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Zulassung von Phosphat im Döner
Fleischspieß in der Gesetzeslücke

Ist ein Döner gesundheitsschädlich, weil bei seiner Herstellung Phosphate verwendet werden? Die Meinungen dazu gehen auseinander. Das EU-Parlament befasst sich nun mit der Frage - und könnte eine geplante Zulassung des Zusatzstoffes verhindern. Dabei stecken Phosphate bereits in vielen anderen Lebensmitteln.

Von Thomas Otto | 01.12.2017
    Mitarbeiter stellen am Freitag (09.09.2011) in Berlin in der Dönerspieß-Produktion von Fabrikant Remzi Kaplan Spieße her. Berlin ist die Hauptstadt des Döners. Mittlerweile gibt es rund 1000 Dönerbuden in Berlin.
    Erst werden die Fleischscheiben geschichtet, dann wird der fertige Spieß tiefgefroren an den Imbiss ausgeliefert - und da schlägt jetzt die EU-Gesetzteslücke zu (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Egal ob Kalb, Schaf oder Geflügel - das Prinzip ist immer das Gleiche: Fleischscheiben werden auf einem Spieß aufgeschichtet und mit mehr oder weniger Hackfleisch in einen Dönerspieß verwandelt. Damit das Ganze zusammenhält, werden Phosphate verwendet. In den Zutatenlisten verstecken die sich hinter den bekannten E-Nummern. Der gefrorene Spieß wird dann an die Imbissbetreiber ausgeliefert.
    EU-Gesetzeslücke bei gefrorenem Fleisch
    Zu viele Phosphate im Essen, davor würden Ärzte warnen, betont Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg.
    "So können zum Beispiel Phosphate die Innenwände der Gefäße verändern. Das heißt, sie erhöhen das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall. Sie erhöhen das Osteoporose-Risiko, weil Kalzium aus den Knochen gelöst wird. Aber das auch nur, wenn zu viel Phosphate aufgenommen werden."
    Wie viel Phosphat im Döner ist also ungefährlich? Genau hier gibt es eine Gesetzeslücke: In der EU-Verordnung für Lebensmittelzusatzstoffe ist nicht geregelt, ob bei gefrorenen Dönerspießen Phosphate eingesetzt werden dürfen, ärgert sich die Europaabgeordnete Renate Sommer von der CDU.
    "Wir haben ja Phosphat auch erlaubt in vielen, vielen anderen Fleischerzeugnissen: In Leberkäse, in der Bratwurst, im Fleischbrät und so weiter. Warum dann nicht in diesem Dönerspieß? Es ist lediglich vergessen worden, dass dort auch ausdrücklich zuzulassen. Die Zulassung selber ist eigentlich überhaupt kein Problem. Das ist nur eine technische Frage."
    Ohne Phosphat lässt sich Döner nicht grillen
    Weshalb die EU-Kommission diese Lücke auch schließen wollte. Dagegen hat nun der Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im EU-Parlament sein Veto eingelegt. In zwei Wochen soll das Plenum darüber abstimmen. Bliebe es dabei, hätte das dramatische Folgen, fürchtet Renate Sommer.
    "Wir werden so gut wie keinen Döner mehr vorfinden zu Hause. Viele entsprechende Imbissbetriebe müssten schließen und natürlich auch diejenigen, die diese tiefgefrorenen Dönerspieße produzieren."
    Ohne Zusatz von Phosphaten ließen sich Dönerspieße nicht durchgrillen, so Sommer. In einem Papier der Döner-Produzenten heißt es, Phosphate seien unverzichtbar, um Stabilität und Wasserbindungsvermögen zu gewährleisten. Würde der Einsatz von Phosphaten nicht EU-weit erlaubt, wären laut Herstellerverband 110.000 Arbeitsplätze gefährdet.
    Jedes Land regelt den Fall anders
    "Es würde überhaupt keine andere Situation schaffen und in Deutschland bliebe alles beim Alten", widerspricht Susanne Melior von der SPD.
    Denn in Deutschland sei die Verwendung von Phosphaten in gefrorenen Dönerspießen erlaubt, anders als zum Beispiel im Nachbarland Tschechien, so Melior. Da es im Falle gefrorener Dönerspieße die EU-Gesetzeslücke gibt, wird dieser Fall in jedem Land einzeln geregelt. Anstelle diese Lücke nun zu schließen und Phosphate auch im Döner zu erlauben, wollen Sozialdemokraten und Grüne nun zunächst eine Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA abwarten.
    "Die EFSA ist gerade dabei zu untersuchen, welchen Einfluss diese Phosphat-Zusatzstoffe auf unseren menschlichen Körper haben. Und wenn dabei rauskommt, dass Herz-Kreislauf- oder andere Erkrankungen davon betroffen sind und verstärkt werden, dann müsste man in der Tat ganz neu über diese Zusatzstoffe insgesamt nachdenken. Aber nicht nur für den Döner."
    Dann müssten generell die Regeln zum Zusatz von Phosphaten überarbeitet werden. Also keine Diskriminierung des Döners gegenüber Kassler und Bratwurst, wie es die Bild in ihrer gestrigen Ausgabe geschrieben hatte.
    Noch gäbe es zwar keine Alternativen zu Phosphat im Döner, erklärt Verbraucherschützerin Schwartau, allerdings:
    "Aber so lange wir zugucken, ohne irgendwas zu ändern, wird auch die Industrie auch keine neuen Stoffe einsetzen und es wird bestimmt auch Übergangszeiten geben, sodass auch ein Zeitraum bestehen wird, das Phosphat zu ersetzen. Und ich bin sicher, man findet was."
    Bei einer ausgewogenen Ernährung seien Phosphat-Zusätze letztlich kein Problem, so Schwartau. Schwierig werde es erst, wenn man zu viel Fast Food konsumiere, in dem besonders viele Phosphate enthalten seien.