Dienstag, 19. März 2024

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Zukunft der Friedhöfe
Obstwiesen statt Gräber

Viele Friedhöfe verändern so allmählich ihr Gesicht, weil sich immer weniger Menschen in einem Sarg bestatten lassen. Dadurch wird viel Platz frei. In Bremen-Blumenthal wird der Friedhof der reformierten Kirche bereits seit zwei Jahren umgestaltet. Ohne Denkverbote, aber in Anlehnung an ein berühmtes Vorbild.

Von Almuth Knigge | 30.08.2016
    Grabsteine auf dem Alten Friedhof von Schwerin, aufgenommen am Donnerstag (16.11.2006). Am Sonntag (19.11.2006) wird in Deutschland der Volkstrauertag begangen. Traditionell wird an diesem Tag zwei Wochen vor dem ersten Advent der Toten beider Weltkriege und der Nazi-Opfer gedacht.
    Friedhöfe sind oft eine Oase der Ruhe. (picture-alliance/ dpa-ZB / Jens Büttner)
    Morgens um 9 in der Kita der reformierten evangelischen Gemeinde Bremen-Blumenthal – es tobt das pralle Leben – rund um die alte, historische Kirche. Der Weg vom Gemeindehaus zum Gotteshaus führt über den Spielplatz der Kita, direkt neben dem alten Friedhof der Gemeinde.
    "Wir sagen immer, die Kirche steht auf der Grenze zwischen Leben - Gemeindehaus - und Tod - wir verbinden Tod und Leben miteinander."
    Der Pastor der Gemeinde, Ulrich Klein, ist auch Umweltbeauftragter der Evangelischen Kirche in Bremen. "Was ich auch das Schöne an unserem Friedhof finde, er ist eine Oase der Ruhe. Um uns herum tobt der Verkehr - das ist die Autobahn, hier ist die Bahn. Dahinten stark befahrene Straßen und hier können wir gehen und hören Vögel zwitschern."
    Auf den ersten Blick ein klassischer Friedhof – viele Hecken, alter Baumbestand, zwei Hektar ist er groß, ungefähr 2.000 Gräber sind hier angelegt – Tendenz sinkend. Deshalb verändert sich der Friedhof – seit zwei Jahren – langsam – aber nachhaltig. "Unser Motto heißt, unser Friedhof lebt."
    Umweltverbesserungen im Friedhofsbereich sind möglich
    Unterstützt von der Bremer Umweltbehörde soll sich der Friedhof verwandeln in eine Art ökologisches Naherholungsgebiet. "Wir halten uns jetzt so ein bisschen rechts. So, hier sehen wir zum Beispiel konkret etwas, das wir gemacht haben: ein Insektenhotel in Form einer Kirche."
    Es gibt eine Totholzhecke als Rückzugsraum für Tiere, eine Regenwassernutzungsanlage, ein Torfverbot und ein Verbot für künstliche Blumen. Es gibt Pflanzempfehlungen für heimische Pflanzen. "Generell tut es glaub ich, den Friedhöfen - nicht nur in Bremen, sondern auch wenn man sich deutschlandweit anguckt - ganz gut, wenn man mal über neue Bepflanzungsmethoden nachdenkt, eben nicht mehr Tuia und Eisbegonie, weil es so traditionell ist und vielleicht einige Friedhofsgärtner meinen, ja Eisbegonie ist ja so praktisch, die braucht auch nicht so viel Wasser. Aber hin zu: Was ist gut für die Insekten, was ist gut gerade auch für Bienen, was ist sonst an Umweltverbesserungen auch möglich um Friedhofsbereich."
    Maike Schäfer wird in Bremen auch "Miss Urne" genannt. Die Fraktionschefin der Grünen in der Bremer Bürgerschaft hat vor zwei Jahren maßgeblich an der Novelle des Bestattungsrechts in der Hansestadt mitgewirkt und dafür gesorgt, dass die Angehörigen hier die Urnen mit nach Hause nehmen können. "Also insofern habe ich irgendwann diesen Spitznamen abbekommen."
    Aber nicht nur deshalb benötigt die Stadt immer weniger Friedhofsfläche - jährlich werden rund 1300 Quadratmeter frei."Und in der Tat sind die Kosten für die Grünpflege auch für diese leeren Flächen sehr hoch."
    Wer will, darf sich auch gerne einen Apfel nehmen
    Die Stadt betreibt 14 kommunale Friedhöfe mit über 200 Hektar Fläche kostbare Fläche in einer Stadt mit wenig Platz. Wenn schon darüber nachgedacht wird, Spielplätze in Bauland umzuwidmen, warum nicht auch den Totenacker? "Das sind wir Grünen schlicht dagegen", sagt Maike Schäfer. "Was wir Grünen auf keinen Fall wollen, dass freie Friedhofs-Flächen als Bauland preisgegeben werden und das ist das, was wir politisch verfolgen werden."
    Sie will Friedhöfe "modern, attraktiv und kreativ" gestalten. Der Friedhof soll mit Leben gefüllt werden. "Wenn der Gang auf einen Friedhof - weil man dort eben auch sich gerne aufhält, weil es dort Streuobstwiesen gibt oder weil es irgendwie einen Spielplatz gibt oder ein Café oder einfach einen netten Naherholungswert - dann glaube ich, dass der Umgang mit dem Thema auch einfach ein bisschen freier werden kann und ich glaube, das tut uns allen gut."
    In Blumenthal kann man die Zukunft des Friedhofes schon besichtigen. "Und hier haben wir eine Bank extra so hin gestellt - die einen können auf ihr Grab blicken und die anderen können den Blick auf die Wildblumenwiese genießen." Die Kinder der Kita haben Obstbäume gepflanzt und Beerensträucher. "Wenn man einen Apfel sich pflücken möchte, dann darf man sich auch gerne diesen Apfel nehmen und auch die Johannisbeeren - auch da gibt es natürlich Vorläufer, zum Beispiel Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum auf seinem Grabe stand - ja, das ist auch so ein Gedanke, wo wir gesagt haben, ja warum denn nicht?"