Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Zukunft der Diplomatie
Die unerträgliche Langsamkeit des Verhandelns

Schaut man nach Syrien, in den Jemen, die Ukraine, in den Südsudan, dann scheint die Lösung von Krisen durch Diplomatie in der Krise zu stecken. Denn erreicht wurde kaum etwas. Damit stellt sich die Frage, wie geeignet die klassische Diplomatie heute noch ist, Konflikte wie den in Syrien zu lösen?

Von Marc Engelhardt | 06.02.2018
    Das Bild zeigt den stellvertretenden russischen UNO-Botschafter Safronkow, der sein Gesicht mit der linken Hand abstützt.
    Die Diplomaten dieser Welt blockieren sich oft gegenseitig. Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zum Syrienkonflikt scheitern zum Beispiel bislang am Veto Russlands. (AFP / Timothy A. Clary)
    Es begann mit Protesten für mehr Demokratie in Syrien - und endete in einem Krieg mit mehr als 470.000 Toten, der seit mittlerweile fast sieben Jahren anhält. Fast ebenso lange bemühen sich Diplomaten im Auftrag der Vereinten Nationen, zwischen den Rebellen und der Regierung von Staatschef Baschar al-Assad zu vermitteln. Als Erstes scheiterte Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan, nach ihm der frühere algerische Außenminister Lakhdar Brahimi. Seit inzwischen vier Jahren müht sich der schwedisch-italienische Diplomat Staffan de Mistura, ein Friedensabkommen zwischen den verfeindeten Parteien auszuhandeln. Immer wieder ruft er zur Versöhnung auf, wie Ende Januar in Wien:
    "Was wir letztlich brauchen, ist politischer Wille. Es ist höchste Zeit, dass Diplomatie, Dialog und Verhandlungen die Oberhand gewinnen, im Interesse aller Syrer."
    De Mistura ist ein Diplomat alter Schule. Mit schwarzem Anzug und Aktentasche reist er um die Welt, um winzige Verhandlungsspielräume auszuloten. Seine Geduld scheint grenzenlos zu sein. Seine sprichwörtlich einzige Waffe ist Resolution 2254, die der UN-Sicherheitsrat Ende 2015 einstimmig beschlossen hat. Sie fordert die Kriegsparteien zu einem sofortigen Ende der Gefechte und alle UN-Mitgliedsstaaten zur Unterstützung der Friedensverhandlungen auf.
    Doch die vier Seiten Papier sind vielleicht noch geduldiger als UN-Vermittler de Mistura. Erst am Montag kursierten Berichte, das Assad-Regime habe erneut Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt. Zuvor versuchte Syriens Verbündeter Russland, die Friedensverhandlungen mit einem Treffen in Sotschi zu kapern - was De Mistura nur gerade so verhindern konnte:
    "Ich habe daran erinnert, dass auch in Sotschi die komplette Umsetzung von Resolution 2254 innerhalb eines UN-geführten Friedensprozesses das Ziel ist. Alle Parteien haben dies bestätigt und angekündigt, mein Mandat und den Genfer Friedensprozess zu respektieren."
    Der Genfer Friedensprozess hat bereits acht Runden hinter sich, die neunte soll bald folgen. Bisher ist es de Mistura nicht einmal gelungen, Regierung und Opposition aus Syrien gemeinsam an einen Verhandlungstisch zu bringen. Die Regierungsdelegation verließ einmal sogar nur deshalb den Saal, weil die Rebellen im Raum nebenan saßen. Der UN-Vermittler betreibt deshalb Pendeldiplomatie. Er spricht getrennt mal mit den einen, dann mit den anderen.
    Diplomatie geht auch mit nicht-staatlichen Akteuren
    Doch was bringt das alles? Die Erfolglosigkeit solcher Friedensverhandlungen - nicht nur für Syrien, sondern auch für den Jemen, die Ukraine, den Südsudan und viele andere Krisenherde weltweit - ist längst zu einer Krise der Diplomatie an sich geworden. Diese existiert, seit es Staaten gibt. Aber ist sie noch zeitgemäß?
    Carne Ross saß als britischer Diplomat im UN-Sicherheitsrat, bis er "unabhängiger Diplomat" wurde. Seitdem helfen er und seine Kollegen denen, die in Verhandlungen sonst zu wenig Gehör finden:
    "Mir kommt es immer so vor, als seien wir im Hinblick auf die Diplomatie so selbstzufrieden, wie wir es auch bei der repräsentativen Demokratie sind. Wir denken, wir haben dieses eine diplomatische System, und das sei das Ende der Geschichte, da lasse sich nichts mehr verbessern. Aber natürlich kann man Diplomatie verbessern, man kann sie inklusiver gestalten und repräsentativer. Das wäre nicht einmal schwer, aber keiner scheint den Mut zu haben, loszulegen und den status quo in Frage zu stellen."
    Der UN-Sondervermittler Staffan de Mistura während einer Pressekonferenz im September 2017.
    Am Syrienkonflikt haben sich schon mehrere Diplomaten die Zähne ausgebissen, aktuell UN-Sondervermittler Staffan de Mistura (dpa-Bildfunk / Keystone / Martial Trezzini)
    Den status quo in Frage stellen, genau das macht "Independent Diplomat", die von Carne Ross 2004 gegründete Organisation. Sie leiht erfahrene Diplomaten denjenigen aus, die sie brauchen, um in Verhandlungen besser repräsentiert zu sein. Die Non-Profit-Organisation genießt hohes Ansehen, ihre Diplomaten sind selbst im Sicherheitsrat vertreten. Dabei müssen die Klienten nicht einmal Staaten sein: So hat Ross schon die Exilregierung der Westsahara oder Kataloniens Separatisten vertreten. Wer demokratisch organisiert ist und die Menschenrechte achtet, sollte gleichberechtigt mitverhandeln können - das versteht Ross unter inklusiver Diplomatie:
    "Mit Terrorgruppen wie dem IS zu verhandeln, ist Zeitverschwendung. Die wollen nur kämpfen. Aber es gibt in Syrien eine Menge anderer Gruppen, mit denen man verhandeln sollte, um eine Einigung zu erzielen und den Krieg zu beenden. Das ist es doch, was die meisten Syrer wollen. Es frustriert mich, dass so viele Diplomaten ihren Job nur halbherzig machen. Wir brauchen zur Lösung solcher Konflikte mehr Kreativität und Ideen. Das ist nicht leicht, aber machbar."
    "Mehr Transparenz und Beteiligung sind nötig"
    Konflikte wie der in Syrien werden sich Ross zufolge erst lösen lassen, wenn nicht-staatliche Akteure gleichberechtigt mitreden können. Verhandlungen wie der Genfer Friedensprozess finden zudem weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, und die meisten Unterhändler sind kaum einer demokratischen Kontrolle unterworfen. Botschafter und Diplomaten sind schließlich Staatsbeamte, die sich nur äußerst indirekt dem Wähler gegenüber verantworten müssen. Eine Tatsache, die der Brite kritisiert:
    "Da sitzt eine kleine Gruppe Menschen zusammen, die bestenfalls zu wissen glaubt, was für ihr Land am besten ist. Sie arbeitet im Geheimen und äußerst intransparent. Ich dagegen glaube, dass mehr Transparenz und Beteiligung nötig sind, was leichter gesagt ist als getan."
    Bisher ist Diplomatie noch immer ein Privileg von Wenigen. Und die lassen sich äußerst ungern in ihre Verhandlungen reinreden.
    Gegenüber des Berner Hauptbahnhofs liegt Jack's Brasserie. Seit mehr als 150 Jahren ist das gediegene Caféhaus ein Treffpunkt für Staatschefs und gekrönte Häupter, für Unterhändler, Diplomaten und Botschafter wie Paul Widmer. Der Schweizer hat sein Land unter anderem in New York, Washington und Berlin vertreten. Inzwischen unterrichtet er an der Hochschule St. Gallen angehende Diplomaten für einen Berufsstand, an dessen Zukunft er zunehmend zweifelt. Wo Carne Ross Halbherzigkeit beklagt, bemängelt Widmer die Beschneidung diplomatischer Freiheiten:
    "Ich meine damit, dass der Diplomat immer weniger Entscheidungskompetenzen hat. Vor allem, wenn er auf Posten im Ausland ist, und die meisten Entscheide werden - durch das Internet möglich - direkt von der Zentrale her entschieden. Das ist aus meiner Sicht nicht nur eine gute Entwicklung. Natürlich ist es gut, wenn die Zentrale immer weiß, was abläuft. Aber ich glaube, man hat eigentlich Diplomaten, damit sie ihre Kenntnisse einbringen können. Und das geht etwas unter, wenn man sie zu wenig bei den Entscheidungen berücksichtigt. Ich glaube, diese Entwicklung könnte dazu führen, dass sich immer weniger hochbegabte Leute für die Diplomatie entscheiden, weil sie finden, das Metier bietet ihnen zu wenig Entfaltungsmöglichkeiten."
    Ein Diplomat muss den Grund für ein Einverständnis legen
    So hält das Mittelmaß Einzug in den diplomatischen Dienst, oder zumindest eine neue Art von Botschaftern. Zu ihren Aufgaben gehören jetzt etwa Talkshow-Auftritte, in denen sie für ihr Heimatland werben. Auch das sei Diplomatie, sagt Widmer. An ihrem Fortbestand an sich zweifelt er nicht:
    "Solange es verschiedene Staaten gibt, werden sie immer jemanden brauchen, der zwischen diesen verschiedenen Staaten ein Einvernehmen erzeugen kann. Denn Staaten sind souverän, und ein Staat kann einem anderen Staat nichts befehlen. Man muss Überzeugungsarbeit leisten, damit man sich auf etwas einigen kann."
    Aus dieser Überzeugung leiten sich die Tugenden ab, die Widmer von einem guten Diplomaten erwartet:
    "Ein Diplomat muss nicht die Vorhut der Lautstarken bilden, er muss behutsam vorgehen. Er muss den Grund legen, auf dem man ein Einverständnis aufbauen kann. Und das in der Tat kann man nur mit großer Rücksichtnahme erreichen, und nicht mit vorschnellen Aussagen."
    Doch Lautstärke spielt in der Weltpolitik eine so große Rolle wie lange nicht. Der König der Lautstarken ist US-Präsident Donald Trump, der in Nebensätzen unliebsame Staatschefs verunglimpft oder in der UN-Vollversammlung plump die Auslöschung Nord-Koreas androht. Rücksichtnahme ist dem obersten Repräsentanten der USA völlig fremd. Das erschreckt selbst langjährige Beobachter diplomatischer Prozesse wie Thomas Weiss, Professor am Graduate Center der City University of New York:
    "Wenn Du einen Hammer hast, sieht jedes Problem aus wie ein Nagel - dieses Sprichwort passt auf Trump, der eine Menge Hämmer hat. Egal, worum es geht - ob Krankenversicherung, Steuern oder Nordkorea - er greift stets zum Hammer."
    An Hämmern fehlt es nicht in der Diplomatie
    Und das hat Folgen. Die Rücksichtnahme zwischen den Staaten nimmt ab. An Hämmern fehlt es nicht in der Diplomatie, und damit auch in Friedensgesprächen wie denen für Syrien. Die Assad-Regierung, ihre Schutzmacht Russland, die gegen die Kurden kämpfende Türkei, der Iran oder Saudi-Arabien: niemand ist bereit, sich zu bewegen; alle bestehen lautstark auf ihrer Position. Auch deshalb stocken die Friedensgespräche, müssen Millionen Menschen weiter leiden. Was tun? Weiss plädiert nicht für weniger, sondern für mehr multilaterale Diplomatie - unter Führung der Vereinten Nationen:
    "Ich habe zehn Jahre bei den UN mit Diplomaten zusammengearbeitet und die Organisation seitdem als Wissenschaftler untersucht. Ganz sicher löst sie nicht all unsere Probleme, aber manchmal - denken Sie an die Kubakrise oder auch das Pariser Klimaschutzabkommen - haben die UN uns von einem Katastrophenkurs auf einen Weg geführt, der sinnvoller war - und es meinen Enkeln in vierzig oder fünfzig Jahren hoffentlich ermöglichen wird, draußen schwimmen zu gehen oder überhaupt noch zu atmen."
    Die UNO-Botschafterin Nikki Haley zeigt im UN-Sicherheitsrat Fotos der Opfer des Giftgasangriffs in Syrien. 5.4.2017. New York, USA.
    Auf der mehrfache Verweis etwa der US-Gesandten Nikki Haley auf zivile Opfer von Giftgas-Attacken hat bislang keine Einigung im UN-Sicherheitsrat gebracht (AFP Photo / Timothy A. Clary)
    Mehr Multilateralismus, demokratischere und inklusivere Verhandlungen, kompetente und handlungsfähige Diplomaten - wird diese Mischung die Diplomatie retten?
    Vor gut einhundert Jahren zweifelte bereits der französische Botschafter Jules Cambon an seiner Zunft. Nach seiner Rückkehr aus Berlin beklagte er in seinem Buch "Der Diplomat": "Wir leben in einem Zeitalter, das den Lärm liebt." Vorbei die Zeiten, in denen ein Wiener Kongress in Ruhe die Nachkriegsordnung aushandelte. Stattdessen würden Minister von der "stetig wachsenden Ungeduld der öffentlichen Meinung angespornt" und ließen sich "willig treiben", schrieb Cambon. Was hätte er wohl über Twitter gedacht, und über Trumps Kurznachrichten wie diese: "Habe gerade Nordkoreas Außenminister bei den UN gehört, wenn er die Gedanken des kleinen Raketenmanns wiedergegeben hat, werden beide nicht mehr lange da sein"?
    Jorvan Kurbalija weiß es nicht. Er selbst aber hat ein entspanntes Verhältnis zum Kurznachrichtendienst und bietet mit seiner DiploFoundation sogar Twitter-Kurse für Diplomaten an:
    "Die Entwicklung der Twitter-Diplomatie zeigt doch, dass Technologie weder gut noch schlecht ist. Lange Zeit wurde Twitter dafür gelobt, dass es Unterdrückten eine Stimme gibt. Jetzt sehen wir, wie Tweets Konflikte anheizen oder uns sogar an den Rand eines Krieges bringen können. Die Balance zwischen Chance und Risiko zu wahren, ist eine wichtige Herausforderung für die Diplomatie, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes."
    "Digitalisierung wird Diplomatie inklusiver machen"
    Kurbalija war selbst einmal Diplomat, im ehemaligen Jugoslawien. Der Staat, für den er arbeitete, zerbrach, während er im Ausland war. Und so widmete er sich einem Feld, das bis heute neu ist: der digitalen Diplomatie. Seine 2002 gegründete DiploFoundation will Diplomaten helfen, digitale Technologie für ihre Zwecke zu nutzen und damit die Profession fit für die Zukunft zu machen.
    "Zuallererst wird die Digitalisierung die Diplomatie inklusiver machen. Wir haben das schon beim Pariser Klimagipfel gesehen und bei vielen anderen Gesprächen hier in Genf. Es ist deutlich leichter geworden, selbst komplexen Verhandlungen zu folgen. Der zweite große Wandel betrifft die Daten selber. Diplomaten und Regierungen haben mit so vielen Berichten für unterschiedliche Gremien zu kämpfen, dass sie mehr Zeit damit verbringen als mit dem eigentlichen Verhandeln und der Pflege diplomatischer Kontakte. Wenn Big Data und künstliche Intelligenz das Berichtswesen optimieren können, dann würde das die Effizienz und die Qualität politischer Entscheidungen deutlich erhöhen."
    Vor allem kleine Nationen sollen durch die Digitalisierung diplomatisch gestärkt werden. Kleine Inselstaaten etwa sind via Internet schon heute deutlich besser an den Klimaverhandlungen beteiligt als früher. Dokumente sind in Echtzeit verfügbar, Positionen werden auf Skype ausgehandelt, selbst auf Gipfeltreffen können Beamte und Bürger zuhause den Kleinstdelegationen virtuell zuarbeiten.
    Trotz Digitalisierung bleiben Diplomaten unverzichtbar, eine Art Diplo-Roboter kann sich Kurbalija beim besten Willen nicht vorstellen. Zu wichtig seien die Deutung von Körpersprache oder die Fähigkeit, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen. Digitale Technik könne die Arbeit von Diplomaten mithin nur erleichtern, und auch das nur in gewissem Maße:
    "Natürlich bringt das Internet mehr Transparenz in die Verhandlungen, aber es gibt Grenzen. Das Ziel von Diplomatie ist das Aushandeln von Kompromissen für eine friedlichere Welt. Wenn Transparenz dieses Ziel gefährdet, dann empfehle ich Vertraulichkeit. In den vergangenen Jahren sind alle großen diplomatischen Durchbrüche erzielt worden, wenn Twitter ausgestellt war: die Atomverhandlungen mit dem Iran, die Öffnung Myanmars, die Annäherung der USA an Kuba. Wir alle wurden erst informiert, als die Ergebnisse ausgehandelt waren."
    Nächste Verhandlungsrunde ohne Internet?
    Kurbalija rät dem Syrien-Vermittler de Mistura deshalb, bei der nächsten Verhandlungsrunde das Internet abzuschalten und die Unterhändler bestenfalls an einem weit von Genf entfernten, einsamen Ort zusammenzuholen. Der digitale Diplomat empfiehlt also den analogen Dialog.
    Thomas Weiss von der City University of New York spricht sich dafür aus, die völkerrechtlichen Grundlagen in den Mittelpunkt der Verhandlungen zu stellen, die - bisher jedenfalls - noch keine Regierung in Frage stellt:
    "Kriegsverbrechen, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ethnische Säuberungen sind heute Verbrechen, deren Lösung der internationalen Gemeinschaft als Ganzes zufallen, nicht einzelnen Regierungen. Und wenn wir uns Syrien anschauen, dann geht es genau um diese Prinzipien und den politischen Willen, sie zu verteidigen."
    Acht Runden Genfer Syrien-Gespräche haben bislang nur wenig Fortschritt gebracht. Und Carne Ross, der "unabhängige" Diplomat, hält im Syrien-Konflikt eine baldige Verhandlungslösung auch für unwahrscheinlich:
    "Ich glaube ans Gespräch. Und es dauert, Menschen zuzuhören, sich zu erklären und einen Konsens zu finden. Diese Zeit muss man sich nehmen. Wenn man zur Eile drängt, dann werden die Leute aggressiv, wütend und frustriert. Andererseits: Wenn ich bei den UN mit Syrien-Unterhändlern zusammensitze, dann wundere ich mich schon, dass sie so viel Zeit haben, ihre Wochenenden auf dem Land zu verbringen und so. Man sollte meinen, dass sie rund um die Uhr an einem Frieden arbeiten, wenn so viele Leute sterben. Aber das tun sie nicht."
    "An Ehrenmännern fehlt es immer"
    UN-Generalsekretär António Guterres hat bereits angekündigt, dass die Syrien-Gespräche weitergehen werden. Bald werden sie wieder in Genf zusammenkommen, Unterhändler des syrischen Regimes und seiner erbitterten Gegner. Würden sie sich einigen, dann wäre das ein Erfolg für die gefährdete Kunst, geduldig hinter den Kulissen Kompromisse auszuhandeln. Entscheidend dafür wird nicht zuletzt der Charakter derjenigen sein, die miteinander verhandeln. Für den Schweizer Diplomaten Paul Widmer ist Diplomatie eine Disziplin für Ehrenmänner:
    "An Ehrenmännern fehlt es immer, da könnten wir mehr gebrauchen - überall. Aber ich hoffe, dass es noch genügend gibt, denn in einer Welt ohne Ehrenmänner, dann in der Tat, glaube ich, könnten wir keine Vereinbarung zwischen Staaten mehr treffen."
    13 Millionen Syrer leiden extreme Not, fast fünfeinhalb Millionen mussten fliehen. Ihr Schicksal hängt vom Erfolg der Diplomaten ab, die sich nach bald sieben Jahre Krieg um einen Friedensschluss bemühen. Und nicht zuletzt davon, ob es sich bei ihnen um Ehrenmänner handelt.