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Zwangsarbeit in der DDR
Schwerpunktthema: Alles nach Plan

Jahrzehntelang hat der schwedische Möbelkonzern Ikea auch mit Produkten Gewinne gemacht, die in der DDR produziert wurden, zum Teil von Menschen, die unter Zwang in den DDR-Gefängnissen zur Arbeit verpflichtet wurden. Damit stand das Unternehmen nicht alleine da.

Von Isabel Fannrich-Lautenschläger | 21.11.2013
    Nicht alle DDR-Produkte haben ihre Herkunft offenbart. So sahen die westdeutschen Konsumenten beispielsweise der Bettwäsche, die Quelle oder Neckermann in ihren Katalogen führten, nicht an, dass Frauen im Gefängnis Hoheneck sie genäht hatten. Anderes dagegen war typisch DDR und in der Bundesrepublik hoch begehrt – aber gleichfalls von zweifelhaftem Ursprung:
    "Also in Cottbus haben wir Pentacon-Kameras hergestellt, Spiegelreflex-Kameras, gefeilt mit sehr groben und großen Feilen und in einem unwahrscheinlichen Akkord. Das heisst, wir mussten eine sehr eng bemessene Arbeitsleistung bringen. Die Häftlinge, die diese Zwangsarbeit acht Stunden täglich und sieben Tage die Woche im Drei-Schicht-System nicht erreichten, die wurden in Einzelhaft gesteckt. Und mir ging das dann auch so. Ich habe in Cottbus diese Entkratungsarbeiten an Pentacon-Kameras zu langsam gemacht und kam daraufhin in Einzelhaft in sogenannten Tiger-Käfig für drei Monate lang."
    Roland Baumann, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte, musste 20 Monate lang in der Cottbusser Strafvollzugsanstalt im Akkord arbeiten. Er war verhaftet worden, weil er in seiner Wohnung ein Plakat der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc aufgehängt hatte.
    Arbeitsausbeutung im Gefängnis war zu DDR-Zeiten alles andere als ein Einzelfall – und kein Geheimnis. Politische Gefangene, die die Bundesrepublik ab 1963 freikaufte, berichteten hier über ihre Erfahrungen. Der CSU-Politiker Hans Graf Huyn nannte die Misstände im Deutschen Bundestag im November 1979 beim Namen:
    "Ein besonders übles Kapitel ist die wirtschaftliche Ausbeutung der politischen Gefangenen. Nico Hübner beispielsweise, der in Bützow-Dreibergen 13 Monate lang in der Tischlerei arbeitete, bekam für diese lange Zeit ganze 375 Mark ausgezahlt. Für einen Hungerlohn im wahrsten Sinne des Wortes müssen politische Häftlinge etwa Practica-Spiegelreflexkameras oder SVIT-Hängelampen herstellen. Dies muss bei uns weit mehr bekannt werden, damit nicht westliche Firmen solche Waren mit gutem Gewissen im freien Teil Europas vertreiben können, zumal wenn man erfährt, dass solche Gegenstände von 14- bis 16jährigen etwa im Jugendzuchthaus Halle im Akkord hergestellt werden müssen."
    Dass Jugendliche im sogenannten Jugendhaus Halle im Akkord ackern mussten, war dem schwedischen Möbelhersteller Ikea damals angeblich nicht bekannt. Mittlerweile gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass DDR-Betriebe für Ikea produziert und Häftlinge dafür eingesetzt haben.
    So in die harsche Kritik geraten, finanziert der Möbelkonzern seit März 2013 das unabhängige Forschungsprojekt "Zwangsarbeit in der SBZ/DDR 1945-1990". Allerdings hat Ikea, das in Ostberlin damals eine Niederlassung unterhielt, den beteiligten Wissenschaftlern bislang keinen Einblick in die hausinternen Unterlagen gewährt und blockiert damit eine tiefgehende Analyse.
    Was kann ein neues Forschungsprojekt über die erzwungene Arbeit in den verschiedenen DDR-Gefängnissen, Arbeitserziehungslagern, Haftarbeitslagern und Jugendwerkhöfen leisten? Vor zehn Jahren hatten bereits Uwe Bastian und Hildigund Neubert den Band "Schamlos ausgebeutet" veröffentlicht – und damit eine aufschlussreiche Untersuchung über die Haftzwangsarbeit vorgelegt.
    Christian Sachse, DDR-Historiker, leitet das aktuelle Projekt unter dem Dach der UOKG, der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft. Ihm geht es darum, die Zwangsarbeit als Teil des ökonomischen Systems der DDR zu entlarven:
    "Unsere Aufgabe besteht nicht so sehr darin, die Arbeit in den einzelnen Betrieben und Haftstätten zu durchleuchen, sondern neue Beispiele zu finden, die Bandbreite zu finden. Und vor allen Dingen, das System, das wirtschaftliche System dieser Zwangsarbeit zu durchleuchten. Und wir haben zum Beispiel jetzt die Dokumente gefunden, die belegen, dass diese Zwangsarbeit nicht irgendwie auf Initiative eines Gefängnisdirektors zurück ging, sondern dass es eine zentrale Planung gab im ZK der SED, die dann in der zentralen Plankommission umgesetzt worden ist und über die einzelnen Industrieministerien aufgeschlüsselt worden ist bis also in den letzten Betrieb hinein."
    Systematische Ausbeutung
    Was man lange schon vermutet hat, gibt es nun Schwarz auf Weiß. Der Staat DDR hat in seinen Gefängnissen junge und ältere Häftlinge systematisch unter Zwang arbeiten lassen. Eine "Geheime Verschluss-Sache" von 1976 etwa belegt, dass das Zentralkomitee der SED den einzelnen Industriezweigen eine bestimmte Zahl von Häftlingen zuteilte:
    Übersicht und Vorschläge für den Einsatz Strafgefangener
    Industrieministerien: 25.075,
    davon Ministerium für Erzbergbau, Metallurgie und Kali: 3.560, Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik: 5.720,
    Bauwesen: 2.170,
    Verkehrswesen: 485,
    Örtliche Versorgungswirtschaft: 900 Strafgefangene
    Geheim war das Dokument deshalb, weil die DDR in den 70er-Jahren international bereits anerkannt war und sich in der KSZE-Schlussakte unter anderem zur Wahrung der Menschenrechte verpflichtet hatte.
    "Unrecht wird Zwangsarbeit dann, wenn sie politische Zwecke verfolgt, rein wirtschaftliche Zwecke verfolgt und wenn sie dazu dient, Menschen zu diszplinieren. Wenn man diese drei Dinge sozusagen auf die DDR anwendet, sind sie alle drei dort zu finden. Und da würde ich davon sprechen, dass in der DDR Zwangsarbeit in einem Bereich ausgeübt worden ist, der Unrecht war."
    Auch ob der Begriff Zwangsarbeit zur Beschreibung der DDR-Haft nützlich ist, gilt derzeit als umstritten – ist er doch eng verbunden mit der Ausbeutung von Gefangenen und Arbeitssklaven in den Arbeits- und Konzentrationslagern unter den Nationalsozialisten.
    Disziplinierung durch Arbeit
    Der Historiker Christian Sachse bezeichnet die Häftlingsarbeit im SED-Staat als "verbotene Zwangsarbeit". Erstens verletzte die DDR die eigenen, gesetzlich festgeschriebenen Standards. Und zweitens missachtete sie Vereinbarungen wie die der Internationalen Arbeitsorganisation. Eines davon untersagt Zwangsarbeit zum Zweck der politischen Erziehung oder wirtschaftlichen Ausbeutung. Diese aber sei in der späten DDR immer mehr in den Vordergrund gerückt:
    "Also wenn man so zwei Phasen mal nennen will, dann gab es in den 50er und bis Mitte der 60er durchaus den Trend, schwerste körperliche Arbeiten für bestimmte Insassen zu kreieren, würde ich sagen, Ziegeleien, Handarbeit in Ziegelfabriken, Kohlefabriken, im Tagebau und Ähnliches. Wo der Aspekt der Disziplinierung durch Arbeit eine große Rolle spielt, also physische Erschöpfung. Und dann so in den 70er-Jahren ist es wohl so, dass man eher davon ausgehen muss, dass die Strafgefangenen als Wirtschaftsfaktor betrachtet worden sind."
    Kugelschreiber montieren, Teile von Küchenmöbeln und Kinderschuhen herstellen, in einer Schicht Hunderte von Kissenbezügen säumen oder mehr als 1000 Knopflöcher nähen. Besonders gefährlich und hart war die Arbeit in Bergwerken, in Steinbrüchen oder in der Chemie- und Baustoffindustrie – passierten hier doch aufgrund von Überforderung und fehlender Schutzkleidung die meisten, darunter auch tödliche Unfälle.
    Extrem hohe Verletzungsgefahr
    Peter Niebergall beschreibt heute minutiös die Handgriffe, mit denen er jene Rollen anfertigte, die später im Kombinat in den Fuß einer Couch oder eines Sessels geschoben wurden. Der Diplom-Ingenieur wurde 1983 zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er mit seiner Frau aus der DDR ausreisen wollte, wurde aber frühzeitig von der Bundesrepublik freigekauft.
    "Und man musste nun diese kleinen Sprengringe auf der Fläche des Eisenteils, man hat gesagt im Jargon aufs Brett legen, und musste dann den Bolzen ergreifen mit der Hand und musste den Ring aufspießen und mit dem Bolzen in so'n Loch fahren, was unwesentlich kleiner war als der Durchmesser des Bolzens. Und den Ring dann über den Konus nach oben drücken, bis der in die eingefräste Nuht eingeschnappt ist. Und die Norm lag bei einer Tagesleistung bei 8000 Bolzen, die man beidseitig beringen musste in diesem Arbeitsprozess."
    Das System war paradox: So mussten die Häftlinge kaum erreichbare Stückzahlen mit veralteten Maschinen und Werkzeugen produzieren. Ohne Schutz gegen Lärm, Hitze und Kälte, Staub, Quecksilber und Blei war die Gefahr, sich zu verletzen extrem hoch. Und wer die sogenannte Norm nicht erfüllte, dem wurde das Essen und Trinken gekürzt.
    Rund 800.000 Menschen sollen schätzungsweise in DDR-Gefängnissen inhaftiert gewesen sein, davon ein Viertel bis ein Drittel politische Gefangene. Laut Plan waren alle gezwungen zu arbeiten: die Kriminellen ebenso wie die Politischen. Doch Letztere traf es um ein Vielfaches härter: Sie saßen zu Unrecht im Gefängnis, und sie bekamen die schlechtere, unqualifizierte Arbeit.
    "Aber Gottseidank war in Naumburg das Verhältnis so, dass die sogenannten politischen gefangenen Häftlinge in der Überzahl waren; ich schätze das waren bestimmt so 70 zu 30 Prozent zu den Kriminellen. Wobei allerdings die Profis, sprich die Kriminellen, das Sagen hatten, die kannten sich natürlich wesentlich besser aus, die waren robuster und waren von vorneherein von der Gefängnisleitung mit den Druckposten betraut. Und da musste man durch."
    Für jede einzelne Strafvollzugseinrichtung liegen Zahlen darüber vor, wie viele Häftlinge sie in welchen Betrieb entsandten oder ob sie diese innerhalb der eigenen Mauern arbeiten ließen.
    "Wir haben Listen über 60 Schreibmaschinenseiten über die Aufteilung von Gefangenen. Bis hin zu einem Betrieb, der nur fünf Strafgefangene erhält. Das wurde mit deutscher Gründlichkeit alles aufgelistet, und zwar der Plan, wie viele sie kriegen sollten, das Ist, wieviele sie kriegt und dann noch in der Perspektive, wie sich die Entwicklung der Strafgefangenenteile entwickeln sollte."
    Auch die Betriebe selbst ergriffen die Initiative
    Auch dass diese Entscheidung nicht nur von oben getroffen wurde, lässt sich jetzt beweisen. Manche Betriebe, Kombinate und Industrieministerien forderten eine höhere Zuteilung von Gefangenen. Aus einem Schreiben des Braunkohlekombinats Erich Weinert:
    "Im Bezirk Halle fehlen in der Kohleindustrie 320 Arbeitskräfte. Lösungswege: Zuführung weiterer Strafgefangener, bis zu 230 Personen im zweiten Halbjahr 1973 für die Braunkohlekombinate Erich Weinert, Geiseltal und Bitterfeld."
    Christian Sachse betont, dass die Gefangenen die Schmutzarbeit machen mussten.
    "Das ist meistens so, dass es da nicht so sehr um wirtschaftlichen Gewinn ging, sondern darum ging, bestimmte verrottete Produktionsstätten mit Arbeitern aufzufüllen, wo auch der sehr bedürfnislose DDR-Arbeiter nicht mehr tätig sein wollte. Und man hat sich auf diese Weise natürlich in Milliardenhöhe Investitionen erspart in solche Arbeitsplätze, in Arbeitsschutz, in neue Maschinen u.ä."
    Als die SED 1979 wieder einmal eine Amnestie der Häftlinge plante, meldeten die Industrieministerien alarmiert ihren voraussichtlichen Produktionsausfall. Das interne Schreiben an Günter Mittag, Wirtschaftssekretär des ZK der SED, spricht unter anderem von 206 sogenannten "Kräften", die bislang im Baubereich der Deutschen Reichsbahn eingesetzt worden waren. Sie hatten Schienen und Schwellen zu Gleisjochen montiert. Der Wert ihrer Arbeit sollte für das Jahr '79 bei 50 Millionen Mark liegen. Eine Amnestie habe jedoch weitere Ausfälle zur Folge, hieß es:
    "Die 206 Kräfte müssten ersetzt werden durch den Abzug von Kräften aus der unmittelbaren Bauproduktion der Deutschen Reichsbahn. Das hätte eine Reduzierung der Bauproduktion von ca. 30 Millionen / Jahr zur Folge und entspräche einer Gleisbaukapazität von ca. 60 km Gleisbau."
    Inwiefern diese Zahlen dem realen Gewinn oder Verlust in der Planwirtschaft der DDR entsprechen, gilt es noch zu klären. Allerdings waren nach der Amnestie im Jahr 1980 die Gefängnisse voller als zuvor.
    "Wir haben bis jetzt kein regelrechtes Dokument gefunden, in dem stehen würde, die Gerichte sollen möglichst viele Menschen jetzt verurteilen, um die Lager und Gefängnisse wieder aufzufüllen. ( ... ) So eine Amnestie hat die DDR durchaus mal eine Milliarde DDR-Mark gekostet und es gibt dann ordnerweise Schreiben aus der Industrie, welche Verluste das gebracht hat und dass schleunigst Strafgefangene wieder da sein müssten. Und das erzeugt natürlich Druck auf die höchsten Parteigremien der SED, sodass ich schon vermute, dass man irgendwann mal auf so ein Papier stoßen wird, wo dann drinne steht: Wir brauchen dringend neue Strafgefangene."
    DDR bot Produkte zu Dumpingpreisen
    Auch der Profit, den westliche Firmen gemacht haben, und welchen Anteil die Häftlingsarbeit daran hat, ist bislang nur schwer quantifizierbar.
    Zwar hinkte die DDR vielen technischen Neuerungen hinterher, konnte aber der Bundesrepublik eines bieten: Dumping-Preise etwa bei der Massenware Hemd, deren Herkunft wegen des neutralen Aufhängers nicht nachvollziehbar war.
    "1987 zum Beispiel hat der Außenhandelsbetrieb Textilkommerz mit westlichen Ketten gehandelt: C&A, Quelle Schöpflin, Kaufhof, Kaufhalle, Karstadt, Neckermann, Otto-Versand, Wollworth, Hertie und Horten. Und die Exportanteile von Textilkommerz 1986 mit diesen Firmen beliefen sich immerhin auf fast 500 Millionen Verrechnungseinheiten. Das ist schon mal nicht wenig. Was man aber nicht sagen kann, ist, dass sämtliche Produkte, die jetzt für diese Firmen hergestellt worden sind, dass die von Häftlingen produziert worden sind. Und da ist dann das entscheidende Problem, dass man das benennen kann."
    Die Produktionskette war lang. Der Weg eines konkreten Produktes wie der Ikea-SVIT-Lampe lässt sich nachvollziehen, erklärt Christian Sachse – vorausgesetzt, die Unterlagen sind vorhanden.
    Bei Halbprodukten, Schrauben oder Rollen, wie sie Peter Niebergall im Naumburger Strafvollzug fertigte, ist dies viel komplizierter. So gelangten auch die Rollen nicht gleich in die Bundesrepublik. Sie wurden in einer DDR-Möbelfabrik an Sessel montiert, im Kombinat bekam dieser seinen Stoffbezug. Und über den "Außenhandelsbetrieb Holz und Papier" wurde er nach Verhandlungen über einen Zwischenhändler in die Bundesrepublik exportiert.
    "Man kann davon ausgehen erst mal, dass es so gut wie alle großen Handelsketten waren, die daran beteiligt waren, dass Großbetriebe, metallverarbeitende Betriebe Metalle gekauft haben, dass chemische Halbprodukte importiert worden sind. Da gibt es ganze Listen von Betrieben. Da ist es nur immer problematisch zu gucken, welchen Anteil ein Strafgefangener an diesem Produkt hatte. Produkte der chemischen Industrie, die durchlaufen 20, 25 Zwischenstationen, und in einer, wie zum Beispiel im Chlor, waren dann Strafgefangene beteiligt. Das war im Einzelnen für westliche Firmen, die das gekauft haben, auch nicht unbedingt durchschaubar."
    Die Rollen oder die Bettwäsche erkannten freigekaufte politische Häftlinge in der Bundesrepublik wieder. Wieviel die westlichen Firmen und Handelsketten letzten Endes wussten, welche Anstrengungen sie unternahmen, um einem DDR-Betrieb auf die Finger zu schauen oder ob sie die Augen verschlossen, wird noch zu klären sein.
    Umgekehrt lässt sich nachweisen, dass westliche Firmen sich beim zuständigen DDR-Außenhandelsbetrieb über die Qualität einer Lieferung beschwerten. Dieser schrieb direkt an den zuständigen Betrieb und mahnte eine Änderung an.
    Deshalb wussten einzelne Betriebe wie der VEB MEWA, Metallwaren Naumburg, dass sie für den Westen produzierten, meinen die Forscher. Die Betriebe entlohnten die Strafgefangenen nach Tarif, gruppierten sie aber in die unterste Lohngruppe ein. Der Strafvollzug gab nur einen Bruchteil des Lohnes an den Häftling weiter. Lag der Verdienst etwa monatlich bei 320 Mark netto, landeten bei ihm nur 25 Mark. Peter Niebergall bezeichnet diese Entlohnung als einen Witz:
    "Die Entlohnung bestand ja auch nicht darin, uns für die geleistete Arbeit zu entlohnen, sondern als Stimuli, uns zur Zwangsarbeiten eben zu bringen, um überhaupt dann einen Einkauf tätigen zu können. Es wurde ja nicht in richtigem Geld entlohnt, sondern in Einkaufsscheinen, in Gutscheinen in Höhe von fünf oder zehn oder 20 Mark. Das war dann so Spielgeld."
    Das Forschungsprojekt endet im April kommenden Jahres. Die beteiligten Wissenschaftler und Zeitzeugen wollen allerdings nicht nur über das geheime System Zwangsarbeit hinter den Gefängnismauern der DDR aufklären. Es gilt, eine öffentliche Debatte anzustoßen, inwiefern die früheren Zwangsarbeiter finanziell und moralisch entschädigt werden können. Roland Baumann:
    "Die Zwangsarbeit von politischen Häftlingen in der DDR, also von Menschen, die in jungen Jahren unschuldig als Arbeitssklaven im Gefängnis eingesperrt wurden und benutzt wurden, muss natürlich gesellschaftlich rehabilitiert sein, das heisst ein Schuldanerkenntnis von den beteiligten Firmen wäre sehr hilfreich."