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Zwangsabgabe auf Bankeinlagen ist ein "gewisser Tabubruch"

Eigentlich gehe man davon aus, dass im europäischen Währungssystem die Einlagen gedeckt seien. Die geplante Beteiligung von Bankkunden an der Zypern-Rettung sei insofern ein "Überschreiten des Rubikons", sagt Udo Steffens. Die deutschen Sparer müssten sich aber keine Sorgen machen, so der Präsident der Frankfurt School of Finance and Management.

Udo Steffens im Gespräch mit Christiane Kaess | 18.03.2013
    Christiane Kaess: Die Entscheidung der Europäischen Union, auf Zypern einen Teil der Bankguthaben zu konfiszieren, hat auf der Mittelmeerinsel einen Sturm der Entrüstung und ein politisches Chaos ausgelöst. Nicht wenige sprechen sogar von Erpressung. Die Zentralbank hat vorsorglich gleich einmal jegliche Transaktionen verboten und heute bleiben die Banken erst einmal geschlossen. Das Parlament soll heute Nachmittag über das umstrittene Rettungspaket abstimmen.

    Und auch in Deutschland wird kontrovers diskutiert über die Maßnahmen zur Rettung des Euro-Landes Zypern, obwohl man sich über die umstrittene Beteiligung der Sparer weitestgehend einig ist und wiederum Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble der Meinung der Opposition zustimmt, dass eigentlich die Kleinsparer ausgenommen werden müssten.

    Am Telefon begrüße ich jetzt Udo Steffens, er ist Präsident der Frankfurt School of Finance and Management. Guten Tag!

    Udo Steffens: Guten Tag.

    Kaess: Herr Steffens, halten Sie die Entscheidung, Sparer an den Kosten, an den Rettungskosten für Zypern zu beteiligen, für richtig?

    Steffens: Es ist, gesehen den speziellen Fall Zypern, sicherlich eine Entscheidung, die in die richtige Richtung geht. Gleichwohl müssen wir sehen: das ist ein gewisser Tabubruch, der damit einher geht, denn üblicherweise gehen wir davon aus, dass im europäischen Währungssystem die Einlagen, seien es Spareinlagen oder auch größere Einlagen, zumindest durch die Einlagensicherung gedeckt sind.

    Kaess: Also grundsätzlich sagen aber auch Sie: Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen?

    Steffens: Ja man muss sehen: Zypern ist ein spezieller Fall. Wir haben ungefähr ein Bruttosozialprodukt von 24 Milliarden und ein Banksystem, zumindest die Größe der Einlagen, von ungefähr 70 Milliarden. Wir haben also eine gewisse Disproportionalität zwischen ökonomischer Größe, also der Realwirtschaft, wenn Sie so wollen, und den Einlagen. Und das gibt Anlass zu denken, warum ist das denn eigentlich so, und viele wissen und es gibt auch eine gewisse Klarheit darüber, dass Zypern eben genutzt wurde insbesondere von Anlegern aus der Russischen Föderation, um hier nahe im Euroraum unterwegs zu sein und damit eben auch die Sicherheitselemente dort genießen zu können. Und da sagt man jetzt, die größeren Einlagen sind eben mit 9,9 Prozent dabei, sie werden besteuert mit 9,9 Prozent.

    Kaess: Aus Ihrer ersten Antwort habe ich rechtliche Bedenken herausgehört. Welche sind das genau?

    Steffens: Na ja, üblicherweise, wenn Sie Geld anlegen, meinen Sie als nicht so informierter Anleger, Sie seien durch die Einlagensicherung der europäischen Gemeinschaft – in Deutschland ist sie sogar noch höher als 100.000, aber Gesetz ist eben 100.000 in der europäischen Gemeinschaft. Nun muss man genau auf die Details achten, denn die Einlagensicherung greift dann, wenn die Banken sozusagen nicht weitergeführt wird, sprich Pleite geht. Dann bekommt man seine Einlagen zurückbezahlt. Dies ist aber nicht der Fall, sondern meine Einlagen werden in der Weise gesichert, dass die Bank weitergeführt werden kann, indem der Regierung eben ein zusätzlicher Kredit von bis zu zehn Milliarden durch das ESM, also European Stability Mechanism, gegeben wird. Damit geht die Bank weiter und es ist eben auch kein Fall der Einlagensicherung, sondern es wird eine Steuer letztlich formalrechtlich auf die Einlagen erhoben.

    Kaess: Das heißt, rechtlich gesehen sind diese Maßnahmen völlig in Ordnung?

    Steffens: Das kann man so machen. Man kann als Souverän, sprich wenn das Parlament dem zustimmt, natürlich ein Gesetz immer durch ein neues Gesetz ändern, wenn das im Rahmen der Verfassung stattfindet, und ich denke nicht, dass es hier Verfassungsprobleme geben kann.

    Kaess: Was bedeutet das für die Vertrauensfrage?

    Steffens: Na ja, das ist schon so was wie ein Überschreiten des Rubikons, wenn auch am Rand der Europäischen Union, der europäischen Währungsgemeinschaft, und viele, die sich fragen, habe ich Geld, also der Sparer, der Anleger wird sich fragen, ist mein Geld wirklich in den verschiedenen Konten auf Dauer dann noch sicher. Und wir sehen ja schon eine gewisse Flucht in Sachwerte, insbesondere in Grundstücke, Häuser und so weiter und so weiter, sodass das sicherlich nicht das Vertrauen in das europäische Währungssystem insgesamt stützt.

    Kaess: Experten vermuten ja, das haben Sie gerade vorhin auch schon angesprochen, dass ein großer Teil der Bankguthaben im ohnehin überdimensionierten Bankensektor Zyperns Schwarzgeld ist. Rechtfertigt das denn, dieses Geld zu nutzen für die Rettung des Landes?

    Steffens: Na ja, es rechtfertigt es insofern, als natürlich jeder, der in einer Bankgemeinschaft sein Geld anlegt, das Offshore-Charakter hat, sich bewusst sein muss, dass dieses ein höheres Risiko ist, als wenn man es bei einer deutschen Bank, einer Sparkasse in einem Land etc. pp. anlegt. Und wenn wir immer, der Staat und letztlich dann am Ende der Tages wir alle, diese Dinge nicht wirklich zu einem Risiko werden lassen, sodass auch mal ein kleiner, und wenn es auch nur ein kleinster Schnitt ist, passieren kann, dann wird eben diese Geschichte weitergehen. Denn die Politik, Zypern zu retten, ist insofern konsistent mit der bisherigen Politik der europäischen Gemeinschaft und auch des Währungsfonds, indem man letztlich keinen Staat und kein Bankensystem wirklich hat fallen gelassen. In diesem Fall sagt man aber, ihr Einleger, ihr hättet das wissen können, zumindest ihr größeren, ihr werdet jetzt beteiligt, und den Kollateralschaden, dass eben auch kleinere Einleger dann mit 6,75 Prozent, glaube ich, dabei sind, nimmt man billigend in Kauf.

    Kaess: Wäre es denn sinnvoller gewesen, große Anlagen zum Teil in Bankanteile umzuwandeln und damit die Banken zu sanieren?

    Steffens: Das kann man immer machen, also ein debt-to-equity swap, wie es dann so schön heißt. Das ist aber dann noch komplizierter und dauert auch länger. Man hört aus der deutschen Delegation, dass man ja durchaus der Meinung war, hier die kleineren Anleger zu schonen. Diese Initiative, alle gleich zu behandeln mit den zwei unterschiedlichen Sätzen, 6,75 bis 100.000 und 9,9 ab 100.000, ist im wesentlichen aufgrund des Drucks der Troika entstanden, also Europäischer Währungsfonds, EZB und dann die Europäische Union, und von daher ist das sicherlich ein Kompromiss, weil Deutschland ohnehin sich ja fragt, ist Zypern systemisch wirklich relevant mit dieser schon genannten Größe des Bruttosozialprodukts und einem sehr überdimensionierten Bankensystem.

    Kaess: Glauben Sie denn, dass es noch gelingen wird, die Kleinsparer auszunehmen von dieser Beteiligung?

    Steffens: Es beginnt jetzt das übliche Spiel, was ja in der Politik dann immer so losgeht: es wird moderiert, es wird nach Gerechtigkeit gerufen. Das kann man sicherlich machen. Das bringt sicherlich für die politische Hygiene und politische Kultur einiges. Aber es bringt natürlich in der Summe nicht so viel. Von daher kann man das machen. Man muss sich allerdings dessen bewusst sein, dass eben die Anlage in Geld dem Grunde nach immer ein Risiko bleibt, und ganz davon frei machen kann man eben den Anleger auch nicht und er muss sich einfach genau überlegen, wo legt er sein Geld an, bei welcher Institution legt er an und wie ist die Stabilität des Geldsystems in dem spezifischen Land.

    Kaess: Welche Unterschiede müsste man da genau machen?

    Steffens: Na ja, ich hatte ja schon gesagt: Zypern hat Offshore-Charakter. Es ist viel Geld verdient worden von den zypriotischen Banken und die nächste Frage ist dann immer, das was dort verdient worden ist, wo ist denn das jetzt, und es wird ja irgendwo sein. Und jetzt kommt es eben zu dem berühmten Fall der Fälle und die Frage ist, wer wird beteiligt, wie wird man die entsprechenden gerechten Schnitte setzen. Man hat sich jetzt für diese Maßnahme entschieden und jeder, der in der Europäischen Union, der Europäischen Währungsunion jetzt Anlagen hat, wird sich natürlich fragen, insbesondere in den Ländern des südlichen Randes der Europäischen Union, kann das hier auch passieren, dass man auf meine Einlagen, wenn Sie so wollen, eine Steuer erhebt, was insgesamt dann eben zu der Grundproblematik führt in dieser Krisenbewältigung, derjenige, der Schulden hat, ist tendenziell gut gestellt, und derjenige, der Spareinlagen hat oder Forderungen an Lebensversicherungen, ist eben in diesen nominalen Größen, sprich Geld unterwegs. Und da muss man sich halt fragen, wer hat eigentlich die meisten Schulden in diesem System, und das sind zweifellos die öffentlichen Hände.

    Kaess: Müssen sich deutsche Sparer in diesem Zusammenhang auch Sorgen machen, wie sicher ihr Geld bei den Banken ist?

    Steffens: Nein. Ich glaube, wir haben da überhaupt keinen Anlass, in diese Richtung zu denken. Wir haben ein weit über diese 100.000 Euro hinausgehendes Einlagensicherungssystem aller drei Säulen, also der genossenschaftlich organisierten Banken, der Sparkassen und der privaten Banken. Das geht oft in viele Millionen für das Individuum. Von daher gibt es keinen Anlass, hier irgendwelche Sorgen zu haben. Unser Geld im deutschen Bankensystem ist sicher.

    Kaess: Herr Steffens, noch kurz zum Schluss. Wir sehen heute eine große Verunsicherung auf den Aktienmärkten. Kann sich die Euro-Krise wieder verschärfen?

    Steffens: Sie kann sich. Wir sagen ja, seit Politik wie auch Wissenschaft sagt, die Krise ist nicht bewältigt. Es wird immer noch auf Sicht gefahren und immer wieder poppen neue Probleme auf. Sie kann sich natürlich verschärfen, das ist in einer solchen Krisenentwicklung nicht mehr ganz vorhersehbar. Aber ich denke, es sind eine Vielzahl von Mechanismen in Position gebracht worden. Die Europäische Zentralbank hat unter durchaus großer Dehnung ihres Mandates gesagt, sie wird jede Bank, die darum bittet, refinanzieren. Das heißt, wenn die Leute ihr Geld aus den Banken herausnehmen, wird die Europäische Zentralbank dieses ersetzen durch eben Einlagen und Kredite. Von daher wird das System weiter liquide gehalten werden. Die Frage ist, was passiert in fünf, sechs, sieben Jahren mit diesen riesigen Geldmengen.

    Kaess: Udo Steffens war das, er ist Präsident der Frankfurt School of Finance and Management. Danke für das Gespräch.

    Steffens: Ich danke Ihnen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.