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Zusätze auf dem Prüfstand

Zusatzstoffe in Lebensmitteln sind bei vielen Verbrauchern unbeliebt, die Lebensmittelindustrie hält sie aber für unverzichtbar. Dafür lassen sich zwar Gründe anführen, Verbraucherschützer forderten bei einer Tagung der deutschen Gesellschaft für Ernährung strengere Regeln.

Von Thomas Wagner | 08.10.2010
    Das Auge isst mit - ein alter Grundsatz, den sich auch Ernährungsexperten zueigen machen. Professor Peter Grimm, Geschäftsführer der Sektion Baden-Württemberg der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, hat deshalb eine Torte mit in den Hörsaal gebracht, eine besonders schöne Torte:

    "Sie enthält zweierlei Zusatzstoffe. Sie ist ja schön bunt, farbig. Und sie enthält Farbstoffe, die etwas blasser sind. Und das sind eigentlich die eher Unbedenklichen. Und die richtig grellen Farben an dieser Torte, das sind die sogenannten Azo-Farbstoffe. Und die müssen seit wenigen Wochen extra deklariert werden. Da muss ein Zusatz drauf auf die Packung: 'Kann die Aufmerksamkeit von Kindern beeinträchtigen'."

    Dahinter steckt eine Initiative der European Food Safety Authority, kurz EFSA. Das ist verbirgt sich die Europäische Lebensmittel-Sicherheitsbehörde. Und die stellt derzeit alle 300 Lebensmittel-Zusatzstoffe, die bereits auf einer sogenannten Positivliste stehen und daher verwendet werden dürfen, erneut auf den Prüfstand. Die sogenannten Azo-Farbstoffe dürfen zukünftig nur mit diesem Zusatz auf den Markt kommen - was zur Folge hat, dass sie in absehbarer Zeit wohl ganz aus den Regalen verschwinden, so Peter Grimm von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung:

    "Ich gehe davon aus, dass diese Farben, die mit diesem Hinweis gekennzeichnet werden müssen, die wird es in Zukunft nicht mehr geben, weil der Verkauf wird solche Produkte nicht mehr kaufen, wo draufsteht, dass das irgendetwas drin ist, was Verhaltensauffälligkeiten induzieren kann."

    - eigentlich ein Grund zum Frohlocken bei den Verbraucherschutz-Organisationen. Die aber zeigen sich eher skeptisch: Vor allem die Hinweispflicht auf Zusatzstoffe in bestimmten Lebensmitteln sei nach wie vor sehr unzureichend. Nach der derzeitigen europäischen Regelung trägt jeder zugelassene Zusatzstoff eine sogenannte E-Nummer. Enthält ein Lebensmittel diesen Zusatzstoff, muss dies durch die E-Nummer dokumentiert werden. Ob der Verbraucher damit wirklich etwas anfangen kann, bezweifelt Claudia Weiß von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg:

    "Ein ganz großer Kritikpunkt: Unter einer E-Nummer kann sich der Verbraucher gar nichts vorstellen. Es sollte die Substanz genannt werden. Dann kann der Verbraucher das ganz anders einsortieren, beziehungsweise die Zusatzstoffe, die er meiden möchte, kennt er dann sofort wieder."

    Als ebenso unzureichend empfindet sie die Hinweispflicht auf Zusatzstoffe in der Gastronomie. Dort gelten andere, lockere Regelungen als im Handel.

    "Meistens erhalten Sie nur die Zusatzstoffklasse. Zum Beispiel mit Farbstoff, mit Konservierungsstoff. Aber sie kennen nicht die einzelne Substanz: Um welchen Farbstoff handelt es sich? Und um welchen Konservierungsstoff?"

    Hier sieht die Expertin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg Nachbesserungsbedarf. Denn für viele Menschen ist es wichtig, über die Zusatzstoffe in ihrer Nahrung Bescheid zu wissen, auch wenn sie ins Feinschmecker-Restaurant gehen. Denn manche von ihnen reagieren mit sogenannten Pseudo-Allergien auf Zusatzstoffen in den Lebensmitteln, so Juliane Rieker von der Klinik für Dermatologie und Allergologie Bad Canstatt:

    "Und diese Pseudo-Allergien können ganz unspezifisch Symptome auslösen wie zum Beispiel Magen-Darm-Beschwerden in Form von Blähungen, gehäufte Stuhlgänge, Übelkeit, aber auch Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden, Schwellungen im Gesichtsbereich im akuten Fall."

    Um solche Symptome zu vermeiden, müssten Zusatzstoffe auch auf den Speisekarten explizit ausgewiesen werden - eine Forderung der Verbraucherzentralen, die trotz aller in Hohenheim diskutierten Verschärfungen bislang noch nicht umgesetzt wurde.