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Zukunft der deutschen Buchbranche
Hardcover, E-Books und Inhalte auf Abruf

Die Wege, auf denen die Inhalte zu den Lesern kommen, sind inzwischen für die Verlagsbranche sekundär - ob gedrucktes oder elektronisches Buch. Wenn es nach den Internet-Konzernen wie Google oder Amazon geht, dann würde es einige Verlage künftig nicht mehr geben. Der Konkurrenzkampf ist in vollem Gange. Doch am Ende entscheidet der Leser.

Von Ludger Fittkau | 08.10.2014
    E-Book und Buch
    Verlage müssen sich auf das Zeitalter des E-Books einstellen. (picture alliance / dpa / Simon Chavez)
    114. Diese Zahl ist für den S. Fischer-Verlag so etwas wie eine magische Zahl. Sie soll Glück bringen für die heikle Passage eines der wichtigsten deutschen Belletristik-Verlage: die Passage aus der Buchdruck-Geschichte in die digitale Zukunft. 114 - das ist zum einen die Hausnummer des Verlagssitzes in der Hedderichstraße in Frankfurt-Sachsenhausen. Eine alte, sorgsam restaurierte Fabrik mit einer modernen Dachterrasse, von der aus man über ganz Frankfurt schauen kann. Peter Sillem, Cheflektor des S. Fischer-Verlages:
    "Ja, es ist die alte Schriftgießerei David Stempel, hier wurden die Bleilettern tatsächlich hergestellt. Gegossen für den Bleisatz. Es wurden aber auch sehr schöne Schriften entwickelt. Zum Beispiel die berühmte Stempel Garamont, und insofern ist es passend, dass der Verlag hier zu Hause ist. Über dem Eingangsportal, das Sie gerade beschrieben haben, prangt Gutenberg. Also ein gutes Zuhause für einen Verlag."
    114. Mit der Hausnummer des Verlagssitzes als Glückszahl will S. Fischer aber auch den Weg in eine Zukunft einschlagen, die aus der Gutenberg-Galaxis der gedruckten Texte hinausweist: Hundertvierzehn.de. So lautet der Name eines literarischen Online-Magazins, in dem die Autoren des Verlages bloggen. Auch Facebook oder YouTube sind längst Medien, in denen der Verlag unterwegs ist, um die Digital Natives über neue Texte zu informieren. Fischer-Cheflektor Peter Sillem:
    "Genau diese Frage: Wie erfahren Menschen von der Existenz eines Buches beispielsweise. Da müssen wir als Verlage, als Buchverlage hellwach sein, dran bleiben. Gucken, was verändert sich und diese Wege mitgehen und uns nicht mehr auf einen Königsweg zu verlassen. Und das wird auch von Buch zu Buch, von Genre zu Genre verschieden sein."
    "Wir verlegen durchaus auch reine E-Books, ohne dass es einen Print-Hintergrund gibt. Das sind dann kürzere Bücher, die sind dann angesiedelt zwischen Zeitschriften und den klassischen Büchern. Im Umfang von 50, 60 Seiten, die verlegen wir. Andere Verlage machen das mittlerweile auch."
    Sagt Thomas Carl Schwoerer, Verleger des rund 30 Mitarbeiter zählenden Campus-Verlages. Auch Campus ist ein Frankfurter Unternehmen mit Sitz im Multi-Kulti-Viertel Bockenheim. Campus ist ein reiner Sachbuch-Verlag, während S. Fischer mit rund 150 Mitarbeitern zu den führenden deutschen Verlagen im Bereich Belletristik zählt. Die Herausforderung jedoch, sich auf das Zeitalter des E-Books einzustellen, müssen beide Verlage gleichermaßen annehmen. Das E-Book steht für Campus-Verleger Thomas Carl Schwoerer strategisch längst auf einer Stufe mit dem gedruckten Buch:
    "Es gibt beides, und wir sind gut beraten, beides zur Verfügung zu stellen. Und so wird es auch eine ganze Weile bleiben. Es ist auch unabhängig vom Alter. Es gibt Menschen in meinem Alter, 57, die mit großer Leidenschaft die elektronischen Medien verfolgen. Es gibt junge Leute, Studierende, die lieber Print benutzen, zum Beispiel im Studium. Es geht querbeet durch, und wir lassen unseren Lesern die Wahl, was sie haben möchten."
    Weg zum Leser vielfältig
    Ob gedrucktes oder elektronisches Buch - die Wege, auf denen die Inhalte zu den Lesern kommen, sind für die Verlagsbranche heute sekundär. Die Wege sind beliebig, aber nicht die Inhalte, betont Peter Sillem vom S. Fischer-Verlag. Die Lektoren müssen aus seiner Sicht heute mehr denn je Gralshüter der Textqualität sein:
    "Erst einmal entwickeln wir das mit unseren Autoren, was wir glauben, was der Öffentlichkeit gesagt werden könnte oder sollte. Und dann müssen wir schauen, dass wir das Publikum davon überzeugen. Das ist ein altes Credo unseres Verlagsgründers Samuel Fischer. Man muss dem Publikum Werte aufzwingen, die es nicht will, das sei die vornehmste Aufgabe unseres Verlegers. Das gilt für uns nach wie vor."
    Internet-Konzerne gegen Traditionsverlage
    Doch wenn es nach Internet-Konzernen wie Google oder Amazon geht, wird es einen großen Traditionsverlag wie S. Fischer oder einen mittelgroßen Verlag wie Campus künftig nicht mehr geben. Davor warnt Alexander Skipis, Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels:
    "Es ist das erklärte Ziel Amazons, der Intermediär zwischen Autor und Leser zu werden. Das heißt mit anderen Worten, alle Verlage und Buchhandlungen überflüssig zu machen. Deshalb hat der Jeff Bezos auch gesagt: Wir müssen die Verlage jagen wie Gazellen. Das ist genau das, was dahinter steckt. Das ist eine Kampfansage. Gegen Verlage und Buchhandlungen, gegen einen Markt von differenzierten Vertriebssystemen. Und darauf startet der Angriff von Amazon."
    Ein Angriff, dem viele Verlage noch ziemlich hilflos gegenüber stehen. 2013 wurden in Deutschland bereits 21 Millionen E-Books verkauft. Mit rund 40 Prozent Marktankteil in diesem Segment ist die Marktmacht von Amazon im Internet für die klassischen Verlage zurzeit fast erdrückend. Campus-Verleger Thomas Carl Schwoerer:
    "Es ist vor allem ein Thema, was die E-Books angeht. Da ist Amazons Anteil sehr groß. Aber es gibt Gegenbewegungen. Beispielsweise gibt es den Tolino, den E-Book-Reader von einigen namhaften Buchhandlungen. Ein Erfolg. Ein relativ singuläres deutsches Phänomen, dass hiesige Sortimenter dem etwas entgegenstellen. Und das ist ein sehr relevantes und interessantes Angebot für deutsche Leser."
    E-Book von deutschen Großbuchhandlungen
    Beim Tolino-Projekt beteiligen sich die Groß-Buchhandlungen Thalia, Bertelsmann, Hugendubel und Weltbild. Technischer Partner ist die Telekom. Im Gegensatz zum E-Book-Reader Kindle, auf dem man nur Bücher lesen kann, die bei Amazon gekauft wurden, kann man mit dem Tolino E-Books von verschiedenen Anbietern und in unterschiedlichen Formaten lesen. Den Angriff von Amazon auf Verlage und Buchhandlungen wird der Börsenverein gleich in mehreren Veranstaltungen auf der Frankfurter Buchmesse thematisieren. Dass die traditionellen Verlage sich stärker gemeinsam gegen Amazon wehren - dies wäre aus Sicht des Börsenvereins-Geschäftsführers Alexander Skipis wünschenswert, sei aber rechtlich nicht so einfach:
    "Solidarität ist ein sehr schönes Wort. Kartellrechtlich gesehen ist es aber illegal. Das heißt, die Verlage dürfen sich nicht untereinander absprechen. Aber ich vermute, dass alleine durch die Erkenntnis dessen, was jetzt passiert, in jedem einzelnen der Entschluss reift unabhängig von den anderen, dass es so nicht weitergehen kann."
    Und es gibt auch bereits Erfolge auf diesem Weg. So hat der Börsenverein des deutschen Buchhandels den Konzern per Gerichtsbeschluss dazu gezwungen, die Buchpreisbindung in Deutschland einzuhalten. Alexander Skipis will den Druck jedoch weiter aufrechterhalten:
    "Amazon ist ein Unternehmen, das kommunikativ in der Steinzeit lebt. Also corporate citizenship oder good corporate citizenship, die ja aus dem Amerikanischen kommen, sind für die überhaupt kein Thema. Sie wollen eigentlich überhaupt nichts mit der Gesellschaft zu tun haben, sie wollen nur den Kunden abkassieren, das ist der Punkt."
    Und dafür will der Konzern die Preise drücken. Auch wenn klare Beweise fehlen, es ist offensichtlich, dass Amazon Druck auf die Verlage ausübt, um höhere Rabatte auszuhandeln. So steht der Vorwurf im Raum, dass das Unternehmen Empfehlungslisten manipuliert und Bücher bestimmter Verlage verlangsamt ausliefert. Der Börsenverein hat sich beim Bundeskartellamt über eine solche Praxis beschwert. Betroffen war in dem Fall die Bonnier-Gruppe mit Verlagen wie Piper und Ullstein. Mehr als 500 deutschsprachige Autoren haben inzwischen einen Protestbrief unterzeichnet. Eine ähnliche Aktion hatte es zuvor in den USA gegeben.
    Klassische Buchhändler und E-Book-Formate
    Aus Sicht der Verlage müssen auch und vor allem die Buchhandlungen mitziehen, wenn es darum geht, den deutschen Buchmarkt aufrecht zu erhalten. Die klassischen Buchhändler müssten sich auch mit E-Book-Formaten und den verschiedenen Lesegeräten auskennen. Sie sollten möglichst eben nicht nur für das Lesegerät Kindle von Amazon, sondern auch für den Tolino und andere digitalen Medien anbieten und bedienen können. Das empfiehlt S. Fischer-Cheflektor Peter Sillem:
    "Wenn Buchhandlungen verstehen, die Vorteile des stationären Buchhandels mit dem E-Book zu verbinden, dass sie Ansprechpartner sind für ältere Kunden, die sich schwertun im Umgang mit dem Lesegerät, das ja viele Vorteile für sie hat: individuelle Einstellung der Schriftgröße, Hintergrundbeleuchtung. Damit zu seinem Buchhändler gehen zu können und sagen zu können, bitte laden Sie mir diese Bücher auf das Gerät. Oder: Es funktioniert irgendwas nicht, gucken Sie mal. Wenn Buchhandlungen so etwas anbieten und so wirklich ihr Selbstverständnis erweitern, dann glaube ich, ist es gar nicht schlecht um die Zukunft des Buchhandels bestellt."
    Die klassischen Verlage sehen die Buchhandlungen in den Innenstädten gewissermaßen als natürliche Verbündete, wenn es darum geht, Marktoligopole von Internetkonzernen wie Amazon oder Google zu verhindern. Doch es gibt einen weiteren Akteur im Verlagswesen, der genauso entscheidend für das Überleben der Verlage im Digitalzeitalter ist: der Autor. Peter Sillem:
    "Worüber ich viel nachdenke, worüber wir hier im Verlag viel nachdenken, ist natürlich die Frage des Selbstverständnisses der Buchverlage. Was leisten wir, was leisten wir für unsere Autoren, was müssen wir leisten? Und ich glaube, da gibt es viele Aufgaben für die Verlage. Eben eine Auswahl zu treffen für das Publikum, aber auch das Selbstverständnis, den Autoren alles bieten zu können rund um das Buch."
    Verlagslektoren und neue Entwicklungen
    Dazu gehören nicht nur die verschiedenen Ausgabeformen für Texte - ob gedruckt oder digital. Auch bei Bearbeitung etwa eines Erzählstoffes für ein Drehbuch oder für das Theater müssen die Verlagslektoren ihren Autoren Hilfestellung leisten, fordert Sillem:
    "Aber auch juristische Beratung. All solche Dinge. Wir müssen einfach hundertprozentig für unsere Autoren da sein. Und das, glaube ich, wird die Zukunft der Buchverlage sein."
    Campus-Verleger Thomas Carl Schwoerer meint, dass die Lektoren trotz dieser zusätzlichen Aufgaben die sorgsame Arbeit am Autorentext nicht vernachlässigen dürfen:
    "Textqualität ist nach wie vor von zentraler Bedeutung. Auch die Originalität einer Idee. Letztlich ist das Sympathische an unserem Geschäft, dass es ein idealistisches Geschäft ist. Das heißt, wir verbreiten Ideen. Und das Potenzial dieser Ideen einzuschätzen, ist ein Kernteil unseres Geschäfts. Das andere sind die Autoren, Autoren sind mit das wichtigste Kapital eines Verlegers. Diese Autoren zu halten und ihnen das Gefühl zu geben, sie haben zu Recht Vertrauen in den Verlag und mit ihren Babys geht der Verlag so um, dass dieses Vertrauen gerechtfertigt ist."
    Peter Sillem:
    "Sie müssen den Autoren zu Seite stehen, vielleicht dabei helfen, noch mehr aus einem Text rauszuholen und dabei die Autoren unterstützen. Sie müssen natürlich auch mehr über Marketingfragen und Vertriebsfragen nachdenken, aber sie müssen vor allem da sein. Sie müssen da sein für die Autoren, für alle Fragen, die Sie haben, und das ist eine große Aufgabe."
    Verlagsstandorte und die literarischen Talente
    Für die Autoren da zu sein - heißt das heute für große Verlage wie S. Fischer nicht vor allem, in Berlin zu sein? Berlin hat sich seit dem Mauerfall mehr und mehr zum intellektuellen Zentrum der Republik entwickelt. Die Hauptstadt lockt Künstler und Schriftsteller aus aller Welt an, hier gibt es viele literarische Talente zu entdecken. Der Suhrkamp-Verlag zog die Konsequenz aus dieser Entwicklung und verlegte mit großer öffentlicher Begleitmusik seinen Sitz von Frankfurt am Main nach Berlin. Der in Berlin gegründete S. Fischer-Verlag, den Peter Suhrkamp während der Nazizeit übernommen hatte, als die jüdische Verleger-Familie aus Deutschland fliehen musste, ist immer noch in Frankfurt am Main. Und dort wird er auch bleiben, versichert Cheflektor Peter Sillem, obwohl tatsächlich viele Autoren des Verlages in Berlin leben:
    "Gleichzeitig ist ja ein großer Vorteil des deutschen Verlagswesens sein Föderalismus. Ich finde es sehr, sehr schön, und man merkt es den Programmen auch an, wenn sie an Kiepenheuer und Witsch denken, die Verwurzelung in Köln merkt man dem Programm an. Das ist etwas ganz anderes, als wenn der Verlag in Berlin wäre. Der S. Fischer-Verlag ist inzwischen, das ist ja eine lange Geschichte, die sehr die deutsche Geschichte spiegelt, länger in Frankfurt ansässig, als er je in Berlin ansässig war, wo er 1886 gegründet worden ist von Samuel Fischer. Von wo er vertrieben worden ist. Die Verlagsdichte in München, wir haben Hamburg. Und ich glaube, dass ist für die Vielfalt der Verlagsprogramme nur förderlich, dass wir über ganz Deutschland verbreitet sind."
    Auch der Campus-Verlag will das quirlige Milieu des an das Frankfurter Messegelände angrenzende Studenten- und Migrantenviertels Bockenheim nicht missen, versichert Thomas Carl Schwoerer. Er habe noch nie ernsthaft darüber nachgedacht, nach Berlin zu gehen, sagt der Mann, der auch schon mal Verleger des Jahres war:
    "Bockenheim ist ein multi-kultureller Stadtteil, wir halten uns zugute, dass wir ein sehr weltoffener Verlag sind, ein Verlag mit internationaler Ausrichtung. Uns läuft täglich der internationale Teil von Frankfurt über den Weg, und Frankfurt ist aus meiner Sicht die internationalste, die weltoffenste Stadt, die Deutschland zu bieten hat. Insofern fühlen wir uns hier sehr wohl."
    Neue digitale Wege
    Für die Autoren da zu sein - das bedeutet zurzeit ohnehin vor allem, die neuen digitalen Distributionswege zu erschließen. Der Verlagsstandort tritt dabei in den Hintergrund. Die Verlage müssen Autoren heute dabei helfen, Inhalte auf ganz anderen Wegen zu verkaufen als in Buchform - ob gedruckt oder digital. Der Campus-Verlag fasst etwa Inhalte verschiedener Sachbücher und Autoren im Segment Unternehmenskommunikation und Management-Ratgeber digital zusammen und bietet sie Unternehmen an. Statt etwa Loseblattsammlungen für die Unternehmensführung gibt es aus dem Verlagshaus Frankfurt-Bockenheim künftig Dateien mit Tipps für Unternehmen, die ein Digital-Abo gekauft haben, so Verlagsleiter Thomas Carl Schwoerer:
    "Wir haben mehrere Unternehmen, mit denen wir Abkommen haben, die unsere Inhalte beziehen. Und sie beziehen sie in einer Art und Weise, die buchübergreifend ist. Da geht es gar nicht mehr um Einzeltitel, sondern da geht es um entscheidungsorientierte Problemlösungen für spezielle Probleme dieser Unternehmen auf der Grundlage unserer Inhalte. Auch das will natürlich aufbereitet werden, quasi mundgerecht für die Mitarbeiter in den Unternehmen. Auch das setzt Arbeit voraus. Aber auch die investieren wir gerne, denn auch das ist unser Zukunftsgeschäft."
    Doch damit sich Unternehmen für die Inhalte von Büchern interessieren, müssen sie erst einmal wissen, dass es diese Bücher gibt. In der Vergangenheit waren Rezensionen in Tageszeitungen dafür enorm wichtig. Umso mehr sorgen sich die Buchverlage, dass die Auflagenzahlen der Zeitungen kontinuierlich zurückgehen und auch große Feuilletons von massivem Personalabbau bedroht sind. Fischer-Cheflektor Peter Sillem:
    "Das beunruhigt uns natürlich, weil wir uns fragen müssen, wie erfahren jeweils die Leserinnen und Leser eines Buches von der Existenz eines Buches. Und da waren natürlich die Feuilletons immer wichtige Partner und sind es auch nach wie vor, aber wir müssen uns trotzdem ganz genau darüber Gedanken machen, was können wir tun, damit die 3.000, 7.000, 20.000, 100.000 Leser, die ein Buch haben kann, überhaupt erfahren, dass es dieses Buch gibt."
    Campus-Verleger Thomas Carl Schwoerer setzt darauf, dass die Buchrezensionen der Tageszeitungen mit dem Auflagenrückgang nicht verschwinden, sondern von den Feuilletonisten in ähnlicher Qualität im Internet angeboten werden:
    "Es geht, glaube ich, nicht darum, hoffe ich jedenfalls, dass diese Zeitschriften und Zeitungen gar nicht mehr existieren, sondern die Frage ist: Werden sie das Printangebot so aufrecht erhalten können? Aber natürlich gefährden die sinkenden Werbeerlöse diese Medien als solche, das ist klar. Für uns als Verlage sind das ganz wichtige Plattformen für Inhalte, natürlich bricht auch etwas weg, wenn es diese Seiten nicht mehr geben sollte. Ich kann den Kollegen nur alles Glück der Welt wünschen."
    Macht der Leser
    Glück für die Produkte des Gutenbergzeitalters, ob Zeitungen oder Bücher - diesem Glück kann man aber auch nachhelfen. Macht haben dabei vor allem die Leser, betont Alexander Skipis vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Die Leser können etwa den Vorteil von Online-Bestellungen nutzen, ohne damit den Niedergang der Buchhandlungen in den Einkaufsstraßen zu befördern. Denn auch viele kleine Buchhändler sind längst selbst im Internet aktiv, so Skipis:
    "Schon über 2.000 bis 3.000 Buchhandlungen haben Webshops, genau wie Amazon. Das heißt, sie können dort alles mit der gleichen Bequemlichkeit bestellen. Und das heißt, da kommen wieder Käufer und Leser zu den Buchhandlungen zurück. Viele Buchhändler berichten von Verkaufsgesprächen, die beginnen: Ich habe früher bei Amazon gekauft. Die Buchbranche hat verstanden, was der digitale Markt bedeutet. Und insofern sind wir vielleicht auch ein kleines Vorbild für den übrigen Einzelhandel."
    Dennoch hat das Internet gegenüber dem Buchladen einen entscheidenden Nachteil, glaubt Campus-Verleger Thomas Carl Schwoerer. Es ist weniger inspirierend als eine gut sortierte Buchhandlung, deren Regale und Büchertische das Wissen und die Lese-Leidenschaften der Händler widerspiegeln:
    "Das ist eigentlich die beste Art, sich inspirieren zu lassen. In einer 3D-Form, die das Internet so nicht kopieren kann. Bei allem Verständnis, dass es sehr bequem ist, über das Internet zu gehen und sich da auf dem Laufenden zu halten, das ist gewiss so, es spart Zeit. Aber meine Erfahrung ist, wenn ich in eine Buchhandlung gehe, dass ich immer klüger wieder rauskomme, das wäre mein Hinweis."
    Leser, die weiterhin gerne in Buchhandlungen gehen, Buchhändler, die ihre Kunden kennen und deshalb individuelle Lesetipps geben und auch mal einen E-Book-Reader reparieren oder eine Datei wiederherstellen. Sowie schließlich Verlage, die die Leser immer wieder mit Inhalten überraschen, mit denen sie nicht gerechnet und die sie eigentlich auch nicht gewollt haben, denen sie sich dann aber hingeben: Wenn dieses magische Dreieck des Buchmarktes im digitalen Zeitalter funktioniert, dann ist auch Peter Sillem vom Fischer-Verlag nicht bange um die Zukunft der Branche. Sillem:
    "Man kann viele Entwicklungen beklagen, man kann sie aber auch aus Chance nutzen und Nischen suchen, in denen noch nicht so viele sitzen. Und ich habe das Gefühl, es ist eigentlich ein gutes Klima für Individualität, für persönliche Ansprache, für Empfehlungen. Wenn man dieses Klima für sich zu nutzen weiß, kann das gut gehen."