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"Zwei Fliegen auf einen Schlag"

Die Deutsche Bank übernimmt die angeschlagene Postbank. Robert Halver, Chefanalyst der Baadener Bank, sagt: "Es geht der Deutschen Bank darum, dass man aus der Schmuddelecke des Investmentbankings herauskommen möchte."

Robert Halver im Gespräch mit Jürgen Liminski | 13.09.2010
    Jürgen Liminski: Die Deutsche Bank übernimmt die Postbank, ein Milliarden-Deal, der auch für den Branchenprimus nicht ohne Risiko sein soll. Dennoch will Deutsche-Bank-Chef Ackermann das Wagnis eingehen, und das hat möglicherweise auch mit den neuen Regeln der Finanzaufsicht zu tun, die heute Nacht in Basel ausgearbeitet wurden. In Frankfurt begrüße ich Robert Halver. Er ist Chefanalyst der Baader Bank. Guten Morgen, Herr Halver.

    Robert Halver: Guten Morgen nach Köln!

    Liminski: Herr Halver, die Deutsche Bank zapft den Finanzmarkt an und übernimmt die Postbank. Das gilt als Wagnis. Übernimmt sich der Branchenprimus?

    Halver: Nein, nach meiner Einschätzung nicht. Was die Deutsche Bank macht ist, mit einer Klatsche zwei Fliegen auf einen Schlag zu zermatschen. Auf der einen Seite geht es darum, dass sie dann eben das Postbank-Investment in trockene Tücher überführt. Das kann man nicht einfach im Raum stehen lassen, da will der Markt auch Transparenz haben. Und das andere ist natürlich: Wenn es schon mehr Regulierung gibt, mehr Eigenkapitalvorschriften gibt in Zukunft, dann kann man frühzeitig darauf reagieren und sagen, wir wollen mehr Geld haben, damit wir genau diese Bonitätsregeln dann auch noch besser erfüllen können. Hier kann man sagen, hier zuckt die Deutsche Bank als erste Adresse, und das ist dann also ganz klar ein Zeichen an die Konkurrenz, wir haben die Nase vorn.

    Liminski: Warum muss man denn eine Bank übernehmen, in diesem Fall also die Postbank, um Basel III zu erfüllen?

    Halver: Das eine hat mit dem anderen recht wenig zu tun. Es geht der Deutschen Bank darum, dass man aus der "Schmuddelecke" des Investmentbankings herauskommen möchte, ein sehr ertragreiches, aber auch sehr risikoreiches Geschäft. Das möchte man jetzt adjustieren mit einem sehr braven, stabilen Privatkunden- und Kreditgeschäft der Postbank. Die Postbank hat hervorragende Kunden, sehr viele Kunden, ist breit aufgestellt. Also hier hat man zwei Möglichkeiten, mit einer Klatsche dann zu nutzen.

    Liminski: Wo sind eigentlich die Fallstricke von Basel III?

    Halver: Wir müssen uns immer eines vor Augen führen: Banken sind das globalste, was sie haben können. Das heißt, was sie nicht in Deutschland, Frankreich oder England machen können, können sie mittlerweile in China machen. Und ich habe den Eindruck, dass gerade in den Schwellenländern, Brasilien, China, im Augenblick der Finanzmarkt machen darf was er will, dass man die Blase hier bewusst zulässt. Früher sagte man, wir haben mit der Finanzblase nichts zu tun; jetzt ist man dabei, eine eigene zu kreieren. Und wenn da Probleme existieren, haben wir auch Probleme in Europa. Das zweite ist natürlich – ich habe drei Punkte -, dass in Amerika zum Beispiel die Hypothekenfinanzierer, Fannie Mae, Freddie Mac, die ja in hohem Maße angeschlagen sind, die staatlich gestützt werden müssen, da haben wir nach wie vor eine dramatische Blase. Und drittens: Europa, Euro-Land, der Hühnerhaufen, hier ist man nicht bereit, eigentlich sehr klar bis zum heutigen Tage gleiche Richtlinien zu haben. Da gibt es die Gutmenschen in Deutschland, die so was wie Lehrverkäufe einführen, also risikoreiche Dinge eher verbieten wollen, andere wollen das nicht. Es ist wichtig, dass hier Europa mit einer Zunge spricht, denn ansonsten gibt es Schlupflöcher und dann hat Basel III nicht die Zugkraft.

    Liminski: Gibt es denn noch diese Schlupflöcher, trotz Basel III?

    Halver: Die gibt es noch, weil sie natürlich auch Dinge umsetzen müssen. Es geht ja nicht nur darum, höhere Eigenkapitalvorschriften zu haben, sondern auch, wie kann ich zum Beispiel auch Risiken einschätzen von Rating-Agenturen. Wir haben ja das Problem, dass in Amerika die Rating-Agenturen ganz gerne auf Europa mal einschlagen, um von eigenen Problemen abzulenken. Das kann man ja ganz offen sagen. Hier muss man dafür sorgen, dass vielleicht eine eigene Rating-Agentur in Euro-Land entsteht, die dann auch eigene Einschätzungen von sich gibt. Also wichtig ist, dass man sich global aufstellt, aber dann auch sich nicht zu schlecht verkauft, denn wie sagt man so schön: das Kapital ist ein scheues Reh und wenn immer dann zu Unzeitpunkten Rating-Abstufungen von Spanien oder Italien kommen, oder wenn man zu sehr auf den Bankensektor hier herumhackt aus amerikanischer Sicht, dann passt das nicht.

    Liminski: Ich erinnere mich, dass wir über dieses Thema Rating-Agenturen schon vor einem Jahr gesprochen haben – nicht wir beide, sondern allgemein in der Diskussion. Wer bewertet eigentlich diese Rating-Agenturen und sind die völlig im Windschatten von Basel III?

    Halver: Rating-Agenturen machen eigentlich was sie wollen, sie haben mit Basel III auch nichts zu tun. Rating-Agenturen machen eigenes Research, eigene Analyse. Wenn wir zwei zum Beispiel jetzt Banken einschätzen müssten oder Länderrisiken einschätzen müssten, dann wird uns keiner kontrollieren, ob wir das zu einem falschen oder richtigen Zeitpunkt machen. Oft ist es ja so gewesen, dass an dem Tag, wo Spanien, Italien oder Portugal neues Geld brauchten vom Markt, genau an dem Tag die Rating-Herabstufung gekommen ist. Also wenn da nicht ein Geschmäckle vorhanden ist, dann weiß ich es nicht.

    Liminski: Stützt Basel III beziehungsweise die Unterfütterung der Banken mit mehr Eigenkapital auch den Euro?

    Halver: Sicherlich wird man sagen, dass damit, wenn man das ganze dann umsetzt, auch eine gewisse Stabilisierung gegeben ist. Aber auch hier muss man sagen in Euro-Land, es gibt natürlich mit Sparkassen und Volksbanken auch große Bankengruppen, die es sehr schwer haben, über den Kapitalmarkt höhere Eigenkapitalquoten zu generieren. Die werden also ihre Gewinne viel stärker einbehalten müssen, viel weniger noch an ihre Städte abgeben. Das wird für die schon sehr schwierig sein. Es gibt natürlich auch genügend Banken wie zum Beispiel die Commerzbank, wo noch der Staat das Halteseil hinhält und die schützende Hand darüber hält. Hier wird man sehen müssen, wann man rausgeht. Wichtig ist, dass an sich relativ zügig erkennbar ist, was hier passiert, aber wir haben ja lange Übergangsfristen. Von daher ist es sicherlich massiv richtig, dass man mehr Eigenkapital hat. Nur wie immer liegt der Teufel im Detail.

    Liminski: Wir reden hier ständig von den deutschen Banken. Wie verhält es sich denn mit den anderen Banken? Werden die Basel III so ohne weiteres übernehmen können?

    Halver: Es ist ein Empfehlungscharakter, aber es ist davon auszugehen, dass natürlich der Markt hier einiges für sich reglementiert. Wenn zum Beispiel die Deutsche Bank jetzt erfolgreich sein sollte bei ihrer Kapitalerhöhung, hat sie natürlich eine höhere Bonität. Habe ich also als großer Kunde oder als Interessent für Wertpapiere die Auswahl zwischen verschiedenen Banken, werde ich mir ja wahrscheinlich immer die Bank aussuchen, die eine höhere Bonität hat. Das heißt, wenn die Deutsche Bank vorprescht – und das macht sie clever und geschickt -, dann werden die anderen nachlaufen müssen. Also von daher gibt es mehr Eigenkapital, gibt es mehr Sicherheit auch, wohl wissend, dass natürlich in Amerika – und ich sage es gerne noch mal – und auch in China sicherlich Dinge im Augenblick relativ stark anbrennen.

    Liminski: Basel III, die Folgen für die Banken hierzulande und in Europa. Das war Robert Halver, Chefanalyst der Baader Bank, hier im Deutschlandfunk. Besten Dank für das Gespräch, Herr Halver.

    Halver: Bitte sehr.