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Zwei Jahre Papst Franziskus
Immer noch überraschend

Seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren hat Papst Franziskus in der Katholischen Kirche immer wieder für Aufregung gesorgt. Sein unkonventioneller Lebensstil, sein Einsatz für die Armen sowie seine einfache Sprache haben ihn beliebt gemacht - auch, wenn er sich manchmal im Ton vergreift.

Von Tilmann Kleinjung | 13.03.2015
    - Papst Franziskus spricht anlässlich seiner Generalaudienz auf dem Petersplatz in der Vatikanstadt am 15. Oktober 2014.
    Papst Franziskus spricht anlässlich seiner Generalaudienz auf dem Petersplatz in der Vatikanstadt am 15. Oktober 2014. (imago/xim.gs)
    Auch im zweiten Jahr im Amt wird es mit diesem Papst nicht langweilig. Dass Franziskus zum Telefonhörer greift und Menschen anruft, die ihm einen Brief geschrieben haben, dass er sich bei Generalaudienzen Kannen mit Mate Tee reichen lässt, daran hat man sich im Lauf der Zeit gewöhnt.
    Neulich ließ der Bischof von Rom bei einem Gemeindebesuch in seiner Stadt den Wagen vor einer Barackensiedlung anhalten - wieder so ein franziskanisches Überraschungsmoment - nicht nur für seine Begleiter, auch für die Bewohner.
    Der Besuch des Kirchenoberhauptes löst ungläubiges Staunen aus. Dabei passt er ins Programm dieses Papstes. In dieser Armensiedlung am Rande Roms leben Migranten aus Lateinamerika, Menschen die für ein paar hundert Euro im Monat in den Haushalten der Stadt schuften. Vor allem für diese Menschen muss sich die Kirche engagieren, das ist das Credo von Franziskus.
    "Die Hauptursache der Armut ist ein Wirtschaftssystem, in dem es nicht mehr um den Menschen geht, sondern um den Gott Geld. Dieses System grenzt aus. Immer."
    Prügeln mit Würde?
    Der Papst kümmert sich höchst persönlich um die Ausgegrenzten in Rom. Als es mal wieder stark regnete, ließ er Regenschirme an die Obdachlosen verteilen. Seit Neuestem gibt es Duschen am Petersplatz für Menschen ohne eigenes Zuhause. Die Römer sind begeistert von ihrem Papst:
    - "Ich habe mit der Kirche nicht viel zu tun, bin aber sehr froh, dass wir einen Papst haben der so nah an den Menschen ist."
    - "So einen Papst haben wir gebraucht. Eine ganz einfache Person."
    - "Ein außerordentlicher Papst, demütig wie ein Priester."
    Der Weltpriester Franziskus versucht die Sprache der Menschen sprechen. Er liebt einfache Bilder, prägnante Formulierungen und vergreift sich manchmal im Ton. Auch das ist überraschend. Deshalb hält man neuerdings im Vatikan gespannt die Luft an, wenn der Papst beginnt, ohne Manuskript, frei von der Leber weg zu reden. Bei einer Generalaudienz sprach er über Erziehung und zitierte einen Vater, der ihm Folgendes gesagt habe.
    "Manchmal muss ich meinen Sohn ein wenig verhauen. Aber nie ins Gesicht, um ihn nicht bloßzustellen. Wie schön. Das ist der Sinn der Würde. Er muss bestrafen, auf gerechte Weise und dann weitergehen."
    Prügeln mit Würde. Für Sätze wie diese wurde der Papst in der jüngsten Zeit stark kritisiert, hat aber dennoch nichts an seiner Popularität eingebüßt. Franziskus genießt einen Sympathiebonus im Kirchenvolk.
    Reform der Kurie nimmt Gestalt an
    In der Kirchenleitung sieht das anders aus. Das Murren im Vatikan ist unüberhörbar. Manche Mitarbeiter halten die Spontaneität des Papstes für unprofessionell, andere fürchten die von Franziskus angestrebte Kurienreform samt absoluter Transparenz in Finanzfragen. Der Papst spürt diese Widerstände und hat in seiner Weihnachtsansprache vor den Kardinälen mit drastischen Worten darauf reagiert:
    "Ein ganz normaler Besuch auf dem Friedhof kann uns helfen, die Namen all der Personen zu sehen, die sich für unersetzbar hielten."
    Diese Ansprache, in der Franziskus seinen engsten Mitarbeitern 15 Krankheiten attestierte, liefert einen Schlüssel zu seinem Verständnis von Kirchenreform. Dem Papst geht es dabei nicht so sehr um Struktur- oder Machtfragen, sondern um die Veränderungsbereitschaft des Einzelnen.
    Noch ist der Ertrag dieser Überzeugungsarbeit des Papstes kaum greifbar. Doch in diesem Jahr, seinem dritten als Papst könnte Einiges passieren. Die Reform der Kurie nimmt Gestalt an. Und im Herbst findet in Rom eine Synode statt, in der über eine Öffnung der katholischen Familienlehre beraten und abgestimmt wird. Überraschungen nicht ausgeschlossen.