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"Zu keiner Zeit wurde Gorleben mit anderen Standorten verglichen"

Die Obfrau im Gorleben-Untersuchungsausschuss, Ute Vogt (SPD), wirft Angela Merkel vor, als Umweltministerin in den 90er-Jahren gelogen zu haben. Obwohl es nie einen Vergleich mit anderen Standorten gegeben habe, habe Merkel so getan, als habe ein Gutachten Gorleben als erste Wahl dargestellt, sagte Vogt.

Ute Vogt im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 28.09.2012
    Christoph Heinemann: Bundeskanzlerin Angela Merkel wies gestern im Gorleben-Untersuchungsausschuss alle Kritik, alle Vorwürfe zurück, sie habe in ihrer Zeit als Umweltministerin in den 90er-Jahren einseitig auf Gorleben als möglichen Standort für ein atomares Endlager gesetzt. Darüber hat mein Kollege Tobias Armbrüster gestern mit Ute Vogt gesprochen, der Obfrau der SPD im Ausschuss, und sie gefragt, ob die Opposition es der Kanzlerin mal so richtig gezeigt habe.

    Ute Vogt: Na ja, wir haben jedenfalls ihr noch mal deutlich gemacht – und das konnte sie auch nicht widerlegen -, dass sie die Unwahrheit gesagt hat in Bezug auf ein alternatives Gutachten. Zu keiner Zeit wurde Gorleben mit anderen Standorten verglichen, und sie hat schlicht verkündet, Gorleben war das Beste, obwohl dieser Vergleich nie stattfand, und sie konnte nicht widerlegen, dass sie damals einfach gelogen hat, so muss man es leider sagen, um politisch Ruhe zu bekommen.

    Tobias Armbrüster: Das heißt, wir können festhalten: Sie sagen, Frau Merkel hat damals gelogen?

    Vogt: Ja, das ist eine Feststellung, die wir treffen konnten, weil sie behauptet hat, ein Gutachten hätte das Ergebnis gegeben, Gorleben sei der beste Standort.

    Armbrüster: Wenn es sich nun tatsächlich um eine Lüge handelt, welche Konsequenzen sollte sie dann heute ziehen?

    Vogt: Na ja, sie hätte sich zumindest entschuldigen müssen. Sie hat dann mal irgendwann gesagt, dass ihre Wortwahl wohl nicht ausreichend präzise war, und sie hat sich dann auch rausgeredet, sie sei damals noch nicht so perfekt gewesen.

    Armbrüster: Aber ich meine, wäre eine Entschuldigung nicht ein bisschen wenig bei einem Milliardenprojekt wie Gorleben?

    Vogt: Na ja, zumindest das hätte sie tun können. Ich habe jetzt nicht erwartet, dass sie gleich zurücktritt. Dazu klebt sie auch zu sehr am Amt.

    Armbrüster: Aber es hat sich wohl auch niemand getraut, das zu fordern?

    Vogt: Wissen Sie, es geht ja darum, dass das Ganze schon 15 Jahre her ist und dass es wohl schwer nachvollziehbar wäre, sie da heute in ihrem anderen Amt im Grunde dann wieder rauszukomplementieren. Darum ging es auch gar nicht.

    Armbrüster: Das heißt, Sie lassen da mildernde Umstände nach 15 Jahren gelten?

    Vogt: Nein, es sind keine mildernden Umstände, sondern was ich erwarte von ihr ist, dass sie gefälligst jetzt auch die Konsequenzen zieht aus ihrem damaligen Fehlverhalten und inhaltlich jetzt bei der neuen Endlagersuche ihre Fehler wieder gutmacht. Das war eigentlich für mich am heutigen Tag das viel dramatischere, dass sie uns gleich im Anschluss, praktisch noch bei der letzten Frage verkündet hat, sie ist ja der Meinung, dass Gorleben weitererkundet wird. Das fand ich sehr dramatisch, denn sie hat dann eben nicht nur sich nicht entschuldigt, sondern sie hat schlicht auch nichts gelernt, und im Grunde kann man das eigentlich nur noch durch einen Regierungswechsel wieder gutmachen.

    Armbrüster: Aber warum sollte man denn Gorleben nicht zu Ende erkunden?

    Vogt: Weil dieser Standort willkürlich nach politischen Gesichtspunkten ausgewählt worden ist und eben gerade kritische Wissenschaftler nicht ausreichend überhaupt die Chance hatten, das Projekt zu beurteilen. Man hat politische Kriterien angelegt und man hat vor allem zu keiner Zeit einen Vergleich gezogen. Wenn man einen Standort will, dann braucht man den sichersten und den besten. Wenn ich aber nur einen Einzigen überhaupt anschaue, kann ich nie feststellen, ob er überhaupt sicher ist im Vergleich zu anderen Standorten.

    Armbrüster: Ja aber, Frau Vogt, das heißt nun: Obwohl die Wissenschaftler noch gar nicht mit ihrer Erkundung zu Ende sind, können Sie heute schon sagen, dass Gorleben nicht der richtige Standort ist?

    Vogt: Es gibt in Gorleben Probleme mit dem Deckgebirge, es gibt die Probleme, dass Wasser eintritt, es gibt die Probleme des Gases unter dem Salzstock, und insofern habe ich große Zweifel, dass der Standort je geeignet sein kann, und vor allen Dingen ...

    Armbrüster: Große Zweifel ja. Aber sollte man nicht trotzdem zu Ende erkunden?

    Vogt: Man sollte vor allen Dingen vergleichen mit anderen Standorten, denn es geht ja darum, dass wir das sicherste finden und nicht das, was wir zufällig mal begonnen haben zu erkunden.

    Armbrüster: Aber für einen Vergleich braucht man doch auch konkrete Grundlagen bei Gorleben.

    Vogt: Ja! Die konkreten Grundlagen bei Gorleben sind ja jetzt mal da. Aber wir haben an keinem anderen Standort jemals weitererkundet, und das ist das Problem.

    Armbrüster: Wie bekommen Sie die denn aus Gorleben, wenn nicht zu Ende erkundet wurde?

    Vogt: Vor allen Dingen braucht man einen Vergleich mit anderen. Schauen Sie mal in die Schweiz, die macht das genau so.

    Armbrüster: Frau Vogt, ich will noch mal kurz zurückkommen auf die Sitzung heute mit Angela Merkel. Sie haben dort kritisiert, dass Frau Merkel damals politisch gehandelt hat und nicht dem Gutachten der Wissenschaftler gefolgt ist. Kann man einer Politikerin wirklich einen Vorwurf daraus machen, dass sie politisch handelt und politisch entscheidet?

    Vogt: Natürlich muss eine Politikerin immer politisch handeln. Aber eine Politikerin darf nicht kritische Wissenschaftler ignorieren.

    Heinemann: Ute Vogt, die Obfrau der SPD im Gorleben-Untersuchungsausschuss. Die Fragen stellte mein Kollege Tobias Armbrüster.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.