Freitag, 29. März 2024

Archiv


Zu wenig Lehrer an Berufskollegs

Chronischer Lehrermangel in Berufskollegs ist ein Problem. In Mönchengladbach hat vor einem Jahr ein Ausbildungsbetrieb seine Lehrlinge am Berufskolleg abgemeldet, weil zu viele Stunden ausfielen. Jetzt hat die NRW-Schulministerin gemeinsam mit der Wissenschaftsministerin einen Gegenmaßnahmenkatalog entworfen.

Von Stephanie Kowalewski | 19.04.2012
    Das Problem aus dem Vorjahr habe man inzwischen gelöst, betont Martin Pielka, Schulleiter des Berufskollegs Rheydt-Mülfort für Technik in Mönchengladbach, indem man einen Meister eingestellt und schulische Abläufe umorganisiert habe. Dennoch: Der Mangel an Fachlehrern ist eine Katastrophe mit Ansage, sagt er. Seit Jahren schon schlagen die Berufschulen gemeinsam mit den Handwerkskammern und auch den Ausbildungsbetrieben Alarm.

    "Wir stellen seit Jahren in den Bereichen Fahrzeugtechnik, Elektrotechnik Seiteneinsteiger ein, das heißt: Ausgebildete Lehrer stehen nicht zur Verfügung. In Versorgungstechnik gibt es überhaupt keine ausgebildeten Lehrer. Auch da können wir nur auf Seiteneinsteiger zurückgreifen."

    Mönchengladbach ist kein Einzelfall. So wie hier ist es fast überall in Deutschland. Und die Situation wird sich in den kommenden Jahren noch verschärfen, sagt Axel Fuhrmann, Hauptgeschäftsführer der größten NRW-Handwerkskammer Düsseldorf.

    "Wir wissen, dass in den nächsten fünf Jahren eine große Anzahl von ehemaligen Berufschullehrern in den Ruhestand gehen und wir wissen auch, dass wir keine zwei Handvoll Referendare in den Hochschulen des Landes NRW haben. Das ist eine tickende Zeitbombe."

    Damit die Bombe nicht wirklich hochgeht, sollen jetzt pensionierte Berufschullehrer wieder für den Unterricht gewonnen werden, erklärt NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann. Das ist ein Teil des Maßnahmenpaketes, das sie gemeinsam mit der Wissenschaftsministerin Svenja Schulze entwickelt hat.

    "Kolleginnen und Kollegen, die frisch ausgestiegen sind, die einen Bezug zu ihren Schulen haben, die möchten wir punktuell werben, dass sie doch noch ein paar Stunden unterrichten. Die Bezirksregierungen haben jetzt geguckt, wer könnte denn infrage kommen und es sind rund 200 Kolleginnen und Kollegen die jetzt angeschrieben werden."

    Eine nette Idee, kommentiert Axel Fuhrmann von der Düsseldorfer Handwerkskammer.

    "Nein, damit wird man keine Probleme in den Griff bekommen."

    Und Schulleiter Martin Pielka meint:

    "Lieber wären mir junge Lehrer."

    Sylvia Löhrmann hält dagegen:

    "Jede erteilte Stunde ist eine Stunde, die nicht ausfällt und die nicht vertreten werden muss. Also das, würde ich sagen, soll man jetzt nicht kleiner machen, als es ist."

    Man wird offensichtlich bescheiden, angesichts der massiven Probleme. Damit es in Zukunft überhaupt mal wieder Fachlehrer für die technischen und naturwisschenschaftlichen Fächer an Berufskollegs gibt, will die NRW-Regierung nun an den Studienberatungsstellen der Hochschulen verstärkt für den Job des Berufschullehrers werben. Außerdem, sagt die Schulministerin, sollen Lehrer, die bereits an einem Berufskolleg unterrichten, weiterqualifiziert werden.

    "Kolleginnen und Kollegen die vergleichbare, affine Fächer haben, dass wir denen sagen, wollt ihr nicht noch ein Spezialgebiet dazunehmen. Dann werden sie qualifiziert, dann können sie auch ein drittes Fach unterrichten."

    Dazu soll es künftig Kurse für Maschinen-, Elektro- und Fahrzeugtechnik geben, in denen die Lehrer dann innerhalb eines Jahres in Theorie und Praxis fit für den Unterricht gemacht werden. Etwas Ähnliches fordern die Handwerkskammern und Ausbildungsbetriebe seit Langem für Meister und Techniker. Sie wären perfekte Seiteneinsteiger, meint Axel Fuhrmann von der Düsseldorfer Handwerkskammer, die neben dem Unterricht in einem begleitenden Studium die notwendigen pädagogischen Fertigkeiten lernen könnten.

    "Aber da stört sich die ganze A13-Beamtenlobby. Die wollen halt einfach nicht, dass Personen, die vermeindlich nicht so qualifiziert sind, in den Schuldienst kommen."

    Dabei ist das in vielen Berufskollegs wegen des Lehermangels längst gängige Praxis. Das weiß auch NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann. Auch deshalb soll umgehend eine unabhängige wissenschaftliche Kommission eingerichtet werden, …

    "… die noch mal überlegen soll. Was können wir noch machen, was müsste denn möglicherweise am Beamtenrecht geändert werden, damit das leichter ist, diese Maßnahmen anzugehen, die jedem einleuchten, vor denen aber beamtenrechtliche Hindernisse jetzt stehen."

    Das Problem des Lehermangels an Berufschulen wird wohl auch mit dem neuen Maßnahmenkatalog so schnell nicht gelöst werden, befürchtet Axel Fuhrmann.

    "Das ist ein Marathonlauf und wir sind bei Kilometer eins."

    Im Mönchengladbacher Berufskolleg jedenfalls freut sich der stellvertretende Schulleiter Markurs Wirtz, dass im kommenden Schuljahr alle Stellen mit Fachlehrern besetzt sein werden. Das hat es seit Jahren nicht mehr gegeben.

    "Und zwar deshalb, weil die vielen Kollegen, die wir in den letzten zwei bis drei Jahren ausgebildet haben, jetzt ihre Ausbildung abschließen und dann mit vollem Kontingent auch in den Unterricht gehen."