Freitag, 29. März 2024

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Zur Situation im Iran
"Alles ist verboten, was Freude macht"

Nach der Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA drohen dem Iran neue Sanktionen. Eine Liberalisierung im Land sei ohnehin nicht zu erwarten gewesen, denn über dem Präsidenten stehe als Hardliner und Verfechter der Scharia der religiöse Führer, meint der Journalist Farhad Payar. "Dieser Konflikt steckt schon in der Verfassung", sagt er im Dlf.

Farhad Payar im Gespräch mit Karin Fischer | 13.05.2018
    Sie sehen viele Menschen am Haupteingang des Basars von Teheran.
    Der Große Basar von Teheran - eine Welt für sich (Deutschlandradio / Jörg-Christian Schillmöller)
    Nach 36 Jahren Sanktionspolitik gegenüber Iran sei das Land wirtschaftlich am Boden. Zwar sind über 60 Prozent aller Studierenden in der Islamischen Republik weiblich, doch das Regime habe keinerlei Interesse an einer Emanzipation der Frau: "Auch Rohani ist ein Mullah, ein islamischer Priester", sagt Farhad Payar. Gut ausgebildete Wissenschaftler verlassen scharenweise das Land. Der Braindrain sei enorm, weil das System keine persönlichen Freiheiten zulasse. "Alles ist verboten, was Freude macht im Iran", sagt Farhad Payar. Nach Einschätzung der UNO verliere der Iran jährlich 50 Millionen Dollar durch die Intelligenzflucht.
    Aktuelle Aufnahme von Farhad Payar
    Durch die Intelligenzflucht geht dem Iran viel Kapital verloren, sagt Journalist Farhad Payar (Deutschlandradio / privat (Payar))
    Bestimmte Freiheiten habe das Regime dennoch schon immer hinter geschlossenen Türen erlaubt. "Zum Beispiel: Der Schriftstellerverband ist verboten, seit ewigen Zeiten, hat sich aber immer privat getroffen. Viele Bücher, die herauskamen, wurden später aber vom Markt genommen", so Payar. Das Internet leiste einen Riesenbeitrag dazu, dass die Iraner innerhalb und außerhalb des Landes miteinander in Kontakt kämen: "Das heißt, das Regime hat versucht, mit veralteten Mitteln eine Ideologie durchzusetzen, die zur heutigen Zeit nicht passt. Und die jungen Leute benutzen diese Mittel, Internet und Handy, um für sich eine von den Machthabern getrennte Welt zu schaffen."
    "Jeder Mullah kann dafür sorgen, dass ein Theaterstück verboten wird"
    Eine Kulturszene im Iran gibt es laut Farhad Payar praktisch nur in Teheran. Um nicht zu sehr von der Zensurbehörde gegängelt zu werden, hätten sich Kulturschaffende zunehmend apolitischen Themen zugewandt: "Kunst und Kultur verkommen immer mehr zur Unterhaltung, die, sagen wir, im Sinne der Machthaber ist." Kultur zu fördern sei aber auch nie das Ziel der Kulturbehörde gewesen: "Kultur zu zensieren, Kulturfortschritt zu stoppen, war immer die Hauptaufgabe des Kulturministeriums".
    In Sachen Zensur hätten viele Autoritäten ein Wort mitzureden, die Revolutionsgarden oder andere religiöse Institutionen: "Der Freitagsprediger in jeder Stadt kann ein Konzert verbieten oder einen Film von der Leinwand holen. Es gibt da gar keine Richtlinien, an die sich Künstler halten könnten. Das ist ja das Problem: Jeder Mullah kann dafür sorgen, dass ein Theaterstück verboten wird, dass eine Ausstellung nicht zustande kommt."
    Der Journalist, Filmemacher, Schauspieler und Theatermacher Farhad Payar kam 1980 nach Berlin, studierte Politologie und arbeitet heute als Redaktionsleiter des Onlinemagazins "Iran Journal".