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Zurück zur ZVS?

Wer gut ist, bekommt zahlreiche Studienplätze angeboten; wer schlechtere Noten hat, hat wenig Chancen. Das ist eine Folge der dezentralen Studienplatzvergabe. Wissenschaftler aus Mainz und Regensburg haben deswegen Verbesserungsvorschläge für das Vergabesystem von Studienplätzen ausgearbeitet.

Von Anke Petermann | 15.01.2010
    Der Jurastudent Tonio Boger hat sich an drei Hochschulen in Baden-Württemberg beworben und ist inzwischen nach Mainz gewechselt:

    "Ich habe mich direkt bei den Unis bewerben müssen. Da gab es ein Auswahlverfahren. Man musste angeben, in welchen Fächern - Mathe, Deutsch, Geschichte - man gut war. Dann gab es ein Ranking, und dann kam irgendwann die Zusage."

    Ein persönliches Auswahlverfahren?

    "Nein, aber es war ein scheinbares Auswahlverfahren. Es wurde auf die Note geachtet, mehr nicht. Es war nicht so, dass ich eingeladen worden wäre oder ein Motivationsschreiben hätte schreiben müssen."

    Wenn die Hochschulen aufgrund der Bewerberfülle ohnehin keine fundierte persönliche Auswahl vornehmen können, so meint ein Forschertrio aus Mainz und Regensburg, dann solle man doch besser wieder auf die Zentrale Studienplatzvergabe zurückgreifen. Die sei den Direktbewerbungen an den Hochschulen überlegen und könne noch verbessert werden, fanden die Naturwissenschaftler mit Hilfe von Computersimulationen heraus. Das Problem des dezentralen Bewerbungsverfahrens sei nämlich, so der Mainzer Physiker Johannes Josef Schneider,

    "… dass sich viele Schulabgänger nicht nur bei einer, sondern bei verschiedenen Unis bewerben, sodass die Besten unter ihnen mehrere Zusagen bekommen, während mittelgute Bewerber, die früher noch über die ZVS ihren Studienplatz bekommen hätten, heutzutage nur noch Absagen erhalten."

    Nachrücken über eine Warteliste oder immer wieder neu bewerben, sind die wenig attraktiven Perspektiven für Bewerber mit schwächeren Noten. Also besser zurück zur zentralen Studienplatzvergabe? Tonio Boger schüttelt den Kopf:

    "In meinem Fall kann ich das nicht sagen. Ich wurde überall genommen. Aber was man liest, wäre es in manchen Bereichen sinnvoll, damit die Leute nicht dreimal … - also ich bin dann in Heidelberg erst im dritten Nachrückverfahren reingekommen, und dann hatte ich mich woanders eingeschrieben und habe nicht in Heidelberg studiert. Es gab deshalb so viele Nachrückverfahren, weil so viele Abgesagt haben. Und das ließe sich vermeiden, hätte man eine ZVS-Vergabe."

    Zehn bis 20 Prozent der Studienplätze blieben an den Hochschulen im vergangen Semester frei, aufwändig und inneffizient sei das Direktbewerbungsverfahren, bemängelt Johannes Josef Schneider und schlägt eine runderneuerte Form der zentralen Vergabe vor: Jeder Bewerber hat 100 Punkte zu vergeben. Wer unbedingt in Heidelberg studieren will, gibt Heidelberg 100 Punkte. Wer in einer Großstadt studieren will, vergibt je 25 an Berlin, Hamburg, Köln und München.

    "Und nun kann man mithilfe physikalischer Optimierungsverfahren diese Bewerber wesentlich besser auf Wunschuniversitäten verteilen, als es früher der Fall war, indem man ihre Wünsche nicht hintereinander berücksichtigt, sondern parallel."

    Ein Verfahren, mit dem man die Zahl der von der ZVS frustrierten Studienbewerber halbieren könne, so hat der Mainzer Physiker in einer Computersimulation nachgewiesen. Doch inzwischen haben sich Bund, Länder und die Hochschulrektorenkonferenz auf folgendes Procedere geeinigt: In diesem Jahr sollen unbesetzte Studienplätze nochmals mithilfe verschiedener Internetbörsen vermittelt werden.

    Vom kommenden Jahr an gibt es eine bundeinheitliche Bewerbungsfrist bis zum 15. Juli, die Hochschulen wählen aus, verschicken an die Ausgewählten ein Zulassungsangebot, schalten gleichzeitig eine Warteliste frei, eine Nachvermittlung ist bis September möglich. Die ZVS soll also zu einer reinen Service-Agentur der Hochschulen umgebaut werden. Ob die zentrale Vergabe durch die Erkenntnisse des Forschertrios noch einmal wiederbelebt wird, bleibt offen.

    Die offizielle Bewerbungsfrist an den deutschen Hochschulen ist abgelaufen. Doch auch jetzt gibt es noch gute Chancen auf einen Studienplatz: Wie bereits im vergangenen Semester veröffentlichen Hochschulen ihre freien Plätze nach Bewerbungsschluss auf der kostenlosen, bundesweiten Studienplatzbörse von studieren.de