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Zum Tod Fidel Castros
Geliebt, gehasst, gefürchtet

Ein halbes Jahrhundert lang hielt Fidel Castro die Welt in Atem: erbittert geliebt wie gefürchtet. Als einsamer Kämpfer für die verblasste Ideologie eines überlebten Kommunismus ebenso wie als Bollwerk gegen den mächtigsten Feind seiner autoritären Herrschaft - die USA. Und nicht zu vergessen: als Weltrevolutionär.

Von Volker Skierka | 26.11.2016
    Fidel Castro
    Fidel Castro (Deutschlandradio / Henning von Löwis)
    Der weltberühmte "Chan Chan" des "Buena Vista Social Club" eignet sich wie kaum ein anderes Lied als musikalischer Abgesang auf die Ära Fidel Castro. Denn nahe dem Städtchen Mayarí im ehemals "Wilden Osten" der Insel Kuba, dem die populäre Komposition gewidmet ist, wurde auf der "Finca Manacas" bei dem Dorf Birán einst jener Mann geboren, der mehr als ein halbes Jahrhundert lang die Welt in Atem halten und ein bewegtes Kapitel der Geschichte des 20. Jahrhunderts schreiben sollte.
    Als Großgrundbesitzersohn, Revolutionär, Comandante, Befreiungskämpfer, Volkstribun, Caudillo, Führer, Diktator, Patriarch. Als Máximo Líder. Als Hass- und Heldenfigur. Erbittert geliebt wie gefürchtet. Als einsamer Kämpfer für die verblasste Ideologie eines überlebten Kommunismus ebenso wie als Bollwerk gegen den mächtigsten Feind seiner autoritären Herrschaft - die Vereinigten Staaten. Und nicht zu vergessen seine Rolle als Weltrevolutionär.
    "Die kubanischen Revolutionäre sehen es als ihre Verpflichtung an, dass revolutionäre Bewegungen in jedem Winkel der Erde auf unsere Kämpfer zählen können."
    640 Mordkomplotte wurden gegen Castro geschmiedet
    Nach zweijährigem Guerillakampf war der promovierte Jurist im Morgengrauen des 1. Januar 1959 wie ein Messias mit seiner bärtigen Truppe, den Barbudos, von den Bergen der Sierra Maestra herabgestiegen. Fünfeinhalb Jahre nach seinem gescheiterten Sturm auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba war er am Ziel. Der mit der amerikanischen Mafia verbandelte, korrupte Diktator und Gewährsmann Washingtons, Fulgencio Batista, hatte sich Stunden zuvor mit seiner engsten Entourage sowie der Staatskasse im Reisegepäck davongemacht.
    Straßenbild in Havanna: Konterfeis unter anderem von Fidel castro und Ernesto "Che" Guevara.
    Straßenbild in Havanna: Konterfeis unter anderem von Fidel castro und Ernesto "Che" Guevara. (dpa / picture alliance / Fredrik von Erichsen)
    Umgehend begann Castro damit, ein sozialrevolutionäres, nach der Moncada-Episode formuliertes Programm aus umfassenden Sozial-, Bildungs- und Wirtschaftsreformen umzusetzen. Der einstige Jesuitenschüler war anfangs eher ein linksbürgerlicher Rebell, den die Kommunisten auf Kuba ebenso wie jene in Moskau als hitzköpfigen Abenteurer abqualifizierten. Doch obgleich er in Washington sogar noch um Verständnis warb, setzte man ihn dort umgehend auf die Abschussliste.
    Gegen kaum einen Politiker wurden je so viele Mordkomplotte geschmiedet, wie gegen Fidel Castro. Sein Geheimdienst zählte rund 640 davon. Der einstmals in Lateinamerika operierende frühere CIA-Agent Philipp Agee verriet:
    "Seit den sechziger Jahren war es offizielle Regierungspolitik der USA, Castro umzubringen. Später verselbstständigten sich diese Terroristen, die ihre Ausbildung und ihre Existenz der CIA zu verdanken hatten, und setzten ihre terroristischen Operationen fort, Fidel Castro zu ermorden."
    Selbst die Mafia wurde von der CIA um Hilfe gebeten. Die mörderischen Rezepturen reichten von todbringenden Zigarren über eine ehemalige – deutsche – Geliebte als Giftmischerin bis hin zu einem Abschuss mittels einer großkalibrigen Bazooka.
    Wirtschaftsembargo der USA stärkte Castros weltweite Popularität
    Als Castro mit der Verstaatlichung amerikanischen Großgrundbesitzes und der Niederlassungen von US-Konzernen begann, brachen die USA die Beziehungen ab, sorgten für eine internationale Isolation Kubas und belegten die Insel fortan mit einem Wirtschaftsembargo, wie es nicht einmal gegenüber blutrünstigsten Diktatoren verhängt wurde. Es schwächte Castro jedoch nicht, sondern stärkte ihn in seinem Widerstand - und beförderte seine weltweite Popularität.
    Der ehemalige Diplomat und Kuba-Experte im US-Außenministerium Wayne Smith, der 1959 zufällig Augenzeuge des Sieges der Revolution war und zum ersten Leiter der US-Interessenvertretung in der kubanischen Hauptstadt berufen wurde, beobachtete damals:
    "Castro spielt mit uns David und Goliath. Herrlich. Und wir geben ihm die Gelegenheit dazu – Monat, für Monat, für Monat."
    Fidel Castro spricht 1959 vor Anhängern in der kubanischen Hauptstadt Havanna.
    Fidel Castro spricht 1959 vor Anhängern in der kubanischen Hauptstadt Havanna. (AP)
    Dank eines Instinktes, der einem sechsten Sinn gleichkam, eines Geheimdienstes, der zu den besten der Welt zählte, aber vor allem dank seines eisernen Machtwillens überdauerte Castro zehn US-Präsidenten, Generationen sowjetischer Generalsekretäre, Staats- und Regierungschefs, Päpste und Rebellenführer, Demokraten und Potentaten, bis er die am längsten herrschende Nummer eins auf dem Erdball und eine der umstrittensten wie faszinierendsten Persönlichkeiten der Zeitgeschichte war.
    Kubanisches Modell funktionierte selbst in Kuba nicht
    Unzählige Male totgesagt, lebte der Unsterbliche so viele Leben, dass schon zu befürchten stand, der Allmächtige habe ihn einfach vergessen. Bis zum letzten Atemzug ruhelos, gedachte er seine zum Anachronismus erstarrte Revolution für alle Zeiten zu zementieren. Vor Jahren schon meinte er:
    "Mir ist klargeworden, dass ich nicht dafür bestimmt bin, einen ruhigen Lebensabend zu verbringen.”
    Im Sommer 2006 allerdings erkrankte Fidel Castro schwer und sah sich gezwungen, die Amtsgeschäfte seinem fünf Jahre jüngeren Bruder Raúl zu übertragen. Der zog die politischen Zügel zwar zunächst an, feuerte reformverdächtiges Führungspersonal wie den langjährigen de-facto-Regierungschef Carlos Lage und besetzte Schlüsselpositionen mit loyalen Militärs, die auf den Machterhalt des alten Apparates bedacht waren.
    Sie sehen den früheren kubanischen Präsidenten Fidel Castro und seinen Bruder Raúl, der die Führung übernahm.
    Der frühere Präsident Fidel Castro (links) und sein Bruder Raúl (rechts), der die Führung übernahm. (picture-alliance / dpa / Ismael Francisco)
    Aber nur, um dann - im Pilgerschrittverfahren - selbst eine Reihe unausweichlicher Reformen zu wagen: Die Regierung verpachtete bislang ungenutztes Land an private Bauern, weitete den Sektor privater Dienstleistungsberufe und Kleinbetriebe aus und entließ über 500.000 überflüssiger Staatsangestellter. In einem Interview mit der amerikanischen Zeitschrift "The Atlantic" im September 2010 musste der abgedankte "Máximo Líder" eingestehen:
    "Das kubanische Modell funktioniert nicht einmal mehr bei uns."
    Bereits seine Lehrer sagten ihm eine große Zukunft voraus
    Eine für ihn bittere Erkenntnis, schließlich hatte er immer vom Export seiner Revolution geträumt. Castro war ein unbeugsamer und stets zum Äußersten entschlossener Charakter, der von seiner Mission tief überzeugt war. Von klein auf übte und lernte er, sich durchzusetzen:
    "Bereits während meiner Kindheit bin ich ungefähr drei Mal Situationen ausgesetzt gewesen, die ich als so ungerecht empfand, dass sie den rebellischen Geist in mir beflügelten."
    Er war hochintelligent, verfügte über ein phänomenales Gedächtnis und war sportlich so begabt, dass eine New Yorker Baseballmannschaft ihm eine Profikarriere anbot. Seine Lehrer auf dem Jesuitenkolleg Belén in Havanna, der besten Schule des Landes, sagten ihm schon Mitte der vierziger Jahre eine große Zukunft voraus. Sein Studienkollege Max Lesnick, der sich freilich nach Miami abgesetzt hatte, erinnerte sich:
    "Ich glaube, Fidel hat viel vom Heiligen Ignatius von Loyola, dem Gründer des Jesuitenordens. Die Erziehung auf dem Kolleg Belén lehrte ihn das Handwerk zum Erreichen politischer Ziele."
    An der Universität von Havanna entdeckte Castro seine Berufung zum Erben des Schriftstellers und Nationalhelden José Martí, welcher Ende des 19. Jahrhunderts den Unabhängigkeitskampf gegen die spanische Kolonialmacht angeführt hatte. In dieser Rolle wollte Castro 60 Jahre später Kuba aus der amerikanischen Vormundschaft befreien.
    Seine Revolution war daher keine sozialistische, sondern eine nationalistische. Nach dem Sieg herrschte damals eine landesweite Begeisterung und Hoffnung. Der ehemalige US-Diplomat Wayne Smith erinnert sich:
    "Es herrschte eine Atmosphäre des völligen Neuanfangs. Die Welt stand jetzt offen für Kuba, der Weg war frei für eine große Zukunft."
    1959 wurde Castro in New York noch gefeiert
    Sogar in den USA war der junge Revolutionsführer äußerst populär. Als er - ohne zu ahnen, dass im Nationalen Sicherheitsrat schon Pläne zu seiner Ermordung diskutiert wurden - im April 1959 auf Einladung amerikanischer Zeitungsverleger nach New York kam, wurde er in den Straßen von jubelnden Menschenmassen gefeiert.
    Selten, so ein überwältigter Fernsehreporter, habe New York so etwas erlebt. Prompt beteuerte Castro, dass ihm an einem entspannten Verhältnis zu den USA gelegen sei.
    "Ich kam im Interesse guter Beziehungen, Verständigung und guter Wirtschaftsbeziehungen."
    Fidel Castro winkt bei einem Besuch in New York 1959 zur Menge auf der Straße. Später spricht er im Central Park vor tausenden Amerikanern.
    Fidel Castro winkt bei einem Besuch in New York 1959 zur Menge auf der Straße. (EFE /Cooperation Cultural Center)
    Aber es herrschte Kalter Krieg, und Amerika war immer noch traumatisiert von der Kommunistenhatz des Senators Joseph McCarthy. Auf einer Pressekonferenz wurde Castro ins Kreuzverhör genommen.
    "Senator Smathers aus Florida sagt, dass sie viele Kommunisten in ihrer Regierung haben. Ist das so?"
    "Oh nein. Glauben Sie, nur weil Senator Smathers das behauptet, muss es auch wahr sein? Ich glaube das nicht."
    Sozialismus brachte eine zunehmende Repression
    In den folgenden Monaten spitzte sich der Propagandakrieg zwischen Washington und Havanna zu. Indem die US-Regierung Kuba international isolierte und wirtschaftlich blockierte, während CIA-Agenten im Schulterschluss mit Exilkubanern Sabotageakte und Anschläge auf der Insel verübten, trieb Washington das Regime geradezu in die Arme der Sowjetunion, die sich als neuer Partner und Beschützer anbot.
    Das Bündnis mit Moskau aber war keine Liebesheirat, sondern eine 30 Jahre, bis zum Tod der Sowjetunion haltende Vernunft- und Zweckehe. Kuba brauchte jemanden, der die Insel ökonomisch über Wasser hielt, während die Sowjetunion auf diese Weise unverhofft zu einem Stützpunkt vor der Haustür der USA kam.
    Im April 1961, unmittelbar nach dem kläglichen Scheitern einer von der CIA gesteuerten Invasion von rund 1.200 exilkubanischen Söldnern in der kubanischen Schweinebucht, erklärte Fidel Castro sein Land zu einem sozialistischen Staat und ließ die Arbeiterklasse, die Bauern, das einfache Volk, die Märtyrer der Revolution und das Vaterland hochleben.
    "Viva la clase obrera, vivan los campesinos … de la patria ...”
    Der Sozialismus aber brachte eine zunehmende Repression gegen Andersdenkende mit sich. Über eine Million gut ausgebildete Angehörige des Mittelstandes, Intellektuelle, aber schließlich auch einfache Wirtschaftsflüchtlinge flohen im Laufe der Jahrzehnte ins Exil, vor allem in die USA.
    Castro ließ zensieren, was seine Mitbürger schrieben und lasen
    Anfangs war die kubanische Revolution in der ganzen Welt von Schriftstellern, Künstlern, Intellektuellen als eine Art Kulturrevolution gefeiert worden, welche die Dritte Welt mit der Ersten Welt zusammenführte. Ihre Tragik aber bestand darin, dass sie zwischen die Kampflinien des Kalten Krieges geriet und ihre Führer sich dem Kultur- und Politikverständnis Moskauer Bürokraten unterordneten.
    Aufmüpfige Künstler und Kritiker wurden mit Berufsverboten belegt und eingesperrt. Ausgerechnet der Mann, der seinem Volk Lesen und Schreiben beibringen ließ und der sich selbst als manischen Leser bezeichnete, ließ zensieren, was seine Mitbürger schrieben und lasen. In den Augen des ehemaligen US-Vertreters in Havanna war Castro davon überzeugt:
    "Dass er den einzigen Weg ins gleichgeschaltete Nirwana kennt. Und dass jene, die ihm widersprechen, Feinde sind."
    Im Oktober 1962 geriet die Welt wegen der heimlichen Stationierung sowjetischer Atomraketen auf Kuba für 13 Tage an den Rand des Dritten Weltkrieges. US-Präsident John F. Kennedy befahl eine Seeblockade:
    "All ships of any kind bound for Cuba ... be turned back.”
    Nach bangen Stunden lenkte sein sowjetischer Gegenspieler Nikita Chruschtschow ein. Über den Kopf Fidel Castros hinweg befahl er den Abzug aller bereits stationierten Mittelstreckenraketen. Dafür gaben die USA die geheime, in den siebziger Jahren von dem damaligen Außenminister Henry Kissinger erneuerte Zusicherung, auf eine militärische Invasion Kubas zu verzichten.
    Mitentscheidend für Chruschtschows Einlenken mag sein Entsetzen über einen Brief Castros gewesen sein, aus dem die Sowjets herauslasen, dass der Kubaner ihnen für den Fall einer Landung amerikanischer Soldaten auf Kuba zu einem atomaren Erstschlag gegen die USA riet. Fortan misstrauten Moskau und Havanna einander.
    Der sowjetische Premierminister Nikita Chrustschow und der kubanische Präsident Fidel Castro vor dem Hotel Theresa in Harlem, New York
    Der sowjetische Premierminister Nikita Chrustschow und der kubanische Präsident Fidel Castro. (AP)
    Seinen Ehrgeiz, eine Rolle in der Weltpolitik zu spielen, durfte Castro nun am Horn von Afrika und in Angola befriedigen, wo er für Moskau kostspielige, verlust-, aber auch siegreiche Stellvertreterkriege führte. 1991 brach das Sowjetimperium zusammen.
    "Ich will nicht drum herum reden. Ich glaube für mich wie für jeden anderen Kubaner bis in die oberste Führung, bedeutet das einen harten Rückschlag. Vielleicht härter als jeder andere Schicksalsschlag in unserem revolutionären Kampf."
    Castro als Elder Statesman der Dritten Welt
    Unverhofft vollkommen auf sich alleingestellt, war Kuba erstmals in seiner Geschichte wirklich unabhängig – und überlebte entgegen allen Prognosen. Auch wenn das System im Kern ein sozialistisches blieb, spielte die Nomenklatura im Vokabular ihrer Reden und auf Propagandatafeln zunehmend auf der Klaviatur der nationalen Identität und Autonomie.
    Lange vereinsamt, erlebte Castro aber gegen Ende seiner Tage doch noch eine unerwartete Wiederauferstehung als elder statesman der Dritten Welt. Länder wie China, Russland, Brasilien, Argentinien, Bolivien, selbst Chile und Mexiko sowie andere erneuerten ihre alten Freundschaften zu Kuba. Die Organisation der Amerikanischen Staaten OAS bot Kuba 2009 die Wiederaufnahme an und riskierte damit einen Eklat mit den USA. Am Ende schloss sich für Castro ein Kreis:
    "Wir Revolutionäre dürfen keine Pessimisten sein. Wir sind und werden immer Optimisten bleiben."
    Was hat Fidel Castro am Ende seiner 47 Jahre andauernden Amtszeit den Kubanern gebracht? Sein langjähriger Freund, der Schriftsteller Gabriel García Márquez, schrieb einmal:
    "Er ist einer der größten Idealisten unserer Zeit, und dies mag vielleicht seine größte Tugend sein, obwohl dies stets auch seine größte Gefährdung war."
    Im Wesentlichen hat die Revolution den Kubanern ein kostenloses Bildungs-, Sozial- und Gesundheitssystem beschert, welches sogar – befreit vom ideologischen Ballast - ein Erfolgsmodell für die Dritte Welt sein könnte. Das Land ist zwar arm, lebt aber nicht im Elend wie Abermillionen Menschen in der Nachbarschaft. Dennoch warten vor allem die jungen Kubaner sehnlichst auf Wandel und Wohlstand.
    "Wenn die Jungen scheitern, wird alles scheitern" - der simple Satz stammt von Fidel Castro. Es war einer der Alten, Eloy Gutierrez Menoyo, der einzige zur Opposition übergelaufene ehemalige Comandante der Revolution und Weggefährte der Castro-Brüder, dem Fidel verziehen hatte und der kurz vor seinem Tod eindringlich forderte:
    "Die Jugend müsste eine neue Revolution im Land entfachen. Wir bevorzugen aber einen friedlichen Übergang zur Demokratie."
    Besuch Obamas läutete Beginn einer neuen Ära ein
    Ausgerechnet die katholische Kirche hat nun diesen friedlichen Wandel auf Kuba vorangetrieben – in der Rolle einer gemäßigten Opposition. Papst Johannes Paul der Zweite war 1998 jubelnd auf Kuba empfangen worden – sein Besuch hatte Fidel Castro wieder hoffähig gemacht. Auch Papst Benedikt den 16. begrüßten die Kubaner dankbar. Dann, unter Papst Franziskus, dem Argentinier, der sogar zweimal nach Kuba kam, mündete die langjährige diskrete Kirchendiplomatie schließlich in die spektakuläre Ankündigung der Wiederaufnahme voller diplomatischer Beziehungen zwischen den USA und Kuba. Und auf dem Gipfeltreffen der Organisation Amerikanischer Staaten im April 2015 besiegelten US-Präsident Barack Obama und sein kubanischer Amtskollege Raúl Castro per Handschlag den Aufbruch in eine neue gemeinsame Zukunft politischer und wirtschaftlicher Beziehungen.
    Im vergangenen März schließlich schwebte Präsident Obama mitsamt seiner Familie in der Air Force One in Havanna ein und markierte damit als "Tourist in Chief" den Beginn einer neuen Zeitrechnung zwischen den einstigen Todfeinden.
    "...for more than half a century, the sight of the US-President here in Havana would have been unimagible, but this is a new day..."
    US-Präsident Obama und Kubas Staatschef Castro bei einer Pressekonferenz in Havanna
    US-Präsident Obama und Kubas Staatschef Castro bei einer Pressekonferenz in Havanna (dpa/picture alliance/Alejandro Ernesto)
    Zu einem Handschlag mit Fidel Castro kam es jedoch nicht. Dieser nahm das historische Ereignis nur noch als Schatten seiner selbst vor dem Fernseher zur Kenntnis.
    Aber dennoch scheint für seine Unsterblichkeit gesorgt: Bis zum 4. Dezember ist Staatstrauer angeordnet. Die Leiche des gestern Abend im Alter von 90 Jahren Verstorbenen wird verbrannt, die Urne in einem viertägigen Trauerzug zur 900 Kilometer von Havanna entfernten Stadt Santiago de Cuba gebracht, auf dessen Friedhof angeblich seit Monaten fieberhaft an der Errichtung eines Mausoleums für Fidel Castro gearbeitet wurde.