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Zuckerfest
"Wie der Abschied von einem geliebten Menschen"

Heute endet der Fastenmonat Ramadan, das dreitätige Fest danach gehört zu den höchsten Feiertagen im Islam. Bayram heißt es auf türkisch - Zuckerfest. Manche Gläubige sind froh, andere wehmütig. Einblicke in den Fest- und Alltag türkischer Muslime.

Von Hüseyin Topel | 05.07.2016
    Früchte und Süßigkeiten, die beim Fastenbrechen zum Ende des Ramadans gereicht werden.
    Beim Fastenbrechen zum Ende des Ramadans werden vielerorts Früchte und Süßigkeiten gereicht. (imago / ZUMA Press)
    "Eigentlich ist der Fastenmonat wie im Flug vergangen. Vorher denkt man immer, dass es sehr schwierig werden wird. Aber Gott sei dank, das war es nicht. Jetzt ist man schon ein wenig traurig, dass diese besondere Zeit vorbei ist. Es ist fast so, als ob man einen geliebten Menschen für längere Zeit verabschieden würde", sagt Fatma Dönmaz. Sie führt mit ihrem Mann zusammen eine KFZ- Werkstatt. Selbstverständlich haben sie und ihre Mitarbeiter auch im Fastenmonat Ramadan genauso hart gearbeitet wie sonst auch. Auch wenn das ohne Essen und Trinken manchmal schon etwas schwergefallen ist. Dass man nun aber sogar dieser besonderen Zeit in gewisser Weise nachtrauert, dass kennt auch Abdullah Kulaç. "Es ist ein gemischtes Gefühl. Man sagt das Ramadan-Fest bringt zwei Sachen mit sich, die Freude und die Trauer. Die Freude natürlich, dass man den Ramadan vielleicht erfolgreich absolviert hat."
    Wie viele andere Muslime empfindet auch Abdullah Kulaç, dass die Fastenzeit eine Phase ist, in der man grundsätzlich im Umgang mit allen alltäglichen Dingen bewusster lebt als sonst. Das Fasten trägt dazu bei, dass man empfindsamer wird. Das ist etwas, das man dann am Ende auch vermisst.
    Adullah Kulaç: "Der Ramadan hat den Charakter einer Schule. Das ist quasi der Abschlusstag, der Tag, an dem man das hinter sich hat. Man vermisst eigentlich den Ramadan über das Jahr hinweg. Das ist auch vielleicht der Traueraspekt, dass man sagt: Schade, dass es wieder vorbei ist. Es ist eine Zeit, die man sehr intensiv erlebt, auch besonders wegen des Fastens."
    "Krönung dessen, was man sich im vergangenen Monat erarbeitet hat"
    Das Ramadan-Fest dauert je nach Land und Tradition unterschiedlich lang. Auf Türkisch wird es Bayram genannt. Volkstümlich spricht man auch, wegen der vielen Süßigkeiten, die es dann gibt, vom Zuckerfest. Insgesamt feiert man drei Tage lang. Das Ramadan-Fest gehört zu den höchsten Feiertagen im Islam. Dazu der muslimische Theologe Ali Esedoglu: "Man kann diese Zeit als die Krönung dessen sehen, was man sich in dem vorangegangen Monat erarbeitet hat und zwar sind es vor allem die koranischen Tugenden, wie Enthaltsamkeit, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und soziale Gerechtigkeit. Und zwar ist diese Zeit vor allem auch die Zeit, in der man sich diese Vorsätze, die man sich erarbeitet hat, für das ganze Jahr über hin verspricht und vornimmt."
    In einem Lied von Baris Manco heißt es: Kinder kommt ganz schnell aus den Federn, denn heute ist ein Festtag. Die Lieder dieses legendären, inzwischen verstorbenen Musikers sind bis heute sehr populär in der Türkei. Auch bei der Familie von Abdullah Kulaç gehört Baris Mancos Bayram- Lied traditionell zum Festtagsprogramm.
    Abdulla Kulaç sagt: "Ich habe selber zwei Kinder. Bei uns beginnt der Bayram-Tag auch immer mit diesem Lied. Ich wecke die Kinder eigentlich immer mit diesem Lied. Die mögen das auch sehr und es ist, denke ich, eine gute Einstimmung in den Tag."
    Zusätzliche Gebetsrufe während der Fastentage
    Vor dem ersten gemeinsamen Frühstück ist es für Männer Pflicht, die Moschee zu besuchen. Der muslimische Theologe Ali Esedoglu: "Am ersten Tag dieses Festes treffen sich die Muslime frühmorgens in der Moschee, um das Festgebet zu begehen und die Predigt des Imam zu hören. Dabei ist das rituelle Gebet auch etwas Besonderes, zu dem auch mehrere Gebetsrufe ausgeübt werden."
    Frauen und Kinder sind von der Pflicht des Festgebetes befreit. Deshalb nutzt Fatma Dönmaz die Zeit und bereitet das große Frühstücksbuffet vor.
    "Mein Mann geht schon zum Morgengrauen in die Moschee, wenn er zurückkommt, frühstücken wir alle zusammen. Weil wir in unserem Betrieb arbeiten müssen, findet das hier auch gemeinsam mit unseren Mitarbeitern statt."
    Während der Ramadan-Festtage fügen die Muslime zu ihren üblichen täglichen Pflichtgebeten noch besondere Gebetsrufe hinzu, die das enge Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen zum Ausdruck bringen. Abdullah Kulaç erklärt dies mit einem traditionellen Bild: "Es gibt ja in der Sufi Kultur diese Beziehungsdarstellung zwischen Gott und dem Menschen, die verglichen wird mit einem Geliebten und einem Liebenden. Es ist ein sehr schönes Bild und in der Beziehung Gott-Mensch ist das, denke ich, sehr intensiv."
    Deshalb sind auch die Feierlichkeiten im Islam traditionell mit einer gewissen Spiritualität verbunden: "Spiritualität bedeutet ja nicht, dass man sich komplett von der Gesellschaft absondert und sich zurückzieht. Ganz im Gegenteil, ich denke ein wichtiger Aspekt der Spiritualität besteht auch darin, was man vielleicht für sich selbst erarbeitet hat spirituell, dass man das mit anderen Menschen teilt und, dass man von dem profitiert, was andere Menschen in dieser Zeit erreicht haben."
    "Glaube gewährt einem Nachsicht"
    Im Laufe des diesjährigen Ramadan sorgte ein Video in den sozialen Netzen unter Muslimen für große Empörung. Denn darin beschimpfte ein junger Mann alle Muslime, die nicht fasten. Er forderte, dass diese Muslime auch nicht am Ramadan-Fest teilnehmen dürften. Für den muslimischen Theologen Ali Esedoglu widerspricht diese radikale Haltung allerdings den Grundsätzen des Islams. Er sagt: "Jeder, der sich als Teil dieses Glaubens sieht und jeder, der sich als Muslim sieht, hat auch das gute Recht das Fest zu begehen. Und ganz gleich, ob man den Ramadan-Monat fastend begeht oder nicht. Das ist die Nachsicht, die der Glaube halt einem gewährt.”