Dienstag, 23. April 2024

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Zulassungsverfahren neuer Studiengänge
"Bürokratische Auswüchse müssen beseitigt werden"

Der sogenannte Akkreditierungsrat prüft, ob neue Studiengänge zugelassen werden können oder nicht. Diese Aufgabe oder Teile davon lagert er zuweilen an Agenturen aus. Jenes Vorgehen hat das Bundesverfassungsgericht nun für unzulässig erklärt. Für den Vorsitzenden des Akkreditierungsrats, Reinhold Grimm, ist das jedoch "eine sehr erfreuliche Entscheidung".

Reinhold Grimm im Gespräch mit Michael Böddeker | 22.03.2016
    Blick in einen Hörsaal
    Reinhold Grimm: "Das Verfassungsgericht hat beschlossen, dass eine externe Qualitätssicherung möglich ist, dass sie aber gesetzlich sauber formuliert werden muss." (picture alliance / dpa - Jan-Philipp Strobel)
    Michael Böddeker: Seit der Bologna-Reform gibt es jede Menge neuer Studiengänge. Bevor die starten können, müssen sie aber erst mal zugelassen werden. Zuständig dafür ist der Akkreditierungsrat mit Sitz in Bonn. Der wiederum gibt manche Aufgaben an Agenturen ab, die sich dann zum Beispiel die Lehrpläne und Prüfungsordnungen anschauen. Bevor die Agenturen diese Aufgaben übernehmen können, muss der Akkreditierungsrat sie zulassen. So läuft es zumindest bisher. Inzwischen hat aber das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es so nicht weitergehen darf. Die Richter haben das nordrhein-westfälische Hochschulgesetz überprüft und finden es zu ungenau. Darüber habe ich mit Reinhold Grimm gesprochen, dem Vorsitzenden des Akkreditierungsrats, und ihn habe ich gefragt: Was bedeutet diese Entscheidung des Bundesverfassungsgericht für Sie als Akkreditierungsrat?
    Reinhold Grimm: Zunächst einmal ist das eine sehr erfreuliche Entscheidung, weil sie die Länder dazu nötigt, das Akkreditierungssystem in Deutschland, also die externe Qualitätskontrolle auf eine rechtlich sichere Basis zu stellen. Das Verfassungsgericht hat beschlossen, dass eine externe Qualitätssicherung möglich ist, dass sie aber gesetzlich sauber formuliert werden muss, also die Länder zuständig sind. Das kann im Weg eines Staatsvertrags geschehen oder durch 16 Hochschulgesetze, und das Verfassungsgericht hat ansonsten bestimmt, dass die Wissenschaftsseite die entscheidende Mehrheit in den entsprechenden Gremien haben muss. All dies trifft also vollständig auf unsere Zustimmung und erfreut mich sehr.
    Böddeker: Was würde sich den konkret für Ihre Arbeit ändern und für die Abläufe mit den Agenturen und mit der Zusammenarbeit mit Ihnen, mit dem Akkreditierungsrat?
    Grimm: Das kann ich noch nicht voraussehen. Das kommt darauf an, was die Länder im Staatsvertrag vereinbaren und durch ihre Parlamente absegnen lassen. Aber die wesentlichen Punkte sind erstens, dass eine externe Qualitätssicherung möglich ist, und zweitens, dass die Wissenschaft im Rahmen dieser Akkreditierungsverfahren das Übergewicht haben muss. Und was sich dann alles am Akkreditierungssystem insgesamt ändert, ist, glaube ich, weitgehend Ländersache. Ich gehe aber davon aus, dass das Stiftungsgesetz, das nordrhein-westfälische, aufgrund dessen der Akkreditierungsrat arbeitet, erneuert werden muss oder ersetzt werden muss durch einen Staatsvertrag.
    Böddeker: Wir haben darüber gestern auch hier in der Sendung mit Bernhard Kempen gesprochen, dem Präsidenten des Deutschen Hochschulverbands. Sie haben zumindest eine Gemeinsamkeit. Er findet die Entscheidung auch gut, und er hat dazu gesagt:
    Berhard Kempen: Wir müssen das machen. Der Gesetzgeber, das ist unsere Forderung, der soll uns dazu verpflichten, der soll rechtsaufsichtlich schauen, dass wir diese Arbeit auch erledigen. Aber bitte nicht so wie bisher mit diesen halbstaatlichen Agenturen, in denen irgendwelche abgewrackten Wissenschaftsfunktionäre sitzen, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben.
    Böddeker: Das heißt, er stellt auch ein Stück weit die Kompetenz in Frage bei den Agenturen, die bisher zuständig waren. Was sagen Sie dazu?
    Grimm: Ich würde erst mal die Wortwahl nicht übernehmen, die Herr Kempen übernommen hat. Ich finde das nicht richtig, die Wortwahl. Von der Sache her kann man darüber reden. Ich denke schon, da hat Herr Kempen recht, dass also die eigentliche Entscheidungsebene für solche externen Akkreditierungsverfahren bei einer staatlich beliehenen Stelle liegen muss, und das wäre der Akkreditierungsrat und nicht die Agenturen.
    Böddeker: Das würde bedeuten, Sie selbst würden mehr Aufgaben übernehmen, die bisher an Agenturen ausgelagert wurden?
    Grimm: Oder die Agenturen arbeiten weiter, aber beratend und untersuchend, wenn Sie so wollen, und die Entscheidungen selbst werden vom Akkreditierungsrat oder von seiner Nachfolgeinstitution getroffen.
    Die Agenturen werden die Entscheidungen nicht mehr selbst treffen
    Böddeker: Sie haben es eben schon erwähnt, das Bundesverfassungsgericht hat auch kritisiert, dass Vorgaben fehlen für eine hinreichende Beteiligung der Wissenschaft selbst, so hieß das. Können Sie sich denn vorstellen, in Zukunft noch enger mit den Hochschulen zusammenzuarbeiten?
    Grimm: Wir arbeiten ja sowieso ganz eng mit den Hochschulen zusammen. Der Akkreditierungsrat bemüht sich ja seit Jahren, von der sogenannten Programmakkreditierung wegzukommen und zur institutionellen Akkreditierung, der Systemakkreditierung zu kommen, wo die Hochschulen dann die Akkreditierungen selbst übernehmen. Insofern können wir gar nicht enger zusammenarbeiten. Was die Wissenschaftsseite angeht, ist es auch jetzt schon so, dass in den entscheidenden Gremien die Professoren die Mehrheit haben. Das ist im Akkreditierungsrat nicht der Fall. Aber auch dieses Problem ließe sich leicht lösen, wenn man ähnlich verfährt wie in Berufungskommissionen, es also eine Mehrheit der Mitglieder eines Organs und gleichzeitig eine Mehrheit der Professoren geben muss.
    Böddeker: Was würden Sie sich noch wünschen für die Zukunft, was das ganze Verfahren der Zulassung angeht von Studiengängen?
    Grimm: Na ja gut, das ist von Land zu Land auch heute verschieden, das müssen die Länder regeln. Aber im Prinzip sollte eine Lösung gefunden werden, die den Hochschulen hinreichend Spielraum gibt, die die Wissenschaftsseite mehrheitlich die Entscheidungen treffen lässt, und die bestimmte bürokratische Auswüchse, die es vor allem in der Programmakkreditierung gegeben hat, nun ein für alle Mal beseitigt.
    Böddeker: Und was bedeutet das für die Agenturen, die bislang eben auch Aufgaben übernommen haben, wie die Lehrpläne und die Prüfungsordnungen sich anzuschauen?
    Grimm: Das werden sie unter Umständen auch weiter tun können, aber die Entscheidungen nicht mehr selbst treffen. Außerdem wird die eine Seite der Agenturen, in der sie wirklich sehr gut sind, wenn sie entsprechend die Erfahrung und Kompetenz haben, nämlich die Beratung der Hochschulen für die Einrichtung von Studiengängen und von internen Qualitätssicherungsmaßnahmen. Da werden die Agenturen wahrscheinlich eine neue und im Grunde bessere Aufgabe haben, als Entscheidungen zu fällen.
    Böddeker: ... sagt Reinhold Grimm, der Vorsitzende des Akkreditierungsrats. Er begrüßt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das hatte entschieden, dass sich bei der Zulassung von neuen Studiengängen bis zum Ende des Jahres etwas ändern muss.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.