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Zukunft der EU
Deutsch-französische Forderungen an Brüssel

Nicht weniger EU, aber weniger EU-Kommission: Das ist die französische Vision der künftigen Währungsunion. Auch aus deutscher Sicht braucht die EU einen Richtungswechsel. Eine Forderung: Eine engere Verzahnung der EU-Staaten auf der politischen Ebene.

Von Ursula Welter | 28.05.2015
    Blick auf das Stadtzentrum von Paris, 2008
    Paris ist vor allem anderen ein Dorn im Auge, dass Brüssel in Haushaltsfragen mitredet. (picture alliance / ZB / Waltraud Grubitzsch)
    Großes Aufgebot im französischen Parlamentsgebäude, der deutsch-französische Wirtschaftstag feiert 170 Milliarden gemeinsames Handelsvolumen zwischen beiden Ländern, und auf der anderen Seite der Seine wird eingedeckt – David Cameron zum Abendessen beim französischen Staatspräsidenten, bevor es weiter geht nach Berlin, zu Angela Merkel.
    "Le Monde" hatte die Vorspeise für das Diner im Élysée-Palast und für das britisch-deutsche tête-à-tête geliefert und als erste aus dem deutsch-französischen Papier berichtet, das in aller Diskretion von Paris und Berlin ausgearbeitet wurde und das auf weniger Kontrolle durch die Kommission hinauslaufen würde und auf mehr staatliche Souveränität.
    Stärkung der europäischen Ebene
    Der Ökonom Henrik Enderlein, der im Herbst gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Pisani-Ferry Vorschläge zu Reformen beidseits des Rheins und zu engerer Zusammenarbeit gemacht hatte, sieht Hollandes und Merkels jüngsten Europavorstoß skeptisch:
    "Es gibt heute zwei Logiken im Euro-Raum, die eine Logik ist eine zwischenstaatliche Logik, die findet sich im deutsch-französischen Papier, es muss aber auch eine Kommissionslogik geben. Die europäische Ebene muss gestärkt werden, und das fehlt mir in diesem Papier, das ansonsten sehr konstruktive Vorschläge enthält!"
    Ausbau des Binnenmarktes vom Banken- bis zum Energiesektor etwa. Aber:
    "Ich erwarte von Deutschland und Frankreich, dass sie die Kommissionsrolle stärken, anstatt jetzt eine zwischenstaatliche Logik zu bauen oder anzustoßen, bei der die Kommission eher eine untergeordnete Rolle spielt."
    Was Berlin und Paris wollen
    Paris ist vor allem anderen ein Dorn im Auge, dass Brüssel in Haushaltsfragen mitredet. Wollen Paris und Berlin also wirklich das Gleiche, wenn sie nun dieses gemeinsame Papier den europäischen Partnern unterbreiten?
    "Das deutsche-französische Papier ist ein Kompromisspapier. Deutschland und Frankreich ziehen sicher nicht in die gleiche Richtung. Für Frankreich ist es sehr wichtig, die Souveränität beizubehalten, die Einspruchsmöglichkeiten der Kommission zu begrenzen.
    Für Deutschland ist es sehr wichtig, die Reformen fortzusetzen, dass der Binnenmarkt vertieft wird."
    Politische Richtungsentscheidung für die EU gefordert
    Der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Martin Blessing, bewertete die deutsch-französische Initiative am Rande des Wirtschaftstages in Paris weniger kritisch - es komme vor allem darauf an, dass jetzt überhaupt eine Richtungsentscheidung für den politischen Rahmen der Währungsunion falle:
    "Denn im Moment sind wir immer noch in dem Zustand, dass die EZB Zeit kauft. Und eigentlich darauf wartet, dass politische Aktion passiert, und so richtig passiert ist das noch nicht, das brauchen wir jetzt noch."
    Engere Verzahnung der Euro-Staaten auf politischer Ebene sei nötig, sagte Blessing.
    "Was wir im Moment haben ist Währungsunion und zu wenig politische Integration - das heißt, wir müssen zusätzliche Schritte der Integration machen, wenn das besser über die Kommission und über Vergemeinschaftung geht, dann so, wenn es bilateral besser geht, dann der andere Weg.
    Das Wichtigste ist, dass man jetzt einfach vorwärtskommt, sonst wird das Projekt echt schwierig."