Donnerstag, 25. April 2024

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Zum Tod von Erwin Moser
"Ein großer Künstler im Kleinen"

Er schuf den Kater Boris und den Raben Alfons: Jetzt ist Erwin Moser 63-jährig gestorben. "Er erzählte zwar aus der Realität, aber konnte ganz fantastische Welten schaffen, ohne Fantasy zu entwickeln", sagte Petra Albers, Leiterin Kinder- und Jugendbuch in der Verlagsgruppe Beltz, im Dlf.

Petra Albers im Gespräch mit Dina Netz | 16.10.2017
    Farbfoto von Erhebungen der Figuren in einem Kinderbuch für Blinde
    Seine Kinderbuchklassiker gibt es auch für Blinde. Illustration aus "Kleine Katze Nina" von Erwin Moser (imago/epd)
    Dina Netz: Der Österreicher Erwin Moser hat sich an die Devise gehalten: "Die Bücher, die ich lesen will, schreibe ich gleich selbst." Moser, 1954 geboren, war unzufrieden mit der Kinder- und Bilderbuchliteratur seiner Zeit. Und das Problem löste er, indem er selbst anfing, welche zu schreiben und zu zeichnen. Er war die geniale Kombination eines Autors und Zeichners, wobei ihm seine Ausbildung zum Schriftsetzer sicher nicht geschadet hat.
    1980 erschien Erwin Mosers erstes Buch "Jenseits der großen Sümpfe", fast jedes Jahr folgten zwei bis drei neue. Erwin Moser hat zahllose Bücher veröffentlicht, er war ein ungeheuer produktiver Autor. "Die Abenteuer von Manuel und Didi" kennen sicher viele, "Boris der Kater" oder "Der Rabe Alfons". Seine Bücher sind in mehr als 20 Sprachen übersetzt, er ist mit Preisen hochdekoriert worden. Zum 60. Geburtstag bekam er ein "Erwin-Moser-Museum" in seiner österreichischen Heimatgemeinde Gols. Jetzt ist Erwin Moser im Alter von 63 Jahren gestorben. Sein Werk erscheint im Beltz Verlag, und die Verlagsleiterin Kinder- und Jugendbuch dort ist Petra L. Albers. Frau Albers – wenn Sie versuchen, einen gemeinsamen Nenner all dieser Bücher von Erwin Moser zu finden – welcher wäre der?
    Petra Albers: Das ist natürlich sehr schwer. Ich würde mal sagen, er war ein großer Künstler im Kleinen. Ich fand ihn immer faszinierend, weil er so unglaublich kleine Welten groß dargestellt hat. Er konnte über ein ganz kleines Stück Gras einen riesen Roman schreiben, und das schätzte ich sowohl im Erzählen als auch im Bildnerischen.
    Netz: Zum Zeichnerischen wollte ich Sie gerade fragen. Erwin Moser war ja nicht nur Autor, sondern auch der Illustrator seiner eigenen Geschichten. Mit Zeichnungen, die seine Genauigkeit, aber auch seinen Witz verraten. In welchem Verhältnis stehen denn bei Erwin Moser Text und Illustration?
    Albers: Ich glaube, das kommt immer darauf an, womit er angefangen hat. Hat er mit der Illustration angefangen, dann war der Text ein Beiwerk. Er hat zahllose Kalendergeschichten geschaffen, die er damals mit seinem Verleger Gelberg geschaffen hat, und da stand erst das Bild und dann kam die Geschichte dazu. Oder er hat zuerst den Roman geschaffen und dann hat er den Roman nur noch durch ganz wenige kleine Bilder vervollkommnet. Das ist wirklich eine Frage, wo hat er angefangen.
    Netz: Wissen Sie, wovon das abhing, wo er anfing, ob zuerst ein Bild oder eine Geschichte da war?
    Albers: Das weiß ich ganz ehrlich nicht. Aber ich kann mir vorstellen, das war einfach seine ganz eigene Art, auf die Dinge zu gucken. Mal stand mehr die Idee eines Plots in seinem Kopf; manchmal wurde er aber auch angeregt. Da hatte er eine kleine Geschichte geschaffen – so ist ja auch der Rabe Alfons entstanden, der Roman – und er hat mit einer kleinen Geschichte begonnen, und dann hat er sie eingereiht, ich glaube, auch in einer Sammlung zu Geschichten. Und dann kam Joachim Gelberg auf die Idee und sagte, Mensch, da ist so viel drin, mach das so und so, entwickle doch daraus einen Roman. Und dann hat er einen Roman daraus entwickelt, weil er das gut fand. Vielleicht wäre mit einer anderen Idee daraus ein großes Bilderbuch entstanden. Er war einfach in der Lage, eine Idee aufzunehmen, sie mit seinen Ideen zu verbinden und etwas ganz Großes zu schaffen.
    Moser nahm gerne Tiere als Protagonisten
    Netz: Den Raben Alfons haben Sie jetzt selbst erwähnt. Überhaupt spielen Tiere eine ganz wichtige Rolle im Werk von Erwin Moser. Fast in allen Büchern sind Tiere die Protagonisten. Das ist jetzt im Kinderbuch nicht selten, aber in dieser Dichte doch auffällig. Wissen Sie etwas darüber, was ihn an den Tieren so fasziniert hat, warum er mit ihnen offenbar lieber Geschichten erzählte als mit Menschen?
    Albers: Ich kann mir vorstellen, dass er sich freier fühlte. Er konnte andere Figuren erschaffen, sie waren nicht dicht an der Realität. Er erzählte zwar aus der Realität, aber konnte ganz fantastische Welten schaffen, ohne Fantasy zu entwickeln. Und das geht natürlich in der Fabel viel besser. Er konnte dann wieder daraus auf die Realität zum Teil auch wieder zurückreflektieren. Er war ja ein großer Fabulierer. Das geht mit Tieren immer am besten.
    Netz: Was ist denn Ihr persönliches Lieblingsbuch von Erwin Moser, Frau Albers?
    Albers: Das habe ich mir schon gedacht, dass Sie mich das fragen. Ich finde, der Raben Alfons, der hat mir immer sehr gut gefallen, aber ich liebe auch seine kleinen Erzählungen mit den großartigen Bildern. Ich bin damals als Volontärin an ihn heran. Als ich als Volontärin begonnen habe, durfte ich die Kalender betreuen, und da fing eigentlich meine Liebe mit seinem Werk an, und die waren sehr stark von diesen unglaublichen Bildern geprägt mit den kleinen Geschichten. Ich bin danach erst zu seinen Romanen gekommen und da war der Rabe Alfons in seiner Dichte und seiner poetischen Brillanz einfach umwerfend.
    Netz: Frau Albers, wen verliert denn, wenn Sie es noch mal zusammenfassen, die Kinderliteratur mit Erwin Moser?
    Albers: Er hat ja schon die letzten 16 Jahre nichts Neues machen können, weil er ja schwer krank war. Das haben ja ganz wenige Menschen letztlich nur gewusst. Wir verlieren einen großen Künstler, den wir ein Stück vielleicht in seiner neuen Schaffensphase schon vor 16 Jahren haben verlieren müssen, aber wir haben es doch alle vermocht, auch durch die große Kraft seiner Frau, diese Bücher als Klassiker zu erhalten, und deshalb verlieren wir einen Menschen, aber wir verlieren kein Werk.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.