Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Zwei-Grad-Ziel
"Es wird langsam eng"

Wenn alle Staaten ihre Zusagen einhalten, wird die Temperatur auf der Erde bis Ende des Jahrhunderts um 2,7 Grad steigen - das sagt Niklas Höhne vom New Climate Institute, das analysiert hat, welche Staaten noch wie viel tun müssen, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Höhne mahnte im DLF eine schnelle Umsetzung der politischen Maßnahmen zum Klimaschutz an.

Niklas Höhne im Gespräch mit Georg Ehring | 02.10.2015
    Ein Thermometer zeigt null Grad
    "Wenn man guckt, was die Länder derzeit umsetzen, dann kommen wir zu 3,6 Grad," so Höhne. (picture alliance / dpa / Matthias Bein)
    Georg Ehring: Worte und Taten klaffen beim Klimaschutz traditionell meilenweit auseinander. Seit Anfang der 1990er-Jahre bemühen sich viele Länder darum, doch der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid ist seitdem um rund 60 Prozent gestiegen, anstatt zu sinken. Wer wie viel zum Schutz beziehungsweise zum Ruin des Weltklimas beiträgt, das analysiert regelmäßig der Climate Action Tracker, zusammengestellt von vier Analysehäusern, unter anderem dem New Climate Institute. Für dieses Institut gehört Niklas Höhne zu den Autoren und wir haben ihn schon Anfang September befragt. Damals ging er von einer Erwärmung um drei Grad aus, wenn alle Staaten ihre Zusagen im Klimaschutz einhalten. Vor dem Klimagipfel von Paris Ende des Jahres sind weitere Selbstverpflichtungen eingegangen und die ändern das Bild, weshalb wir Niklas Höhne erneut um ein Interview gebeten haben. Guten Tag, Herr Höhne.
    Niklas Höhne: Hallo, Herr Ehring.
    Ehring: Wo landen wir denn jetzt, wenn alle Staaten tun, was sie zugesagt haben?
    Höhne: Wir landen derzeit bei 2,7 Grad bis Ende des Jahrhunderts, und das ist deutlich besser als vorher. Man kann sehen, dass das, was Länder inzwischen eingereicht haben, tatsächlich eine Auswirkung haben wird, wenn sie das alles umsetzen, was sie versprochen haben.
    "Die Vorschläge müssten eigentlich alle noch verbessert werden"
    Ehring: Wo waren wir vorher?
    Höhne: Vorher waren wir bei ungefähr 3,1 Grad. Das war Anfang des Jahres. Da hatten wir die Situation: Einige Länder hatten schon mal vorhergesagt, was sie ungefähr einreichen würden, aber keines hatte noch eingereicht, und jetzt innerhalb der letzten Monate haben über 140 Länder ihre Vorschläge eingereicht. Die größten davon haben wir uns angeschaut und kommen jetzt auf 2,7 Grad, was sehr viel besser ist, aber immer noch weit weg von dem Zwei-Grad-Ziel, das sich alle Länder gesetzt haben.
    Ehring: Indien und Brasilien gehören in den letzten Tagen dazu. Haben die zu dem besseren Bild beigetragen?
    Höhne: Auch. Indien und Brasilien sowie Indonesien waren die Länder, die in den letzten paar Tagen jetzt noch gekommen sind. Sehr, sehr wichtig ist der Beitrag von China, weil China so ein großer Emittent ist. Auch das hat etwas zu der Verbesserung beigetragen.
    Ehring: Aber wir sind noch längst nicht am Ziel. Das höre ich aus Ihren Worten. Was muss denn noch passieren?
    Höhne: Ja, leider noch nicht. Die Weltgemeinschaft hat sich auf zwei Grad geeinigt und das bedeutet, dass die Emissionsreduktionsverpflichtungen eigentlich noch deutlich besser werden müssen, insbesondere in der kurzfristigen Zeit jetzt bis 2020/2030. Wenn nämlich die Länder das verfolgen, was sie bis jetzt vorgeschlagen haben, dann wird es sehr, sehr schwierig, nach 2030 noch so weit die Emissionen zu reduzieren, dass man zwei Grad wirklich noch einhalten kann. Das bedeutet also, die Vorschläge müssten eigentlich alle noch verbessert werden.
    "Ich bin noch optimistisch, aber es wird schwierig"
    Ehring: Noch ein bisschen mehr Wasser in den Wein bietet es ja, wenn man vergleicht, was die Staaten dann auch tatsächlich umsetzen mit ihrer bisherigen Gesetzgebung. Wie ist da das Bild?
    Höhne: Ja, das rechnen wir auch aus. Wenn man guckt, was die Länder derzeit umsetzen, dann kommen wir zu 3,6 Grad, also noch mal höher als die 2,7 Grad, die wir finden, wenn die Länder alles das tun, was sie versprechen. Da ist noch eine Lücke, die klafft. Das bedeutet aber auch, dass Länder Dinge vorgeschlagen haben, die sie erst noch umsetzen müssen. Wir sehen auch, dass Länder mehr und mehr politische Maßnahmen umsetzen und dass das auch wirklich einen Effekt hat. Auch diese Zahl hat sich verbessert seit Anfang des Jahres. Wir waren da bei 3,9 Grad und sind jetzt bei 3,6 Grad. Auch hier sieht man eine Verbesserung. Aber wie gesagt noch weit weg von zwei Grad.
    Ehring: Das neue Klimaschutzabkommen nimmt ja auch schon Gestalt an. Es sind regelmäßige Nachbesserungsrunden vorgesehen, zumindest wenn es so kommt, wie es jetzt aussieht. Glauben Sie, dass die Welt damit die Kurve noch kriegt?
    Höhne: Ich bin noch optimistisch, aber es wird schwierig. Erstens müssen die Länder vor dem Pariser Abkommen, das im Dezember ja verabschiedet werden sollte, ihre Vorschläge verbessern. Zweitens müssen nach dem Pariser Abkommen dann sehr regelmäßig diese Vorschläge überprüft werden, auch geguckt werden, ob die Länder das einhalten oder nicht. Das sind beides sehr, sehr wichtige Dinge und es wird langsam sehr eng. Es ist sozusagen die letzte Chance, die wir noch haben, um dieses Zwei-Grad-Ziel wirklich zu erreichen.
    Ehring: Niklas Höhne von New Climate Institute - herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.