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Zuma "fast schon so eine messianische Figur"

Der Südafrika-Experte Martin Papst hegt keinen Zweifel an einem Wahlsieg des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) bei den Parlamentswahlen in Südafrika. Trotz zahlreicher Skandale sei der ANC-Vorsitzende Jacob Zuma überaus populär. Er gelte als Mann aus dem Volke und sei ein hervorragender Redner, betonte Papst.

Martin Papst im Gespräch mit Stefan Heinlein | 22.04.2009
    Stefan Heinlein: Aids, Armut, Kriminalität und Korruption, die vier großen Probleme Südafrikas. Seit dem Ende der Apartheid Mitte der 90er Jahre hat sich die Regenbogen-Nation zwar zur stärksten Wirtschaftsmacht des Kontinents entwickelt; weite Teile der schwarzen Bevölkerungsmehrheit leben jedoch nach wie vor unter der Armutsgrenze. Der bisher allmächtige afrikanische Nationalkongress ANC könnte deshalb bei der heutigen Parlamentswahl seine komfortable Zwei-Drittel-Mehrheit verlieren. An einem Sieg der ehemaligen Befreiungsbewegung gibt es jedoch keine Zweifel. ANC-Parteichef Jacob Zuma wird trotz seiner Affären der neue Präsident am Kap. Am Telefon begrüße ich jetzt den Südafrika-Experten Martin Papst. Guten Morgen, Herr Papst.

    Martin Papst: Guten Morgen!

    Heinlein: Haben Sie noch Zweifel? Wird Jacob Zuma im kommenden Jahr als südafrikanischer Präsident die Fußballweltmeisterschaft eröffnen?

    Papst: Wenn er gesund bleibt, habe ich daran keine Zweifel. Er wird sicherlich gewählt werden, mit einer übergroßen Mehrheit. Ob es eine Zwei-Drittel-Mehrheit wir? Er wird ja indirekt gewählt; das muss man dazu sagen. Es ist keine Direktwahl des Präsidenten, aber der ANC wird wahrscheinlich eine übergroße Mehrheit bekommen und ihn dann auch zum Präsidenten wählen.

    Heinlein: Warum ist Jacob Zuma so populär, so unumstritten, trotz seiner Affären und Skandale?

    Papst: Umstritten ist er natürlich. Es gibt eine ganze Reihe und auch zahlreiche Zuma-Gegner in Südafrika, aber er hat natürlich auch immensen Rückhalt. Er hat deshalb immensen Rückhalt, weil er populär ist, weil er aus dem Volk kommt. Er ist der erste ANC-Politiker in einer wirklich führenden Position, der sozusagen sich von ganz unten empor gearbeitet hat, also das genaue Gegenteil eigentlich von Thabo Mbeki.

    Heinlein: Ist Zuma also eine Art Identifikationsfigur für die schwarze arme Bevölkerungsmehrheit?

    Papst: Auf jeden Fall, fast schon so eine messianische Figur. Und das zweite ist: Er ist natürlich auch ein charismatischer Politiker. Er kann die Massen begeistern, er ist ein hervorragender Redner, er kann sich auf ein völlig unterschiedliches Publikum einstellen und jeweils sozusagen dessen Nerv treffen.

    Heinlein: Im Wahlkampf hat sich ja Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela überraschend an die Seite von Zuma gestellt. War dies der endgültige Ritterschlag für Zuma?

    Papst: Ja. Mandela hat relativ spät sich hier geoutet und Zuma unterstützt. Er hat das sicherlich auch aus Solidarität mit dem ANC gemacht. Mandela hat hier sicherlich auch keine richtige Alternative. Wie gesagt: Auch Südafrika wird keine Alternative haben. Zuma wird zum neuen Präsidenten gewählt werden und insofern war es natürlich fast selbstverständlich, dass Mandela für seine Partei sich hier auch in die Bresche warf.

    Heinlein: Ein guter Redner, ein großes Charisma, sagen Sie. Was hat denn Zuma inhaltlich zu bieten, um die großen Probleme seines Landes zu lösen?

    Papst: Das ist so ein bisschen die Frage. Der ganze Wahlkampf - daran sind natürlich auch die Medien schuld - geht sehr um Personen, vor allem um Zuma. Der ANC, die ANC-Allianz, muss man besser sagen, weil es nicht nur die Partei ist, sondern auch weitere verbündete Gruppen wie die Kommunistische Partei oder der Gewerkschaftsbund Cosatu, hat den Wahlkampf sehr stark auf die Person von Zuma zentriert, und das hat doch die Kampagne beherrscht. Die Themen sind natürlich die schon von Ihrem Korrespondenten angesprochene Korruption und Staatsversagen, Kriminalität, Armut, Arbeitslosigkeit, auch Erziehung und Gesundheit spielen eine wesentliche Rolle. Hier sind es natürlich Versprechungen. Zuma will also im wirtschaftlichen Bereich, im sozialen Bereich eine stärkere Verantwortung des Staates, dass er interventionistischer ist, staatliche Programme auflegt. Ob das funktioniert, ob das wirklich so kommt, das ist natürlich die große Frage. Versprechungen, die Korruption zu bekämpfen, die Ineffizienz in den Ministerien, in der Verwaltung, oder auch die Kriminalität zu bekämpfen, das sind natürlich Absichtserklärungen, wo es natürlich schon jetzt schwer zu beurteilen ist, ob da wirklich entsprechende gute Maßnahmen getroffen werden.

    Heinlein: Es gibt ja in diesem Zusammenhang, Herr Papst, viele Vorwürfe gegen den ANC: die Vermischung von Partei- und Staatsinteressen, also Korruption und Vetternwirtschaft. Wie berechtigt sind denn diese Vorwürfe?

    Papst: Jein, würde ich sagen. Im afrikanischen Vergleich ist Südafrika sicher noch ein Land, was vergleichsweise gut abschneidet im Bereich Korruption. Aber man muss auch gerechterweise sagen: Schon das weiße Apartheid-Regime hatte in den letzten Jahren seiner Existenz viele Korruptionsfälle, aber auch unter der Führung des ANC hat die Korruption doch deutlich zugenommen. Es gibt so schöne Bonmons, dass zum Beispiel die neue Nationalhymne "love me tender" sei, der Tender, die Ausschreibung, die häufig eben an Günstlinge der Regierenden geht. Hier muss man allerdings sagen, natürlich auch fairerweise, es war vor allem natürlich die alte ANC-Führung unter Mbeki, die hier natürlich eine hohe Verantwortung trug. Sicher: Jacob Zuma war Vizepräsident, ist aber schon seit einigen Jahren abgelöst. Man kann es nicht jetzt Zuma speziell anlasten, aber in der Tat: im ANC, vor allem auch auf lokaler und provinzieller Ebene, fast noch mehr als auf nationaler Ebene, hat sich Korruption breit gemacht.

    Heinlein: Sie haben es in Ihrer ersten Antwort erwähnt. Die Zwei-Drittel-Mehrheit für den ANC könnte in Gefahr geraten. Ist das umgekehrt vielleicht sogar positiv für die politische Kultur des Landes, wenn die bisherige Machtvollkommenheit des ANC bröckelt?

    Papst: Ja, natürlich. Als externer Beobachter muss man das natürlich so sehen, und viele Südafrikaner sehen das auch so. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit, auch wenn sie demokratisch natürlich erkämpft wurde, bildet immer die Gefahr, dass man sich sozusagen auf der Macht ausruht und den Bezug zum Volk verliert und auch eigene Entscheidungen durchdrückt, ohne wirkliches Korrektiv. Der ANC hat ja das letzte Mal bei der letzten Wahl knapp diese Zwei-Drittel-Mehrheit übersprungen. Er könnte sie vielleicht sogar, wenn er viel Glück hat, verteidigen, aber es ist ja durchaus auch die Aussicht, dass er sie nicht erreichen wird. Man darf aber nicht vergessen, dass es natürlich eine ganze Reihe von Kleinparteien geben wird, mit denen der ANC koalieren könnte.

    Heinlein: Frage zum Schluss, Herr Papst. Ist Südafrika trotz aller Probleme, über die wir gerade gesprochen haben, immer noch ein positives Beispiel für das friedliche Miteinander der Hautfarben und Kulturen gerade in Afrika?

    Papst: Ja. Das würde ich insbesondere im afrikanischen Vergleich natürlich auch sagen. Das südliche Afrika ist eine Zone der Stabilität, wobei die Risse natürlich ganz klar da sind, vor allem auch in Südafrika. Südafrika ist natürlich der Ankerstaat überhaupt Subsahara-Afrikas aufgrund seiner wirtschaftlichen Potenz und die massiven Risse, die Südafrika hat, die jetzt auch entschieden bekämpft werden müssen, insbesondere Korruption, aber noch mehr die staatliche Ineffizienz in Ministerien und auch die extrem hohe Gewaltkriminalität, die wirklich den inneren Frieden zukünftig gefährden könnten, diese Risse müssen massiv bekämpft werden. Hier steht wirklich Jacob Zuma und der ANC in der Pflicht.

    Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk der Südafrika-Experte Martin Papst zu den heutigen Wahlen am Kap. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.