Er habe mit der Institution Kirche manches Mal gehadert und seine Kritik aufgrund seiner phänomenalen Bildung auch gut begründen können, so Christiane Florin, die Karl Lehmann seit Jahren kannte und mehrere Interviews mit ihm geführt hatte. "Es gibt auch Bischöfe, die unliebsame Fragen ganz autoritär abbügeln. Da war er anders", so Florin.
Bemerkenswert sei das Medienecho auf Lehmanns Tod: In der oft kirchenkritischen Tageszeitung "taz" etwa sei der berührendste Nachruf zu lesen gewesen. "Überraschend ist sicherlich auch, dass ein 81-jähriger verstorbener Kardinal in den digitalen Medien - neudeutsch gesagt - trendet, dass sehr viele Menschen kundtun, dass diese Todesnachricht sie bewegt, obwohl sie ihn persönlich nicht gekannt haben."
Kirche aus der Selbstbezüglichkeit herausgeholt
Der Kardinal sei ein Mann der Mitte gewesen, schrieben viele Medien. "Aber das war nicht die langweilige Mitte, die mittelmäßige Mitte, sondern es war Standpunkt, der aus der Auseinandersetzung entstand einerseits mit der Lehre der Kirche, andererseits mit dem eigenen Denken, der eigenen Lebenserfahrung. Durch diese Haltung habe er die Kirche aus der Selbstbezüglichkeit herausgeholt.