Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Zum Holocaust-Gedenktag der Fußball-Bundesliga

In Zeiten des wieder aufflammenden Antisemitismus sollte daran gedacht werden, dass der deutsche Sport auch jüdische Wurzeln hat.

Von Robert Hunke | 29.01.2011
    Bis 1933 gab es in Frankfurt eine blühende jüdische Fußballkultur. In einer Stadt, in der ein Drittel der Unternehmen in jüdischem Besitz waren, hatten auch die beiden großen Fußballklubs, der FSV und die Eintracht, jüdische Schatzmeister und Präsidenten. Mit Makkabi Frankfurt erwacht jüdischer Sport in Frankfurt nun wieder. Die Mitgliederzahlen beim TUS Makkabi steigen heute wieder, dank der Aufnahme von Bürgern aller Religionen.

    " Nichts kann uns die tausendjährige Verbundenheit mit unserer deutschen Heimat rauben.Wenn keine Stimme sich für uns erhebt, so mögen die Steine dieser Stadt für uns zeugen, die ihren Aufschwung zu einem guten Teil jüdischer Leistung verdankt, in der aber auch das Verhältnis zwischen jüdischen und nicht jüdischen Bürgern stets besonders eng gewesen ist."

    So äußerte sich im März 1933 der Vorstand der jüdischen Gemeinde in der damaligen Frankfurter israelitischen Zeitung. Vom angesprochenen verwurzelten, jüdischen Leben in Frankfurt, speziell in den Sportvereinen aber will seit Hitlers Machtergreifung damals keiner mehr etwas wissen,
    Doch die nationalsozialistische Anhängerschaft in Frankfurt hat ein Problem: 1933 leben 30.000 Juden in Frankfurt, deutsche Bürger jüdischen Glaubens sind damals mitten in der Gesellschaft, natürlich auch im Sport, sagt Alon Meyer, aktueller Präsident vom jüdischen Sportklub Makkabi Frankfurt:

    " Also ich glaube, dass wir damals mitten in der Gesellschaft standen und es wirklich eine Normalität war ein jüdischer Sportverein in Frankfurt zu sein. Heute ist es noch nicht so. Wir arbeiten daran um dort hinzukommen."

    Bis zum Januar 1933 waren Juden im deutschen Sport also bestens integriert, die meisten waren in der deutschen paritätischen Turn- und Sportbewegung organisiert, ein Zeichen für die Assimilation. Bis der Deutsche Turn- und Sportbund 1933 die integrativen Grundsätze des Sports ad absurdum führt und beginnt Menschen in Milieus zu trennen. Robin Streppelhoff, Experte für deutsch-israelische Beziehungen am Institut für Sportgeschichte in Köln erläutert:

    "Jüdische Sportler haben eigentlich in Deutschland seit Ende des 19 Jahrhunderts in den ganz normalen Turn- und Sportvereinen Sport getrieben, ganz normal, mit ihren deutschen Kollegen. In den zwanziger Jahren haben sich dann eigene jüdische Turn- und Sportvereine gegründet, die hatten aber gar nicht so den großen Zulauf. Nach 1933 war es dann so, dass Juden ausgeschlossen wurden aus den allgemeinen Vereinen und sie konnten letztlich nur noch Sport treiben in ihren eigenen Vereinen und dadurch haben sie eben eine Scheinblüte erlebt."

    Gegen diesen radikalisierten gesellschaftlichen Wandel in der Bevölkerung stellen sich die deutschen Vereine damals nicht. Selbst so genannte jüdische Vereine wie der FSV Frankfurt, Eintracht Frankfurt oder Bayern München melden früh und nicht ohne Stolz, dass ihr Verein judenfrei sei.

    Ohne Juden ging im Frankfurter Fußball bis 1933 eigentlich gar nichts. Der heutige Bundesligaclub Eintracht Frankfurt beispielsweise verkündete noch 1932 stolz als einer der wenigen Fußballvereine Europas unverschuldet aus der Weltwirtschaftskrise gekommen zu sein. Dank ihres jüdischen Schatzmeisters. Jahrelang ist auch der jüdische Schuhfabrikant Walter Neumann mit seiner Firma Schneider finanzieller Alleinunterhalter der Eintracht, weiß Matthias Thoma, Buchautor und Leiter des Eintracht Frankfurt Museums:

    " Man musste den guten Fußballspielern damals ja auch die Gelegenheit geben sich zu finanzieren und die Eintracht hatte einen Mäzen, würde man heute sagen, einen großen Sponsor. Die Schuhfabrik Schneider. Das war die größte Schuhfabrik Europas oder der Welt sogar wie man gesagt hat. Der Herr Neumann hatte keinen offiziellen Job, aber er war der Sponsor im Hintergrund, er war ein sehr machtvoller Mann. Er hatte die Firma Schneider und musste nach ´33 natürlich auch zusehen, dass er aus Deutschland wegkommt."

    Weil Neumanns wie alle Juden zusehen, dass sie wegkommen oder es eben nicht schaffen, ist die jüdische Frankfurter Fußballszene heute noch sehr klein. Immerhin aber hat Maccabi Frankfurt eine gesonderte Fußballabteilung. Beim bürgerlich jüdischen Club spielen heute knapp 400 Mitglieder Fußball. 1945 nach Kriegsende gibt es kaum noch Juden in Deutschland. Der Sport nimmt für die wenigen Überlebenden damals dennoch einen hohen Stellenwert ein. Robin Streppelhoff vom Institut für Sportgeschichte:

    " Nach dem zweiten Weltkrieg ist der jüdische Sport in Deutschland eigentlich relativ schnell auf die Füße gekommen. Es gab auch in den freien jüdischen Gemeinden Fußballmannschaften, insbesondere in Berlin und Köln. Die beiden Mannschaften haben dann auch versucht zusammen ein Team aufzustellen für die erste Nachkriegs-Maccabia die 1950 in Tel Aviv stattfinden sollte."

    Die deutsche Teilnahme an der Maccabia, den jüdischen olympischen Spielen scheitert aber zunächst an der Staatsgründung Israels 1948 welche eine Auswanderungswelle deutscher Juden ins gelobte Land auslöst. Statt einer zweiten Blüte versandet der jüdische Sport Ende der Vierziger Jahre in Deutschland wieder. Erst 1965 gründet sich mit Maccabi Deutschland ein neuer Dachverband. In Frankfurt erinnert man sich wieder an jüdische Sportler Tradition und die Eintracht kooperiert mit Makkabi. Mitte er 60er Jahre wechselt mit Dolphi Pattek der Trainer der Eintracht zum TUS Makkabi. Makkabi Frankfurt schreibt sich zudem auf die Fahnen allen Religionen offen zustehen.

    Was Vergeben und Integration bedeutet zeigen nach 1945 dann also ausgerechnet die jüdischen Sportvereine die sich nur 2 Jahrzehnte nach Ende des Holocaust nicht scheuen auch deutsche nicht jüdischen Glaubens aufzunehmen, wie Alon Meyer, der Präsident von Makkabi Frankfurt unterstreicht:

    " Wir sind für alle Religionen, für alle Nationalitäten offen. Wir sind auch deswegen gewachsen, deswegen größer geworden weil wir uns geöffnet haben. Das ist gut, das ist richtig auch für Frankfurt, dass wir damit auch die Vielfalt in Frankfurt erhöht haben."

    In Zeiten in den in ungarischen Fußballstadien Hakenkreuze eher zur Regel als zur Ausnahme gehören und sich das Wort Jude als Schimpfwort wieder eingebürgert hat, ist es beruhigender als jeder Appell oder jede Verurteilung am Gedenk Wochenende der Bundesliga zuhören, dass die Frankfurter Ultra Fans die neuen so genannten Stolpersteine in der Stadt, die die deportierten Juden Frankfurts ehren sollen, aus eigener Taschen finanziert haben.
    Um daran zu erinnern das Frankfurt wie ganz Deutschland auch seinen sportlichen Aufschwung zu einem guten Teil jüdischer Leistung verdankt.