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Zukunft der Städtischen Bühnen Frankfurt
Marode Schulen und eine Milliarde für Hochkultur

Frankfurt am Main bricht Rekorde: 900 Millionen Euro soll die Sanierung der dortigen, maroden Doppelanlage von Schauspielhaus und Oper kosten. Bei einigen stößt das Vorhaben, fast eine Milliarde zu investieren, aber auf Widerstand. Sie wünschen sich das Geld für neue Kita-Plätze oder fehlenden Wohnraum.

Von Ludger Fittkau | 26.03.2018
    Oper und Schauspiel in Frankfurt am Main (Hessen), aufgenommen am 09.12.2013. Schauspiel und Oper teilen sich in Frankfurt ein Gebäude, das an Schlichtheit kaum zu überbieten ist. Mitte Dezember 1963 wurde es eröffnet.
    Fast eine Milliarde soll die Sanierung der Städtischen Bühnen in Frankfurt kosten (picture alliance/dpa - Daniel Reinhardt)
    Frankfurt Schwanheim, ein"Kleine-Leute-Vorort" im Westen der Mainmetropole. Die örtliche CDU hat vor dem zentralen Supermarkt des Stadtteils einen Infostand aufgebaut. Ein Thema, über das in diesen Tagen in der Stadtpolitik viel diskutiert wird: Soll die Stadt Frankfurt am Main tatsächlich 900 Millionen Euro oder mehr für den Neubau oder die Kernsanierung von Oper und Schauspielhaus in der Innenstadt ausgeben, während die Schulgebäude in den Stadtteilen oft in schlechtem Bauzustand sind und überall in der stark wachsenden Stadt Kita-Plätze fehlen?
    "Diese Summe, die da im Raum steht, die ist für mich exorbitant hoch. Die kann ich nicht nachvollziehen. Das würde ja teurer werden als die Hamburger Philharmonie", sagt am Infostand der Christdemokrat Hermann Klimmroth, der Stadtbezirksvorsteher von Schwanheim.
    Er gehe selbst gelegentlich gerne in die Oper - aber Millionen für die Sanierung des 60 Jahre alten, technisch maroden Gebäude oder gleich einen kompletten Neubau? Für den CDU-Lokalpolitiker, dessen Partei gemeinsam mit SPD und Grünen im Rathaus von Frankfurt am Main eine Koalitionsregierung stellt, ist das unvorstellbar:
    "Ich weiß allerdings, dass auch unsere Schulen in einem furchtbar maroden Zustand sind. Die Kinder, die werden im Keller unterrichtet."
    Ina Hartwig ist Sozialdemokratin und die Kulturdezernentin von Frankfurt am Main. Sie weiß, dass so wie Hermann Klimmroth viele Menschen in der Stadt denken. 300 oder 400 Millionen Euro für die Kernsanierung der großen Doppelbühne mit Oper und Schauspiel sind vielleicht noch vermittelbar, das weiß Hartwig. Aber eine Summe, die an die Milliarde heranreicht, während Kinder aufgrund von Raummangel in Schulkellern unterrichtet werden müssen? Ina Hartwig äußert sich am Wochenende bei einer großen Kulturveranstaltung skeptisch:
    "Na ja, hier kommen wirklich auch unterschiedliche Perspektiven zusammen - beziehungsweise prallen aufeinander. Die eine Perspektive ist natürlich die des gesunden Menschenverstands. Und nach dieser Perspektive sind solche Zahlen wirklich schwer nachzuvollziehen und abgesehen davon sind sie objektiv sehr, sehr hoch. Das ist für die Kommunen eine ungeheure Herausforderung."
    Kosten und Bauzeiten von europäischen Theaterbauten
    Die Regierungskoalition im Römer, dem Rathaus von Frankfurt am Main, sucht deshalb händeringend nach einer sogenannten "kleinen Lösung" für die Zukunft der sanierungsbedürftigen Bühnen, die zu den größten Theatern Europas zählen. "Kleine Lösung" hieße: Sanierung im Bestand und möglicherweise ein verkleinertes Raumangebot, um auch die Technikkosten zu reduzieren. Damit könnte die horrende Summe von 900 Millionen Euro möglicherweise deutlich vermindert werden, die die Machbarkeitsstudie der Stadt für die Sanierung errechnet hatte. Kulturdezernentin Ina Hartwig:
    "Das wird jetzt geprüft. Wenn wir darauf die Antwort haben - übrigens des Prüfungsprozess darf man sich nicht als einfach vorstellen, der ist kompliziert. Man muss natürlich immer auch bedenken, was hat das für Konsequenzen für die Betriebsabläufe, wenn man beispielsweise auch Teile des Bedarfs auslagert. Erst wenn wir die Antwort auf diese Fragen haben, können wir entscheiden, ob eine kleine Lösung möglich ist."
    Als Entscheidungshilfe für Stadtpolitik und Bürgerschaft in Frankfurt hat nun das Deutsche Architekturmuseum am Mainufer eine Ausstellung organisiert. Dort werden 19 aktuelle europäische Theaterbauten gezeigt, ihre Kosten und Bauzeiten verglichen. Andrea Jürges ist Kuratorin der Ausstellung, mit der die öffentliche Debatte um die Zukunft der städtischen Bühnen in Frankfurt am Main bereichert werden soll:
    "Die Wichtigkeit, die das Thema für die Stadt hat und für die Region. Ich meine, wir reden hier über ein Opernhaus und ein Schauspiel, was überregional von Bedeutung ist. Die Oper ist abwechselnd mit der Oper Stuttgart oder einem der Berliner Häuser Opernhaus des Jahres. Das Schauspiel hatte, glaube ich, jetzt eine Auslastung von 97 Prozent, was wirklich hervorragend ist. Es sind hervorragende Aufführungen. Und die Qualität der Inhalte ist unbestritten. Und es geht auch im die Inhalte. Man braucht halt nur eine gut funktionierende Hülle drum rum und da hoffe ich, dass wir beitragen können."
    Am Infostand der CDU im Vorort Schwanheim wird jedoch klar, wo die Schmerzgrenzen für die Theatersanierung liegen könnten. Stadtbezirksvorsteher Hermann Klimmroth bringt auf den Punkt, was der Bevölkerung auch in den "Kleine-Leute-Vierteln" wohl noch vermittelbar wäre:
    "Wenn es 300 bis 400 Millionen kostet, es ist auch viel Geld. Dann würde ich sagen: Okay, macht es mal."