Freitag, 19. April 2024

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Zufall und Geschichte
"Eigentlich ist es ein Versagen der Führung"

Terror, Kriege, Flüchtlingskrise: Die Zahl der Konflikte weltweit steigt und mit ihr auch die Gefahr der Eskalation. Entscheidend sei dabei oft der Zufall, das zeige die Geschichte, so der Publizist Jörg Link. Er sagte im DLF: "Der böse Zufall nutzt den Raum, den eine schlechte Führung ihm lässt."

Jörg Link im Gespräch mit Kathrin Hondl | 08.01.2017
    Blick durch ein zerschossenes Fenster auf eine Stadt in der arabischen Welt
    Das Auge des Terrors (dpa/picture alliance/Valeriy Melnikov)
    Es sei ein Irrtum, dass Kriege immer den Absichten und zielgerichteten Handlungen entschlossener Akteure entspringen, sagte der Publizist Jörg Link im DLF. Er hat sich mit der Rolle von Zufällen in den Schreckmomenten der Geschichte beschäftigt und darüber ein Buch geschrieben. Als ein typisches Beispiel nannte er das misslungene Attentat auf Hitler in einem Flugzeug, bei dem der Zündmechanismus versagte. Wenn es gelungen wäre, wäre der Zweite Weltkrieg wahrscheinlich beendet gewesen. Auch das Attentat von Sarajevo, das den Ersten Weltkrieg auslöste, sei durch sehr viel Zufälligkeiten geprägt gewesen. "Nur weil sich Wilhelm II. nicht richtig durchgesetzt hat, ist dann der Krieg trotzdem ausgebrochen", sagte Link im DLF.
    Es sei eigentlich ein Versagen der Führung. "Der böse Zufall nutzt den Raum, den eine schlechte, miserable Führung ihm lässt", sagte Link. Begegnen könne man dem, indem man eine verantwortungsvolle, ethisch orientierte Führung an der Spitze eines Staates sicherstelle. Mit Blick auf den gewählten US-Präsidenten Donald Trump hat er diesbezüglich Zweifel, "ob er nicht dem bösen Zufall zu viel Spielraum lässt".
    Narzisstische Persönlichkeiten können Frieden gefährden
    Der emeritierte Professor für Wirtschaftswissenschaften verglich unlängst die Persönlichkeiten von Wilhelm II. und Donald Trump. In seinem Artikel schrieb er, "wenn narzisstisch geprägte Persönlichkeiten wie Donald Trump oder Wilhelm II. an die Spitze eines Staates gelangen, können ihre Ziele und Führungsmethoden den Frieden gefährden und dem bösen Zufall Tür und Tor öffnen".
    "Bei beiden Personen stand ihr eigenes Ich sehr im Vordergrund. Es kam ihnen sehr darauf an, Wirkung und Eindruck zu erzielen. Da hatten sie ein entsprechendes Auftreten ohne Rücksicht auf Ethik und Wahrheit. Hauptsache es gab die von ihnen beabsichtigte Wirkung – auch für sie selbst", so Link. Sollte es einmal "hart auf hart kommen", würden solche Personen ihr Ich nicht zurückstellen können und sich stattdessen verhaken, warnte Link.
    Link sprach in diesem Zusammenhang die Kubakrise 1962 und die Zuspitzung eines Atomkrieges zwischen den USA und der Sowjetunion an. In dieser Situation sei keine Verbindung mehr zu den Kommandobehörden da gewesen. Man müsse ethische Regeln aufstellen, Verbindungen sicherstellen, dass es nicht bei einem einsamen U-Bootkommandanten landet, ob ein Atomkrieg ausbricht oder nicht. "Was damals unter Kennedy gut gegangen ist, kann unter Trump sehr schnell daneben gehen", sagte Link.
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