Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Zuviel des Guten

Umwelt. - Dank sicherer und langer Sonneneinstrahlung produzieren US-Weingüter große Mengen qualitativ guter Weine zu geringen Kosten. Doch damit könnte es zukünftig vorbei sein, denn wegen der Klimaverschiebung könnten die Spitzenlagen geradezu verbrennen.

Von Volker Mrasek | 26.09.2006
    Napa und Sonoma Valley. Die Namen sind Musik in den Ohren von Weinkennern. Aus diesen Anbaugebieten stammen die besten Tropfen Kaliforniens: fruchtige Weißweine aus der Chardonnay-Traube genauso wie opulente Rotweine aus Cabernet Sauvignon. Doch auf der Landkarte von Michael White sind die Rebflächen des Sonnenstaates nur noch Rudimente. Die Karte versetzt den Umweltwissenschaftler von der Staatsuniversität in Utah in die Zukunft. Sie zeigt, wie sich die Klimaerwärmung auf den Weinbau in den USA auswirken dürfte:

    "Die Anbauflächen, auf denen sich Jahr für Jahr hochwertige Weine produzieren lassen, gehen nach unseren Ergebnissen um rund 50 Prozent zurück."

    So weit könnte es nach der Klimastudie von White und einigen Kollegen um das Jahr 2070 herum kommen. Bei weiter zunehmenden Treibhausgasen in der Atmosphäre gehen dann nicht nur die Durchschnittstemperaturen in die Höhe. Auch extreme Hitzetage werden sicher zunehmen:

    "In den Spitzen-Anbauregionen steigt die Temperatur heute allenfalls an 14 Tagen im Jahr über 35 Grad Celsius. In der Zukunft ändert sich das dramatisch. Dann werden drei Wochen mehr mit so starker Hitze nichts Ungewöhnliches an der US-Westküste sein."

    Es ist schon richtig: Über 90 Prozent der US-Weine kommen aus Kalifornien, gerade weil das Klima an der Pazifikküste so viel Sonne zu bieten hat. Das garantiert vollreife Trauben mit hohen Zuckergehalten. Doch ein guter Wein braucht mehr. Zum Beispiel ein "harmonisches Säurespiel", wie der Winzer sagt. Ohne eine Prise verschiedener Stoffe wie Wein-, Bernstein- und Äpfelsäure in den Trauben fehlt es dem Wein später am ausgeprägten Aroma. Dieses Risiko wächst, je höher der Hitzestress im Weinberg ist, wie Michael White erläutert:

    "In jüngeren Studien ist Äpfelsäure als wichtigste Komponente identifiziert worden, wenn es um das Aroma von Qualitätsweinen geht. Und diese Säure reagiert sehr empfindlich auf hohe Außentemperaturen. Ihr Gehalt in den Trauben geht stark zurück, wenn die Zahl extrem heißer Tage während der Reifezeit steigt. Es fehlt dann an entscheidenden Aromastoffen für die Erzeugung von Spitzenweinen."

    Die Forscher rechnen auch mit Veränderungen im Sortenspektrum. Im Nordwesten der USA, im Bundesstaat Oregon, wird zum Beispiel ein passabler Spätburgunder produziert. Doch diese rote Rebsorte ist besonders hitzeempfindlich. Die Klimaerwärmung könnte deshalb das Aus für Spitzen-Burgunder made in Oregon bedeuten. Insgesamt sollen die Ernteerträge in den USA zwar nicht unbedingt sinken. Doch die Forscher sehen einen generellen Trend: Es werde immer weniger Spitzengewächse geben und dafür umso mehr Allerweltsweine. Das ist starker Tobak für die Qualitätswinzer in den Staaten. In ersten Reaktionen musste sich Michael White bereits eine Menge Kritik anhören:

    "Die Weinwirtschaft hält nicht so viel von Studien unserer Art. Sie beharrt darauf, dass es technische Lösungen gibt, um mit der Klimaänderung fertig zu werden. Man kann zum Beispiel Rebstöcke so beschneiden, dass ihre Blätter die Trauben besser vor Hitze schützen. Aber ich glaube, irgendwann wird sich das Klima so stark erwärmt haben, dass solche Maßnahmen nicht mehr weiterhelfen."

    Auch für Deutschland liegen bereits regionale Wein-Klima-Studien vor. Sie entwerfen zwar kein so dramatisches Bild wie in den USA. Aber auch die wichtigste Rebsorte hierzulande, der Riesling, ist hitzeanfällig. Es werde weiter exzellente deutsche Weißweine geben, aber wohl nicht von Mosel und Saar, wo sie heute noch herkommen. Das sagt einer der Studienautoren, Manfred Stock vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung:

    "Wir haben die Befürchtung, dass der Riesling dort bestimmte typische Charaktereigenschaften verlieren könnte, weil der Säureabbau durch zu hohe Temperaturen zu stark vorangeht."