sie ihre Beleuchtungssysteme am pfiffigsten modernisieren können.

    "Wir kochen nur mit Wasser, wir nehmen die technischen Lösungen, die vorhanden sind. Wir können die ganze Straßenbeleuchtung sehr bedarfsgerecht ein- und ausschalten. Und wir können in vielen, vielen Stufen von oben nach unten schalten und wieder hochschalten. Wir können also mit diesen Maßnahmen circa fünfunddreißig bis vierzig Prozent der gesamten Straßenbeleuchtung nachts stufenweise außer Betrieb nehmen und, wenn morgens wieder der Verkehr kommt, wieder dann zuschalten."

    Bedarfsgerecht ist das Schlüsselwort im Augsburger Konzept. Ein Lichtsensor auf dem Dach der Stadtwerke misst, wie hell es gerade in Augsburg ist, ob beispielsweise Wolken den Nachthimmel verdunkeln. Die öffentlichen Laternen lassen sich fernsteuern. Bei jeder einzelnen wird immer wieder überprüft, ob sie zur richtigen Zeit und im rechten Maße Licht spendet. Nicht nur zu viel, auch zu wenig Licht soll vermieden werden: Die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.

    Doch nicht nur Fußgänger und Radfahrer erwarten, durch Licht geschützt zu werden. Viele Bürger, vor allem Frauen und Senioren, fühlen sich des Nachts in den Städten umso sicherer, je heller es ist. Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Dorothea Steiner, warnt allerdings vor der Hoffnung, mit Licht ließe sich Kriminalität bekämpfen:

    "Da, wo Probleme entstehen, wenn sich Menschen nachts zu Recht nicht sicher fühlen, werden Sie das nicht durch einige Lampen zusätzlich ändern. Ich will Ihnen nur ein Beispiel geben aus meinem eigenen Heimweg: Ich könnte da auch an einer Straße langgehen, wo rechts und links ein bisschen Park und ein bisschen Wäldchen ist, bevor die nächste Siedlung kommt. Egal, ob ich da mit Beleuchtung oder ohne Beleuchtung langgehe, würde ich mich nicht sicher fühlen. Da muss man sich andere Dinge überlegen."

    Ob sich zwischen öffentlicher Beleuchtung und der Kriminalitätsrate ein statistischer Zusammenhang herstellen lässt, ist umstritten. Der Wiener Astronom Thomas Posch berichtet:

    "Teilweise gibt es auch Fälle, wo man zeigen kann, dass durch eine verbesserte Beleuchtung in einem bestimmten Straßenzug Kriminalität zurückgegangen ist. Aber es gibt mindestens genauso viele gegenteilige Studien. Ein einfacher Gegentest ist: Schauen Sie sich die Städte mit den größten Kriminalitätsraten an, Mexiko City oder Kapstadt, dort ist es oft schockierend hell – und trotzdem gibt es schockierend hohe Mordraten."

    Der Repräsentant der Dark Sky Association weist darauf hin, dass es in einigen EU-Ländern längst Gesetze oder Verordnungen gibt, die die Lichtverschmutzung eindämmen. Deutschland könne sich da so manches abschauen, meint er, insbesondere bei der Leuchtreklame.

    "Gerade in diesem Jahr 2013 ist in Frankreich ein Dekret beschlossen worden, das einfach aus Energiespargründen besagt, dass ab Mitternacht Werbebeleuchtung auszuschalten ist. Schließlich würden wir es ja auch nicht akzeptieren, wenn in unseren Straßen alle Kaffeehäuser und Restaurants im Außenbereich sich einen Lautsprecher montieren würden und die ganze Nacht Werbung machen würden auf akustischem Wege. Beim Licht sind wir hier viel unsensibler, viel toleranter."

    Auch die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Beate Jessel, blickt wohlwollend über die Grenzen:

    "Das Land Slowenien hat ja seit dem Jahr 2007 eine eigene Verordnung zur Verhinderung von Lichtverschmutzung. Der interessante Ansatz ist darin, dass den Gemeinden ein Lichtkontingent zugewiesen worden ist. Sie dürfen, ich glaube, es sind 44,5 Kilowattstunden je Einwohner und Jahr, einsetzen im Rahmen ihrer Beleuchtung. Und diese Vorgabe, die jetzt aber nichts im Detail regelt, bringt dann doch jede Gemeinde dazu, es sich genau zu überlegen, wo sind denn meine neuralgischen Punkte, auf die ich die Beleuchtung konzentrieren sollte."

    Auch in Deutschland gibt es Regelungen zur Beleuchtung, insbesondere im Immissions- und Naturschutzrecht. Doch die Gesetze und Verordnungen, die Bund und Länder erlassen haben, formulieren eher allgemeine Leitlinien als konkrete Anweisungen. Die Folge ist ein Wildwuchs: Jede Kommune betreibt die öffentliche Beleuchtung nach eigener Façon, wie Franz Hölker erläutert. Der Berliner Biologe ist Leiter des bundesweiten Forschungsverbundes "Verlust der Nacht", in dem - unterstützt durch die Bundesregierung – Wissenschaftler interdisziplinär die Folgen der Lichtverschmutzung erforschen. Hölker würde es begrüßen, wenn der Bund oder die Länder durch dezidierte staatliche Normen den Gemeinden eine Orientierungshilfe für die öffentliche Beleuchtung in die Hand drücken würden.

    "Die Kriterien sind oft sehr unterschiedlich: Wir haben da Ästhetik, Sicherheit, Energieeffizienz – das sind so die drei Hauptkriterien in unterschiedlicher Hierarchie. Jede Stadt hat da eine unterschiedliche Hierarchie; und Gesundheit und Ökologie, diese Aspekte, also die negativen Auswirkungen dazu zu berücksichtigen, das ist in ganz wenigen Städten bislang der Fall. Aber so etwas dann auf Länderebene oder auf Bundesebene zu machen, das wäre natürlich durchaus notwendig, um da die Aspekte zu vereinheitlichen."

    Herkömmliche Glühbirnen sind von der EU mittlerweile verboten worden - weil sie Energie, nicht weil sie Licht verschwenden. Was die Lichtverschmutzung betrifft, gilt für die europäischen Rechtsvorschriften dasselbe wie für die nationalen deutschen: Sie sind zahnlos und für die Praxis kaum von Bedeutung. Sowohl Privatleute als auch die Gemeinden dürfen fast nach Belieben in Gärten und Parks, auf Wegen und Plätzen, zum Beispiel mit Kugellampen, Licht sinnlos in alle Richtungen streuen.

    Bis höhere politische Instanzen bereit sind, Bürger und Kommunen mit Vorschriften an die Hand zu nehmen, kann noch einiges an Zeit verstreichen – darauf müssen die Gemeinden nicht warten, ist Sándor Isépy überzeugt. In Augsburg hat er es ja schließlich vorgemacht: wie eine Stadt in Eigenregie damit anfangen kann, der Lichtverschmutzung entgegenzutreten – und damit ihren Bürgern für deren private Beleuchtung ein gutes Vorbild zu sein.

    "Also ich kann nur sagen: Regelungen sind vorhanden, die erlauben, dass man tätig wird und mit Engagement und Fleiß was tut. Es ist möglich."