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Zuhause zu Gast beim Kitchensurfing

Ende August geht eine Internetseite in Deutschland an den Start, die das Prinzip von Gastfreundschaft per Internet, vor allem bekannt durch die Plattform "Couchsurfing", auf das Thema Essen überträgt. "Kitchensurfing" vermittelt Köche an Menschen, die lieber Zuhause essen als im Restaurant – und sich dies auch etwas kosten lassen.

Von Monika Hebbinghaus | 21.08.2012
    "Schmeckt gut, was ist das?"
    "Walnuss-Paté mit Datteln und getrockneten Tomaten."

    Rohkost-Köchin Melanie Göbl beim Casting in der Büroküche von Kitchensurfing. Wer hier mit seinem Essen überzeugt, wird in das Köche-Angebot der Internet-Plattform aufgenommen. Natürlich muss es schmecken, meint Talent-Scout Kavita Meelu. Aber ihr geht es nicht nur darum, professionelle Gourmet-Köche zu finden. Sie sucht Menschen, die ihre Leidenschaft fürs Kochen mit anderen teilen wollen.

    "They don’t need to be gourmet chefs, they don’t need to have the classical experience, but they should be people who could spend hours talking about food, to talk about different cooking techniques, and generally have this vibe to share knowledge about food with other people."

    Und so funktioniert es: Zunächst sucht man sich auf Kitchensurfing.com einen Koch aus, dessen Profil, Menüvorschläge und Preisgestaltung einem gefallen. Manche kommen für 25 Euro Stundenlohn ins Haus, andere verlangen das Doppelte, je nach Erfahrung und Anspruch. Dazu kommen die Kosten für die Zutaten. Hat man jemanden gefunden, schickt man ihm eine Anfrage, spricht ein Menü ab und handelt die Details aus. Ist man sich einig, wird der Koch über die Website gebucht.

    Das Beste daran: Die meisten Köche kaufen auch ein und räumen hinterher auf. Es ging aber nicht nur darum, einen Internet-Marktplatz für freischaffende Köche aufzubauen, sagt Kitchensurfing-Gründer Borahm Cho. Die Menschen sollen ganz neue Erfahrungen beim Essen zu machen.

    "Das Konzept hat sich über die Zeit entwickelt, dass Leute sich danach gesehnt haben, nach mehr Essen Zuhause, nach gutem Essen, nach interessantem Essen, und nach Kultur einfach auch. Wir haben angefangen in New York Anfang des Jahres mit 20 Köchen. Innerhalb von zwei Monaten hatten wir über 200 Köche, die man buchen konnte, die zu einem nach Hause gekommen sind, die eine Geschichte erzählt haben, die erzählt haben, wieso sie kochen, die man beobachten konnte, während sie gekocht haben – und die Gäste haben es geliebt."

    Viele Köche haben eine besondere Geschichte, auch die heutige Test-Köchin Melanie Göbl. Denn am Anfang ihrer Leidenschaft für Rohkost stand eine Diagnose: Arthritis.

    "Ich konnte nicht mehr laufen 'ne Zeit lang. Und die Ärzte haben mir auch alle gesagt, ich werde nie wieder laufen können. Und dann war ich erst mal ziemlich am Boden zerstört und hab das alles so geglaubt –aber ich wusste innen drin irgendwie, nee, da muss es andere Wege geben."

    Also hat sie ihre Ernährung komplett umgestellt. Inzwischen kann sie nicht nur wieder laufen, sondern hat sich in einem veganen Restaurant auf die Zubereitung von Rohkost-Gerichten spezialisiert. Künftig will sie als "raw chef" bei Kitchensurfing ihr Können anbieten.

    "Das ist jetzt der erste Schritt in 'ne selbstständige Arbeit mit den Leuten zusammen. Wo man in einem intimeren Bereich für Leute kocht, die gern Geld dafür ausgeben, aber nicht immer in die gleichen Restaurants gehen wollen. Und ein Aspekt, was ich für mich und andere tun kann, ist meine eigene Heilungsgeschichte weitergeben."

    Eine Wohnung im 2. Stock in Berlin-Mitte. Hier hat das Team von Kitchensurfing in den letzten Monaten regelmäßig Test-Mittagessen veranstaltet, um seinen Köchen eine Bühne zu bieten. In der Küche der Wohnung legt Köchin Lisa Müller letzte Hand an ihre rohe Pizza, kleine glutenfreie Cracker mit frischem Belag.

    "Das hier ist der Cashew-Paprika Käse, auch mit etwas Kurkuma dabei, für die gelbe Farbe."
    "Wie viele Gäste haben sich angekündigt?"
    "Dreißig, nehme ich an."
    "Ist ausgebucht?"
    "Ja!"

    Die Gäste sitzen im Wohnzimmer an langen Holztischen. Alle sprechen Englisch, auch wenn ein paar Deutsche dabei sind. An meinem Tisch sitzen Kanadier aus der IT-Branche – so wie Tosh aus Toronto. Für ihn ist Kitchensurfing Teil der Underground-Restaurant-Bewegung in Berlin. Menschen aus der ganzen Welt, die im Verborgenen kochen. Und dadurch gebe es in Berlin endlich gutes Essen, denn bisher sei das eher mittelmäßig.

    "There’s tons of people from all over the world who are coming here and cooking, and doing it all kind of underground, under the radar. And so it’s really exiting to finally find really good food, because what’s normally available in Berlin is pretty … mediocre."

    Köchin Lisa serviert das Essen. Vor allem der private Rahmen kommt bei den Gästen gut an. Und manch einer könnte sich sogar vorstellen, demnächst selbst einen Koch über Kitchensurfing zu buchen.

    "Das ist ne schöne Mischung aus 'ner oft anderen Art zu kochen mit spannenden Leuten, die hier herkommen, aus der ganzen Welt. Fand ich immer ganz schön."
    "Ich habe Dinge geliebt und gekostet, die ich nie gekostet hätte. Das war super. Und ich würde das gerne machen, wenn ich einen guten Koch finden könnte."
    "Auf jeden Fall zu 'nem großen Anlass wie Geburtstag oder Weihnachten oder so."