Donnerstag, 28. März 2024

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US-Luftangriff auf Syrien
"Eine militärische Aktion ist durchaus eine Option für die UN"

Die Syrische Nationalrat hat den US-amerikanischen Angriff gegen einen Luftwaffenstützpunkt der syrischen Armee gutgeheißen. Ihr Vertreter Sadiqu al-Mousllie sagte im DLF, es sei aber noch zu früh, um von einer Wende im Krieg zu sprechen. Der Angriff gebe jedoch Grund zur Hoffnung und biete die Chance, ein Stück in Richtung Frieden zu gehen.

Sadiqu Al-Mousllie im Gespräch mit Martin Zagatta | 08.04.2017
    Das von der US-Navy zur Verfügung gestellt Bild zeigt die USS Ross (DDG 71) am 07.04.2017 im Mittelmeer, während ein Marschflugkörper vom Typ Tomahawk abgefeuert wird. Die USA haben einen Flughafen der syrischen Armee mit Tomahawks angegriffen.
    Das von der US-Navy zur Verfügung gestellt Bild zeigt die USS Ross (DDG 71) am 07.04.2017 im Mittelmeer, während ein Marschflugkörper vom Typ Tomahawk abgefeuert wird. Die USA haben einen Flughafen der syrischen Armee mit Tomahawks angegriffen. (dpa/picture-alliance/Robert S. Price)
    Martin Zagatta: Und mitgehört hat Sadiqu Al-Mousllie, er ist der Vorsitzende der Initiative für Bürgerrechte in Syrien und gehört dem Syrischen Nationalrat an beziehungsweise der Syrischen Nationalen Kommission, der auch von der Bundesregierung anerkannten sogenannten gemäßigten Opposition Syriens. Guten Tag, Herr Al-Mousllie!
    Sadiqu Al-Mousllie: Guten Tag, Herr Zagatta!
    "Eine Botschaft an Assad und seine Unterstützer"
    Zagatta: Herr Al-Mousllie, sind Sie denn froh, dass sich die USA zu diesem Angriff durchgerungen haben?
    Al-Mousllie: Ja, ich dachte niemals, dass die Bombardierung meines Geburtslandes mich mal freuen würde so. Aber hierfür ist Assad hauptsächlich verantwortlich, dass die Syrer mittlerweile froh sind, wenn eine Intervention von außen kommt, um ihnen zu helfen, gegen seine Brutalität und das Massentöten.
    Zagatta: Wie bewerten Sie diesen Angriff? Ist das jetzt eine Wende im Syrien-Krieg oder ist das eher symbolisch?
    Al-Mousllie: Es wäre zu früh zu sagen, dass es eine Wende ist. Es ist aber auf jeden Fall eine Botschaft, die auch vielerseits gesagt worden ist, es ist eine Botschaft an Assad und seine Unterstützer, dass die militärische Lösung beziehungsweise eine militärische Aktion durchaus eine Option ist für die UN, für die Freunde der syrischen Bevölkerung, um eben auch zu einer politischen Lösung zu kommen, beziehungsweise auch in die Wege zu leiten.
    Erwartungen an die USA
    Zagatta: Die UN steht ja bisher nicht hinter diesem Angriff. Das war, wenn wir das recht übersehen, nahezu ein Alleingang der USA. Was erwarten Sie sich denn jetzt zumindest von den USA?
    Al-Mousllie: Wir erwarten, dass die politischen Gespräche hier auch begleitend dazu noch ein bisschen geschoben werden in die Richtung, dass man auch anfängt, ernsthaft darüber zu reden. Denn wenn man überlegt, warum in den letzten Monaten immer die politischen Gespräche gescheitert sind, war es einfach, weil nicht der ernsthafte Wille erkannt worden ist seitens Assad, dass die Welt dahintersteht, um auch eine politische Lösung umzusetzen. Und so konnte er natürlich seine Strategie weiterfahren, er konnte sich auf dem Boden frei bewegen, er konnte durch seine Feuerkraft natürlich auch bestimmte Gebiete erobern. Und so war die Opposition geschwächt wie noch nie. Und wir erwarten jetzt von den USA, dass sie auch weiterhin zeigen, dass sie hinter der syrischen Bevölkerung stehen und vor allem – und das ist das Wichtigste –, dass die syrischen Zivilisten auch geschützt werden.
    "Wir sind froh, wenn Hilfe von außen kommt"
    Zagatta: Glauben Sie denn, dass dieser Angriff der Amerikaner jetzt nachhaltigen Eindruck bei Präsident Assad hinterlässt? Er hat ja angekündigt, jetzt als Vergeltung quasi noch härter gegen die Aufständischen vorzugehen. Also, ist jetzt zu befürchten, dass der Krieg noch blutiger wird, oder lässt sich das gar nicht mehr steigern?
    Al-Mousllie: Wissen Sie, wie soll es noch weiter gesteigert werden? Man wird von der Luft bombardiert, man wird auf dem Boden bombardiert, man wird mit russischen Flugzeugen bombardiert, man wird mit chemischen Waffen bombardiert. Es fehlt eigentlich nur in Syrien ein Nuklearangriff auf die Syrer, um eben halt noch das Ganze abzurunden. Die Syrer leben tagtäglich unter diesem Terror, Vertreibung, Zerstörung, und das ist nichts Neues und das seit sechs Jahren. Deswegen sind wir froh, wenn Hilfe von außen kommt. Denn anscheinend, weder Assad noch seine Alliierten, seine Unterstützer, in diesem Fall Putin und noch der Iran, sind überhaupt in der Lage beziehungsweise bereit, ein Stück Richtung Frieden dann auch zu gehen.
    "Reicht es denn nicht, ...500.000 Tote...?"
    Zagatta: Herr Al-Mousllie, ist es denn für Sie so eindeutig, dass das Giftgas vom Assad-Regime eingesetzt worden ist? Ich vermute mal, Sie sagen da: Ja. Aber wie ist das mit den Rebellen beispielsweise der Al-Nusra-Front? Die sollen ja auch über chemische Waffen verfügen.
    Al-Mousllie: Ich habe auch über diese Theorie einiges gehört. Wissen Sie, für mich steht klar, dass jemand, der auf die syrische Bevölkerung in dieser Art und Weise angreift, schon seit sechs Jahren, allein das reicht, um ihn auch zu disqualifizieren, in irgendeiner Weise die syrische Bevölkerung zu führen. Und es mag sein, dass da Zweifel ist, dass vielleicht Assad selber das befohlen hat. Aber die Strategie Assads seit sechs Jahren zeigt, dass das durchaus immer wieder eingesetzt worden ist, also warum nicht auch dieses Mal? Dass wir in Deutschland oder auch in der westlichen Welt vielleicht auch den Sachen gerne auch auf den Grund gehen, vielleicht auch hier in Syrien, vielleicht anders als in anderen Gebieten, das ist auch in Ordnung und das wird auch gut geschätzt. Aber reicht es denn nicht, dass 500.000 Tote …, um anzugreifen, um das zu stoppen? Ich meine, dafür brauche ich nicht unbedingt nur den chemischen Angriff oder den Giftgasanschlag.
    Forderung nach Flugverbotszone
    Zagatta: Aber ganz realistisch gesehen schließen ja Experten jetzt immer noch aus oder halten es für sehr unwahrscheinlich, dass die USA da massiv in Syrien eingreifen. Was halten Sie denn von einer Flugverbotszone, die ja immer mal wieder im Gespräch war, also eine Zone, wohin sich zumindest die vielen, vielen Flüchtlinge retten könnten? Wäre das etwas, was die USA möglicherweise mithilfe der NATO auch durchsetzen könnten und aus Ihrer Sicht sollten, oder halten Sie das für wenig sinnvoll?
    Al-Mousllie: Ich halte das für sehr sinnvoll, das war unsere Forderung und ist nach wie vor unsere Forderung. Denn die Lufthoheit, die Assad und auch die russischen Flugzeuge dann haben, natürlich bedrohen sie die Zivilisten tagtäglich, verursachen dann auch die Vertreibung, die Zerstörung vieler Städte, man sieht ja auch, was in Aleppo gewesen ist, was in Homs und diesmal auch in Idlib. Es ist nicht so einfach natürlich, das umzusetzen, aber es ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen, um zu sagen: Okay, bis dahin und dann reicht es, jetzt muss man auch mal politisch anfangen zu diskutieren. Assad möchte es natürlich nicht, weil er denkt, in diesem Fall, das ist der Anfang (Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist "das Ende") seines politischen Systems, seines Systems und seines Regimes. Aber das ist der einzige Weg, um auch Syrien zu befrieden.
    Zagatta: Der syrische Oppositionspolitiker Sadiqu Al-Mousllie heute Morgen im Deutschlandfunk, Herr Al-Mousllie, ich bedanke mich für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.