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Zum geplanten Treffen zwischen Scharon und Abbas

Heuer: Ein Neuanfang im Irak - das war eines der Versprechen der US-Regierung - sollte den Weg frei machen für einen israelisch-palästinensischen Friedensschluss. Wirklich wurde vor wenigen Wochen der Roadmap genannte neue Nahost-Friedensplan vorgelegt. Bloß folgen tut ihm bislang keiner der Kontrahenten wirklich. Palästinensische Attentate und israelische Militäraktionen folgen wie gehabt regelmäßig aufeinander. Morgen treffen sich erstmals der alte israelische Ministerpräsident Scharon und der neue palästinensische Ministerpräsident Abbas. Um die Chancen der Roadmap im Vorfeld dieses Treffens soll es jetzt gehen im Gespräch mit dem Politikwissenschaftler und Nahost-Experten Ludwig Watzal. Guten Morgen, Herr Watzal.

16.05.2003
    Watzal: Schönen guten Morgen, Frau Heuer.

    Heuer: Was erwarten Sie von dem Gespräch zwischen Abbas und Scharon?

    Watzal: Ehrlich gesagt erwarte ich mir nicht viel. Ich hoffe, dass Scharon Abbas auf gleicher Augenhöhe empfängt und dass er - so vermuten einige - zu einer größeren Geste bereit ist. Auf der anderen Seite kann man von Scharon bei seiner Haltung, die er in der letzten Zeit dargelegt hat, was die Siedlerfrage angeht, nicht unbedingt von einer großen Geste ausgehen. Wenn er diese Geste nicht macht, wird er Abbas weiter schwächen, da seine Stellung gegenüber Arafat ja noch nicht gefestigt und nicht eindeutig ist. Es darf aus diesem Gespräch nicht rauskommen, dass Abbas zu einem Vorsitzenden einer der wieder aufgelegten Dorfbewegungen, die es mal in den Siebzigerjahren gegeben hat unter den Palästinensern, gemacht wird. Von daher hoffe ich, dass Scharon Arafat einige Zugeständnisse macht und nicht nur darauf beharrt, dass Abbas massiv gegen Hamas und den Dschihad vorgeht, sondern dass man ihm einen gewissen Spielraum lässt und ihm damit das Gesicht gewahrt bleibt.

    Heuer: Nun hat US-Außenminister Colin Powell bei seiner Nahost-Reise ja ausdrücklich Israel gemahnt, kompromissbereit zu sein. Man kann das so verstehen, dass dies auch die Forderung nach einer größeren Geste wäre, wie Sie sie anmahnen. Muss Washington darüber hinaus den Druck auf Israel erhöhen, Herr Watzal?

    Watzal: Ich glaube schon. Der Besuch von Powell hat gezeigt, dass es sehr schwer ist, mit der Scharon-Regierung zu irgendwelchen Kompromissen zu kommen. Scharon hat Powell quasi abblitzen lassen, insbesondere, was die Frage eines Siedlungsstopps angeht. In der so genannten Roadmap wird ja von Israel verlangt, dass es die 70 Siedlungen, die nach März 2001 gegründet worden sind, auflöst und einen generellen Siedlungsstopp erlässt, auch, was das so genannte natürliche Wachstum der Siedlungen betrifft. Dazu gibt es von Scharon widersprüchliche Aussagen. Er hat vor einem Monat in Haaretz eine Räumung von Siedlungen, schwerwiegende Kompromisse angekündigt. Die Siedlungen Bet El oder Schilo standen da zur Disposition. Daraufhin gab es eine Kritik der Siedlerbewegung. Am Dienstag hat er in einem Interview in der Jerusalem Post genau das Gegenteil gesagt, dass weiterhin die Siedlungen Schilo und Bet El unter israelischer Souveränität bleiben und es keine Einschränkung der Siedlertätigkeit gibt. Von daher wäre es bei dem Besuch, den Scharon nächste Woche am 20. bei Bush absolviert, in der Tat angebracht, Druck auszuüben. Denn wenn es Bush nicht gelingt, Scharon in der Siedlerfrage umzustimmen, dann haben selbst die USA ihre Glaubwürdigkeit verloren, und sie können die Roadmap vergessen, wenn alles so weitergeht wie gehabt im Augenblick.

    Heuer: Wie verlässlich ist in dieser Hinsicht aus Ihrer Sicht George Bush? Sie haben selber gesagt, Scharon hat Powell abblitzen lassen. Wenn George Bush sich im Vorfeld dieser Reise stärker eingesetzt hätte - so könnte man argumentieren -, wäre das nicht passiert.

    Watzal: Wenn man israelischen Regierungsstellen Glauben schenken mag, ist man sehr zuversichtlich, was den Bush-Scharon-Besuch anbelangt. Scharon war bereits sieben Mal bei Bush zu Besuch. Diesmal glaubt man, man könne sogar die Amerikaner umstimmen. Israel hat ja immerhin 17 Einwände gegen die Roadmap. Zwei wichtige verlangt man von den Palästinensern im Voraus: das Ende des Konfliktes zu erklären und einen Verzicht auf das Rückkehrrecht. Das sind für die Palästinenser natürlich essentielle Punkte. Man glaubt aber, die 17 anderen Einwände gegenüber den Amerikanern durchsetzen zu können, und wenn das gelingt, dann ist die Roadmap am Ende, bevor sie überhaupt in Kraft gesetzt werden konnte.

    Heuer: Eine Forderung an die Palästinenser ist ja, den Terror zu stoppen. Das gelingt dem neuen Ministerpräsidenten Abbas offenkundig nicht, jedenfalls bislang nicht. Ist er der richtige Mann?

    Watzal: Es ist schwierig, den Terror zu stoppen, und zwar deshalb, weil man sich über das Wie innerhalb der palästinensischen Gesellschaft nicht einig ist. Was Israel von Abbas verlangt, ist, massiv gegen Hamas und Dschihad vorzugehen, sie zu entwaffnen und diese Organisationen mit militärischem Druck zu zerschlagen. Abbas will einen anderen Weg: Er will mit ihnen einen Konsens erreichen, will mit ihnen verhandeln. Es gab ja schon monatelange Verhandlungen in Ägypten mit diesen Organisationen, um quasi einen Waffenstillstand zu erreichen. Abbas will eigentlich den letzteren Weg. Er hat ja auch nicht die Macht. Er hat nur einen Teil der Macht in der Hand. Arafat ist weiter im Hintergrund mächtig. Er hat weiterhin einige Sicherheitsdienste unter seiner Kontrolle. Von daher muss Abbas lavieren. Er ist ein anderer Repräsentant als Arafat. Er symbolisiert nicht so sehr die nationalen Aspirationen der Palästinenser. Das heißt aber noch nicht, dass er eine Marionette Israels ist.

    Heuer: Müsste nicht Arafat ganz gehen, die Macht ganz aus den Händen geben?

    Watzal: Es wäre nicht klug. Arafat ist wie gesagt das Symbol der nationalen Bewegung und der Wünsche der Palästinenser, aber er müsste sich selbst zurücknehmen. Es ist aber schwierig, einem älteren Herrn so etwas beizubringen, der schon seit über dreißig Jahren PLO-Vorsitzender ist. Man kann Abbas aber nur dann stärken, wenn man ihm nicht zu viel abverlangt, also dass er quasi mit Gewalt gegen sein eigenes Volk vorgeht und eine Friedhofsruhe in den besetzten Gebieten erreicht. Ich glaube, man sollte etwas Geduld haben und auch von Israel verlangen, dass Israel mehr Konzessionen macht, als es bisher bereit war zu tun. Ich glaube, das hängt auch viel von den Maßnahmen Israels ab, dass es auch seine massiven Gegenschläge einstellt und auf die Palästinenser zugeht. Es ist ein Geben und Nehmen.

    Link: Interview als RealAudio