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Zum Tod von Shimon Peres
Ein Politiker mit unbedingtem Willen zum Gestalten

Der Friedensnobelpreisträger und frühere israelische Präsident Shimon Peres ist im Alter von 93 Jahren gestorben. Peres hatte Teile seiner Familie im Holocaust verloren und war später trotzdem für eine Annäherung zu Deutschland eingetreten.

Von Torsten Teichmann | 28.09.2016
    Der frühere israelische Präsident Shimon Peres.
    Der frühere israelische Präsident Shimon Peres. (AFP - Menahem Kahana)
    In Israel sorgte Shimon Peres mit einer Standpauke zuletzt für Schlagzeilen. Eine Mahnung an die rechtsnationale Regierung und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu: "Ohne Zwei-Staaten-Lösung, ohne einen israelischen und einen palästinensischen Staat, finden wir uns in einem binationalen Staat wieder. Wir müssen heute eine schwerwiegende Entscheidung treffen, damit Israel ein Vorzeigestaat ist, ein jüdischer und demokratischer Staat."
    Eine Entscheidung für zwei Staaten bedeutet ein Ende des israelischen Siedlungsprojekts. Dabei war Peres einer der ersten Politiker, der jüdische Siedlungen im Westjordanland errichten ließ. Es ist einer der Widersprüche in seinem langen und bewegten Leben.
    Als Kind nach Palästina
    Peres wird 1923 in Wiszniewo im damaligen Polen geboren. Als 11-Jähriger bricht er mit seinem Vater ins britische Mandatsgebiet Palästina auf. Zurück bleibt der geliebte Großvater.
    An diesen erinnerte er als Staatspräsident in einer Rede 2010 vor dem Bundestag: "Ich erinnere mich an seine letzten Worte, die mir befahlen: 'Mein Junge, bleib immer ein Jude!' Die Lokomotive pfiff, der Zug setzte sich in Bewegung. Ich blickte meinem Großvater durchs Fenster nach, bis seine Gestalt verschwand. Es war das letzte Mal, dass ich ihn sah."
    Als Deutsche in Wieszniewo einmarschieren, befehlen sie allen jüdischen Bewohnern, sich in der Synagoge zu versammeln. Sie verriegeln die Türen und zünden das Holzgebäude an.
    Für Annährung zwischen Israel und Deutschland
    Trotz des Mords an der Familie trat Peres nach Ende des Zweiten Weltkriegs politisch für eine Annäherung zwischen Israel und Deutschland ein.
    1956 kommt der 33-Jährige als Generaldirektor des Verteidigungsministeriums auf den damaligen deutschen Verteidigungsminister zu, auf Franz Josef Strauß. Und wir sagten zu ihm: "Wir werden aus allen Richtungen bedroht und angegriffen. Deutschland sollte sich zum Teil für die Sicherheit Israels verantwortlich fühlen. Denn Israel ist klein und schwach, weil wir ein Drittel unseres Volkes verloren haben durch die Nazis." Strauß soll ihm damals geantwortet haben: "Das ist problematisch. Aber vielleicht können wir Waffen abgeben statt zu verkaufen."
    Der Deal blieb zunächst geheim. Es dauerte immerhin noch neun Jahre, bevor beide Staaten diplomatische Beziehungen aufnahmen. Peres erinnerte sich in einem Gespräch auch an diese Zeit: "Ich habe noch Adenauer kennengelernt. Er hatte verstanden, was getan werden muss. Zum Glück hatte er mit Ben Gurion einen Partner, der das Gleiche sagte: 'Wir müssen die Zukunft gestalten und nicht nur an die Vergangenheit erinnern.'"
    Friedensnobelpreis - Triumph und Niederlage
    Der größte Triumph im Leben von Peres war womöglich auch seine größte Niederlage. 1994 wird ihm der Friedensnobelpreis verliehen - gemeinsam mit Ministerpräsident Rabin und dem palästinensischen PLO-Chef Arafat. Ihr Verdienst sind Friedensgespräche zur Lösung des Nahost-Konflikts.
    Die Osloer Verträge gelten seit mehr als 20 Jahren. Doch der Frieden bleibt aus. "Oslo hat die Lage im Nahen Osten verändert - und das ist unumkehrbar", war Peres überzeugt.
    International angesehen, zu Hause als Opportunist verschrien
    International gewinnt Peres an Ansehen. Daheim blieb es für ihn schwer. In Israel ist Peres bei der politischen Linken als Opportunist verschrien. Auch bei denen, die ihn von Beginn an kennen. Wie der Journalist Uri Avneri - ebenfalls Jahrgang 1923: "Peres ist Peres. Im Grunde ein unernster Mensch, Ein Menschen ohne wirklichen Inhalt, ohne Prinzipien oder Werte. Er ist, was er ist. Er war immer so."
    Das rechte Lager zeichnete von Peres dagegen das Bild eines hoffnungslosen Optimisten und Träumers, der Gefahren nicht erkennt.
    Blick nach vorne gerichtet
    Peres haftete in Israel die Erinnerung an, nie eine Wahl gewonnen zu haben. Selbst die Abstimmung zum Staatspräsidenten verliert er zunächst - gegen den später verurteilten Mosche Katzav. Erst 2007 wird Peres als Präsident vereidigt.
    "Nein, ich blicke voraus auf das, was morgen passiert. Die Vergangenheit ist tot. Es macht keinen Sinn sich damit auseinanderzusetzen. Gut oder schlecht, das sollten andere beurteilen. Meine ganze Energie setze ich heute für das ein, was morgen kommt."
    Mit Peres Tod verliert Israel einen Zeitzeugen, einen Politiker mit unbedingten Willen zum Gestalten und seinen letzten wichtigen Vertreter auf internationalem Parkett.