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Zukunft der EU
Macrons Kampfansage an Brüssel

Teil einer persönlichen Machtstrategie oder große Vision für ein neues Europa? Der französische Präsident Emmanuel Macron will die EU grundlegend reformieren. Sein Ziel: transnationale Listen für die Europawahl. In Brüssel sorgt das für Unruhe. Denn welches Ziel wirklich dahinter steckt, ist unklar.

Von Volker Finthammer, Peter Kapern und Jürgen König | 22.02.2018
    Der französische Präsident Emmanuel Macron beim EU-Gipfeltreffen in Brüssel vor einer Reihe von Europafahnen.
    Will mit seiner "La République en marche" eine eigene, länderübergreifende Fraktion im EU-Parlament gründen: Emmanuel Macron (imago / Wiktor Dabkowski)
    "Emmanuel Macron fordert Neugründung der EU" lauteten im Herbst die Schlagzeilen nach Macrons Europa-Rede in der Pariser Sorbonne. Die Aufregung war groß - und kam verspätet. Diese "Neugründung" hatte schon der Wahlkämpfer Macron gefordert.
    "Die Überzeugung, meine Freunde, die ich mit Euch teilen möchte, ist diese: Wir sind die wahren Patrioten, hier in diesem Saal! Denn wir lieben kein abgeschottetes Frankreich, sondern ein starkes Frankreich, eines der Hoffnung - in Europa!"
    Europa soll global stärker werden
    Immer wieder benutzte Macron - wie hier in einer Wahlkampfrede am 6. April 2017 in Marseille - Begriffe wie den der "Nation" oder des "Patriotismus", einzig um daraus im Verlauf der Rede ein Loblied auf Europa anzustimmen.
    "Wie ihr, liebe ich Europa! Und ich will Frankreich umwandeln; ich will es stärker machen durch die Reformen, die seit Jahrzehnten von uns erwartet werden. Und indem ich auch unsere deutschen, italienischen und spanischen Partner nach einem neuen europäischen Projekt frage: Eine Neugründung, demokratischer, ambitionierter. Wir müssen heute ein neues Kapitel der Geschichte Europas schreiben, wenn wir es nicht gar wirklich neu gründen müssen. Und genau das ist es, was wir zusammen machen werden."
    "Frankreich stärker machen durch ein neues europäisches Projekt" - gegenüber Wirtschaftsmächten wie China oder den USA, dies ist Macrons feste Überzeugung, dass die Souveränität des einzelnen europäischen Staates nur noch innerhalb eines gemeinschaftlich handelnden, souveränen Europas möglich ist: angesichts eines weltumspannenden Terrorismus, weltweiter Migrationsströme und eines globalisierten Welthandels, angesichts des Klimawandels und der digitalen Revolution.
    "Das Europa, wie wir es kennen, ist zu langsam, zu schwach, zu ineffizient. Aber nur Europa gibt uns angesichts der weltweiten Herausforderungen den nötigen Handlungsspielraum."
    Parteilandschaft Europas neu ordnen
    Im Zentrum der Macron'schen EU-Kritik stand neben der Schwäche ihrer Institutionen immer auch die mangelnde demokratische Legitimität. Das europäische Projekt müsse "für die Menschen und mit den Menschen" neu begründet werden, sagte er immer wieder - ohne konkreter zu werden. Dass er am liebsten das gesamte Parteiensystem des Europäischen Parlamentes aus den Angeln heben möchte, sagte er öffentlich bisher nicht. Nur im Rahmen eines Treffens mit Journalisten ging er vor kurzem darauf ein, abseits von Mikrofonen und Kameras.
    Vor dem großen weißen beleuchteten Schild mit schwarzer Schrift in einem Flur sieht man die Silhouetten einer Frau und eines Mannes.
    "La République en marche" ist längst in Europa angekommen - und bereitet sich auf die Wahl des neuen EU-Parlaments vor (Olivier Lejeune / MAXPPP / dpa)
    Von einer "Neuordnung der Parteigrenzen" war die Rede, was vor allem auf die großen Fraktionen der Europäischen Volkspartei und der Sozialistischen Partei Europas zielte. Das europafreundliche christlich-demokratische Erbe der EVP etwa werde doch von "den Freunden Silvio Berlusconis" und "den Mitstreitern Victor Orbáns verraten", so Macron. Und auch bei den Sozialdemokraten und Sozialisten sei ein wirklicher Zusammenhalt nicht mehr zu erkennen. Für Macron gilt es, "neue Parteigrenzen zu entwickeln, entlang wirklich europäischer Überzeugungen" - genau nach dem Muster, das er schon im französischen Präsidentschaftswahlkampf angewandt hatte.
    "Ich sage nicht, dass "links" und "rechts" nichts mehr bedeuten, dass es derlei nicht mehr gibt oder dass es inzwischen dasselbe wäre. Aber gab es nicht große Momente der Geschichte, in denen diese Unterschiede unwichtig waren? Musste man ein Linker sein, um die Europa-Rede, die Francois Mitterrand wenige Wochen vor seinem Tod hielt, bewegend zu finden? Um stolz zu sein auf einen Präsidenten Jacques Chirac, der im Gedenken an die jüdischen Opfer französischer Verfolgung eindringliche Worte fand - musste man dazu ein Rechter sein?"
    Was in Frankreich gelang, nämlich Politiker der Sozialisten, der Grünen, der Liberalen und der Konservativen in einer Regierung zusammenzuführen, will Macron auch in Europa schaffen, indem er sich für die Europawahlen mit seiner Partei "La République en marche" nicht einem der existierenden Bündnisse anschließen, sondern eine eigene "Fraktion progressiver europäischer Kräfte" bilden will. Mit ihr soll die "politische Neuordnung" gelingen.
    Damit zielt Macron nun auch auf europäischer Ebene ganz bewusst auf die Spaltung existierender Parteien und Fraktionen: eine Kampfansage. Und ein kühner Plan, ist doch "La République en marche" noch nicht einmal in Frankreich als Partei wirklich präsent, um die zentrale Kraft einer neuen europäischen Bewegung zu werden. In Brüssel wie im Straßburger Europaparlament ist die Partei nicht offiziell vertreten, lediglich einzelne Abgeordnete sympathisieren mit ihr, unter ihnen Weggefährten wie der Abgeordnete der Nationalversammlung, Pieyre-Alexandre Anglade. Macrons Team ist er der wichtigste Mann für Europafragen.
    Bruch mit den alten Parteien
    "Zweierlei war für Emmanuel Macron immer von zentraler Bedeutung: die Bürgerbefragung, der Dialog mit ihnen - damit werden wir im Frühjahr beginnen - und die transnationalen Listen. Weil das eine Antwort auf den Brexit ist, ein notwendiger Schritt, um eine Form von Demokratie in Europa zu schaffen, die es heute noch nicht gibt."
    Frankreich Präsident Macron unterzeichnet Verordnungen für die Arbeitsmarktreform (22.9.17) - Arbeitsministerin Muriel Penicaud (L) - Staatsminister Christophe Castaner (R)
    Hat einen "Großen Marsch auf Europa angekündigt": Christophe Castaner, Generalsekretär von „La République en marche", rechts neben Präsident Emmanuel Macron (AFP PHOTO / POOL / PHILIPPE WOJAZER)
    Die länderübergreifenden Kandidatenlisten für die Europawahl hat das Europaparlament schon abgelehnt, doch die französische Regierung will an dem Vorhaben festhalten. Umgekehrt hält Emmanuel Macron nichts von der Idee, dass der künftige EU-Kommissionspräsident nach dem Spitzenkandidatenprinzip ausgewählt werden soll. Jean-Claude Juncker kam als Kandidat bei der letzten siegreichen EVP- Wahl ins Amt. Um derlei künftig zu verhindern, will Macron zur alten Regelung zurückkehren, wonach allein die Staats- und Regierungschefs den Spitzenposten besetzen können. Doch dies ist alles inoffiziell, auch in der Partei äußert sich niemand wirklich konkret.
    Christophe Castaner, der Generalsekretär von "La République en marche", hat für den 24. März einen "Großen Marsch für Europa" angekündigt. Spätestens mit dieser Mobilisierung der gesamten Partei dürfte Macrons Europawahlkampf auch offiziell eröffnet werden.
    Montagabend um acht in Brüssel. The Old Oak, ein irischer Pub im Europaviertel. Dreißig Grad heiß ist es im voll besetzten Hinterzimmer der Kneipe, kein einziger Stuhl ist frei. 'La République en Marche' ist längst in Brüssel angekommen. Überall in Europas Hauptstadt gibt es Ortsvereine. Hier trifft sich an diesem Abend die "Arbeitsgruppe Europa". Alle arbeiten sie in den Brüsseler Institutionen, bei den Verbänden und Organisationen, im Maschinenraum der EU. Sie sind hier, weil sie die Nase voll haben von diesem ewigen Europa-Bashing. Von diesem politischen Stillstand in der EU. Und weil Emmanuel Macron mit seiner Bewegung eine Tür geöffnet hat. Eine Tür zu etwas Neuem.
    "La République en Marche" ist ja keine Partei, es ist eine Bewegung, eine Welle. Es ist ein kompletter Bruch mit allen alten Parteien. Und das wollen wir auch auf europäischer Ebene. Einen Bruch mit allem Hergebrachten in der Politik."
    Aufregung in Brüssel
    Nur ein Kilometer entfernt von der irischen Kneipe ragt der Koloss des Europaparlaments in den Brüsseler Himmel. Im Inneren herrscht derzeit eine seltsame Stimmung angesichts der politischen Kraft, die Emmanuel Macron entfaltet. Es wäre übertrieben von Panik zu sprechen. Aber weit entfernt davon ist es in manchen Teilen des Gebäudes nicht mehr, weil hier bald nichts mehr so sein könnte, wie es jetzt noch ist.
    Belgien: EU-Logo am Europäischen Parlamentsgebäude in Brüssel. Foto vom 11. September 2016.
    Hinter der Fassade des Europaparlaments in Brüssel herrscht Nervosität (picture alliance / dpa / Daniel Kalker)
    Im Dezember hatte ein französischer Fernsehsender gemeldet, Abgeordnete aus mehreren Parteien seien bereit, eine neue Fraktion im Europaparlament zu bilden. Eine Fraktion der Unterstützer Emmanuel Macrons. Der französische Sozialdemokrat Gilles Pargneaux habe 70 Unterstützer gefunden. In seiner eigenen Fraktion, bei Liberalen, Christdemokraten und Grünen. Die Meldung entpuppte sich als etwas vollmundig. Die siebzig Abgeordneten unterstützen zwar Macrons Ideen, aber ihre eigenen Parteien und Fraktionen wollen sie deshalb nicht verlassen. Noch nicht, wie Gilles Pargneaux erläutert.
    "Das sind Abgeordnete aus verschiedenen Parteien. Die auch in ihren Parteien bleiben werden. Und wir werden zunächst einmal informell innerhalb der nächsten Zeit ein gemeinsames Manifest erarbeiten. Ein Manifest auf der Grundlage der europapolitischen Erklärungen Emmanuel Macrons."
    2019 wird ein neues EU-Parlament gewählt
    Ende Mai 2019 wird ein neues Europaparlament gewählt. Spätestens dann wird Macrons Bewegung auch dort vertreten sein. Die Vorbereitungen laufen bei "en Marche" längst. Im Internet und den sozialen Netzwerken ist alles vorbereitet für den Auftritt von "Europe en Marche." Die Suche nach Verbündeten läuft in vielen EU-Mitgliedsstaaten. Denn um eine eigene Fraktion im Europaparlament zu gründen, braucht Macron mindestens 25 Abgeordnete aus sieben europäischen Ländern. Matteo Renzi, der italienische Sozialdemokrat, könnte, so heißt es in Brüssel, mit einer Pro-Macron-Liste in Italien bei den Europawahlen antreten, wenn er bei den nationalen Wahlen im kommenden Monat scheitert. In Polen, Ungarn und anderen osteuropäischen Ländern sammelt Macron liberale Pro-Europäer, die unter seinem Banner antreten. Und das ist längst nicht alles, wie Charles de Marcilly von der Fondation Robert Schuman in Brüssel erklärt.

    "Ich denke, und das kann wohl als sicher gelten, dass Ciudadanos in Spanien ein großer Partner für Macron wird. In Belgien und den Niederlanden und überall in Europa kann man zwei oder drei Europa-Abgeordnete finden, die nach einer neuen, starken Fraktion suchen, weil sie entweder nicht zu den Liberalen von Fraktionschef Verhofstadt passen oder weil sie sehen, dass die Sozialdemokraten auf dem absteigenden Ast sind."
    Lange war spekuliert worden, dass sich Macrons Europaabgeordnete wohl der ALDE-Fraktion, den Liberalen im Europaparlament, anschließen würden, um eine Heimat im Europaparlament zu finden. Doch das, so Charles de Marcilly, habe "en Marche" gar nicht mehr nötig. Dafür werde die Bewegung viel zu stark abschneiden. Macron legt es offensichtlich darauf an, die liberale Fraktion zu spalten. Er profitiert auch vom Niedergang der Sozialdemokraten überall in Europa - viele von ihnen werden zu Macron überlaufen. Ebenso wie konservative französische Europaabgeordnete. Charles de Marcilly:
    "Für Macron stellt sich die Frage, wie er an genügend Abgeordnete kommt, um die zweitstärkste Fraktion im Europaparlament zu stellen. Ich bezweifle, dass er die EVP-Fraktion vom ersten Platz verdrängen kann. Aber umso mehr kommt es für ihn darauf an, hundert oder 120 Abgeordnete zusammen zu bekommen. Und das wird nicht leicht."
    Nur eine Machtstrategie Macrons?
    Möglicherweise deshalb hat Macron nun auch noch zum Angriff auf die EVP geblasen, zu der auch die Unions-Abgeordneten aus Deutschland gehören. Die sei gar nicht mehr pro-europäisch, weil auch Europafeinde wie Victor Orbán zur EVP gehören. Spätestens diese Äußerung änderte die Macron-Wahrnehmung unter den deutschen Unions-Abgeordneten in Brüssel tief greifend. Es scheine so, als seien Macrons europapolitische Visionen nur Teil seiner persönlichen Machtstrategie, sagt beispielsweise der konservative Europaparlaments-Abgeordnete Elmar Brok.
    "Also, wir haben ja guten Willen gehabt in Deutschland, auch in der Bundesregierung, dass die Ideen von Macron geeignet sind, Europa voranzubringen. Jetzt sehen wir allerdings, dass dies von Macron benutzt wird, um eine eigene Partei, eine Sammlungsbewegung auf die Beine zu stellen, um auf diese Art und Weise das den Nationalstaaten zu überstülpen. Dies ist dann eine Politik, die ihn allein ins Zentrum Europas bringt."
    Man muss jetzt nicht mehr lange rätseln, warum wohl die EVP gegen die Einführung transnationaler Listen bei den nächsten Europawahlen gestimmt hat, die Macron sich so sehr gewünscht hatte. Oder warum sich Angela Merkel für die Installation von Spitzenkandidaten ausgesprochen hat, wovon Macron gar nichts hält. Oder warum Kommissions-Chef Juncker verlangt, alle Kandidaten für die Europawahl sollten schon Monate vor dem Urnengang bekannt geben, welcher Fraktion sie sich anschließen wollen. Der Rest Europas scheint erkannt zu haben, wie tief greifend Macron die EU verändern könnte.
    Die Sache mit den transnationalen Listen
    Am vergangen Montagabend in Berlin Kreuzberg. In einem Nachbarschafts-Café drängen sich 60 Besucher, um dem Auftakt der "Progressiven Koalition" zu lauschen.
    "Also das Tempo und der Organisationsgrad bei 'Demokratie in Bewegung' ist wirklich beeindruckend und ich will noch sagen 2018 ist ein wichtiges Jahr wird, gerade wegen der Europawahl 2019 und wir müssen auch raus gehen und für 2019 etwas in Bewegung bringen."
    Sebastian Eis ist einer der Redner an diesem Abend, die vor dem Publikum den progressiven Koalitionsvertrag vorstellen, als Alternative zur Großen Koalition und als Einstieg in eine andere EU- Politik. Die 'Progressive Koalition' ist keine Partei, sondern ein Zusammenschluss von 26 politischen Initiativen und Gruppierungen, die etwa auch ein klares Bekenntnis zu einem europäischen Spitzenkandidaten und zu gesamteuropäischen Listen für die Wahl zum Europaparlament fordern.
    "Das wäre auch ein guter Schritt, transnationale Listen zuzulassen. Also auch viele Entscheidungen, die ganz Europa betreffen auf europäischer Ebene entscheiden zu können. Also das Europaparlament muss ein Initiativrecht bekommen."
    Der französische Präsident Emanuel Macron, der die Idee der transnationalen Listen, trotz der Ablehnung durch das Europaparlament nicht aufgeben will, ist für die eher linken Gruppierungen kein wirklicher Held, weil er in Frankreich doch eher marktliberale Reformen befürwortet.
    "Macron hat das Thema Europa wieder nach vorne gebracht und das ist ein ganz wesentlicher Punkt und da ist von deutscher Seite, von deutscher politischer Seite, bisher nichts gekommen, um dem wirklich angemessen zu entgegnen. Und deshalb braucht es eine Bewegung wie Diem oder Auch Dib, die diese Vorgabe auch aufnehmen und weiter denken und auch in Deutschland in einen breiten Diskurs bringen."
    Wenige Antworten aus Deutschland
    Eigentlich würde man da in Deutschland zuerst an die Initiative 'Pulse of Europe' denken. Tausende Menschen sind im vergangenen Jahr für einen demokratischeren pro europäischen Weg auf die Straßen und Plätze der Republik gegangen. Doch um das Bündnis ist es ruhig geworden. Der letzte öffentliche Appell war ein offener Brief im vergangenen November an die vier Parteien der möglichen Jamaika Koalition, auf Macron und andere fortschrittliche Kräfte zuzugehen, um Europa mit konkreten Schritten voranzubringen. In den sozialen Medien wurde jüngst auch die Ablehnung transnationaler Listen durch das EU Parlament kritisiert. Aber Ideen für eigene Initiativen in dieser Richtung gibt es bislang nicht. Dazu ist das Bündnis wohl zu heterogen und breit aufgestellt.
    EU-Freunde Ende Januar auf dem Goetheplatz in Frankfurt am Main
    Europafreundlich, aber zur Zeit eher still: Die "Pulse of Europe"-Bewegung, hier bei einer Kundgebung in Frankfurt am Main (picture alliance / dpa / Andreas Arnold)
    Schaut man sich unter den Parteien im Deutschen Bundestag um, dann werben an vorderster Front die Grünen für die Idee der transnationalen Listen und haben dazu auch einen Initiativantrag in den Bundestag eingebracht. Natürlich geht es bei all den Auseinandersetzungen auch um die Frage der Macht- und Einflussmöglichkeiten der jeweiligen Parteifamilien, die bislang das politische Geschehen in Brüssel bestimmen. Für den europapolitischen Sprecher der CDU, Michael Stübgen, ist die Forderung nach transnationalen Listen ein alter Hut, der jetzt nur wegen Macron und den 73 frei werden britischen Sitzen im Europa Parlament wieder herausgeholt wird.
    "Ich sage Ihnen, ich habe persönlich nie etwas davon gehalten, so eine Art doppeltes Europarecht mit europäischen Super-Abgeordneten und den einfachen, die in den Nationalstaaten gewählt werden, zu schaffen. Das europäische Parlament selber konnte sich auf diese Konzeption nicht einigen. Der Europäische Rat steht ziemlich deutlich dagegen, außer Frankreich. Der dortige Präsident hat persönliche Interessen die er damit verbindet. Ich glaube nicht, dass es dadurch besser wird."
    CDU sieht keinen Mehrwert für Europa
    Und über die möglichen Spitzenkandidaten werde in den jeweiligen Parteifamilien entschieden. Daran halte man fest, auch wenn der Lissabonner Vertrag da nicht eindeutig ist. Aber auch von einem Emmanuel Macron lasse man sich da nicht aus der Ruhe bringen.
    "Ich bin froh, dass in Frankreich Bewegung ist. Aber es ist auch so, dass wir unsere eigenen Interessen auch schon haben müssen. Und Macron ist gegen Spitzenkandidaten, weil seine Bewegung "En Marche" noch keiner europäischen Partei beigetreten ist und er Angst hat, dass er hinten runterfällt."
    Einen Mehrwert für Europa sehen die Christdemokraten in dieser Debatte noch nicht. Das werde Angela Merkel auch bei dem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel deutlich machen, ohne Macron in den Rücken zu fallen. Diese klare Haltung führt jedoch zu Enttäuschungen beim potenziellen Koalitionspartner in Berlin. Die SPD steht hinter der Forderung nach transnationalen Listen und wird das Thema weitertreiben wollen, sagt der europapolitische Sprecher der SPD Fraktion Christian Petry.
    "Also, es wird mit Sicherheit auf der politischen Agenda bleiben und ich bin nach wie vor der Auffassung, dass im Vertrag von Lissabon steht, das Europäische Parlament wählt den Kommissionspräsidenten und daraus ableitend kann man auch sagen, dass der Bürger hier eine entscheidende Stimme hat. Das wäre die zweite Stimme gewesen und deswegen wird diese Forderung weiterhin bleiben."