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Merz-Vorstoß
Reul warnt vor Infragestellen des Asylrechts

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) teilt die Zweifel von Friedrich Merz am Grundrecht auf Asyl nicht. Aus gutem Grunde habe Deutschland das Asylrecht in der Verfassung stehen, sagte Reul im Dlf - und verwies auf Deutschlands Geschichte.

Herbert Reul im Gespräch mit Sandra Schulz | 22.11.2018
    Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen
    Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen (dpa / Rolf Vennenbernd)
    Sandra Schulz: Mehr als ein halbes Dutzend Urteile zu Fahrverboten hat es auch in Nordrhein-Westfalen gegeben. Unter anderem darüber können wir jetzt sprechen mit Herbert Reul von der CDU, Innenminister in NRW. Schönen guten Morgen!
    Herbert Reul: Schönen guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: Ist das die Lösung oder ein Teil der Lösung des Dieselproblems, eine massenhafte Überwachung des Straßenverkehrs?
    Reul: Erstens finde ich, warten wir mal in Ruhe ab, wie am Ende die ganzen Prozesse, die noch zu führen sind, und Entscheidungen ausgehen. Und wenn es dann am Ende wirklich ein Dieselfahrverbot in Teilen von Städten gibt, dann, glaube ich, werden wir um auch neue Methoden kaum vorbeikommen. Dann muss man überlegen, wie wir dieses Massenproblem dann lösen können. Aber im Moment bin ich noch ein Stück relaxt, weil ich finde, wir warten jetzt erst mal ab, was am Ende dabei rauskommt, denn da gibt es ja sehr unterschiedliche Ansätze, eine Menge an Anmerkungen, von der Frage von Messgenauigkeit, ist der Wert richtig, wird an den richtigen Stellen gemessen, ist eigentlich abgewogen worden von den Gerichten oder nicht. Eins nach dem anderen! Wenn am Ende Dieselverbote in Teilen von Städten stattfinden müssen, dann kann man - da bin ich relativ sicher - nicht die Polizei hinstellen und an jeder Straße die Leute anhalten.
    Schulz: Mit welcher Infrastruktur sollte das passieren?
    Reul: Dann werden wir nachdenken müssen, ob es einen solchen Weg wie Automatisierung geben muss. Ich finde das spannend, dass gerade die Grüne-Politik, die dieses Dieselverbot ja richtig vorangetrieben hat, jetzt an einer Stelle steht, wo sie auch natürlich liefern muss. Denn es muss ja erklärt werden, wie man dann, wenn es ein solches Verbot gibt, das auch kontrolliert. Und zu glauben, man könne an den Eingangsstraßen von Düsseldorf morgens, am besten noch in der Verkehrszeit mal die Autos kontrollieren, ob sie nun den Normen entsprechen oder nicht, dann kommt tagelang keiner mehr in die Stadt rein, weil sich alles staut. Es ist einfach absurd, glauben zu können, dass man das per Handarbeit macht.
    "Irre Veranstaltung"
    Schulz: Herr Reul, was wäre dann der Unterschied? Das ist doch jetzt auch schon so.
    Reul: Der Stau? - Nein, das wird ja noch viel schlimmer, wenn Sie kontrollieren. Jetzt fahren Sie ja wenigstens noch zeitweise.
    Schulz: Ab und zu. - Wenn wir über diese Pläne sprechen, da gibt es jetzt ja ganz heftigen Widerstand aus den Städten. Es gibt Zweifel an der Verhältnismäßigkeit. Datenschützer sagen - es ist ja wohl eine Speicherpflicht von einem halben Jahr vorgesehen -, das sei nicht verhältnismäßig. Christian Lindner, der FDP-Chef, spricht von einer Totalüberwachung. Diese datenschutzrechtlichen Bedenken, die teilen Sie überhaupt nicht?
    Reul: Doch, die muss man sorgfältig prüfen, das ist doch klar, bei jedem neuen Instrument. Ich finde auch die Frage sehr berechtigt, wenn man Kennzeichenermittlung macht, um Dieselfahrverbote zu kontrollieren, warum dann eigentlich nicht, um Kriminelle zu finden. Da war ich immer schon Anhänger von dieser Frage, dass man dem auch nachgeht. Denn es ist ja eine irre Veranstaltung, dass wir heute auf Autobahnbrücken zehn Polizisten mit einem Notizblock hinstellen können, die dürfen die Nummern aufschreiben und kontrollieren, ob da irgendeiner durchfährt, der auf der Fahndungsliste ist; automatisiert ist das verboten.
    Wir erlauben, dass eine Privatfirma die Maut kassiert, auch mit Hilfe solcher automatisierten Verfahren, aber zum Jagen von Gangstern ist es nicht erlaubt. Da ist die Gesellschaft, da sind wir auch nicht ganz klar.
    Schulz: Herr Reul?
    Reul: Bitte!
    Kennzeichenermittlung: "Noch nicht zu Ende durchdacht"
    Schulz: Der Städtetag sagt ja gerade mit Blick oder vielleicht auch mit den Erfahrungen, die wir über die Maut-Erfassung alle noch in den Knochen und in allerbester Erinnerung haben, dass, bis solche Einrichtungen stehen, vielleicht sowieso durch die Erneuerung der Flotte die Grenzwerte schon längst nicht mehr überschritten werden. Wie lösen Sie diesen Widerspruch auf?
    Reul: Gar nicht! Das ist eine Frage, die natürlich die Gerichte eigentlich zu beantworten haben. Wenn die sagen - es gibt ja solche Entscheidungen -, in 2019 muss noch ein Fahrverbot erteilt werden, und jeder weiß, dass in derselben Stadt 2020 der erwartete Wert schon erreicht wird, da frage ich mich auch, gibt es nicht da auch Flexibilität, damit vernünftig umzugehen.
    Die ganze Sache ist noch nicht zu Ende durchdacht. Da bin ich ganz sicher. Aber dann, wenn man diesen Weg geht und es sanktionieren, also kontrollieren will, dann, glaube ich, kommt man auch an der Frage von automatisierter Kennzeichenermittlung nicht vorbei. Das heißt nicht, dass man sie machen muss. Das heißt auch noch lange nicht, wie man sie machen muss, denn das ist dann auch noch ein komplizierter Vorgang.
    Schulz: Wobei ich jetzt noch nicht genau verstanden habe, worauf Sie warten. Sie haben uns eben gesagt, Sie sind da noch ganz relaxt, was die Gerichte entscheiden. Wir haben doch jetzt schon Dutzende von Gerichtsentscheidungen. Den Richtern ist doch da offenbar der Geduldsfaden schon gerissen, und zwar nicht, weil die nicht ausreichend flexibel wären, sondern weil diese Grenzwerte mit den Messungen, die wir bislang haben, einfach systematisch gerissen werden.
    Reul: Na gut, das ist jetzt nicht meine Zuständigkeit. Da sind andere für zuständig. Aber offenkundig gibt es ja auch noch die Wahrscheinlichkeit, dass die eine oder andere Entscheidung noch mal überprüft wird von der nächsten Instanz.
    Schulz: Aber das ist dann auch die Strategie in Nordrhein-Westfalen, lieber in die nächste Instanz zu gehen, anstatt für saubere Luft zu sorgen, was ja auch eine Idee wäre?
    Reul: Nein, die Idee ist klar. Wir wollen eine saubere Luft. Die Frage ist nur, wie man das am besten hinbekommt. Da gibt es unterschiedliche Vorschläge zu. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat von Anfang an darauf gesetzt, dass wir das über technologische Weiterentwicklung machen, dass wir alle Möglichkeiten nutzen. Sie erinnern sich an die Initiativen zum Umbau der Busflotten. Eben in dem Beitrag kam ja auch dieser berühmte Sightseeing-Bus zur Sprache. Es gibt mit Sicherheit eine Menge an Möglichkeiten, die man noch nutzen kann. Nur muss man wissen, dass das nicht jetzt heute beschlossen, morgen wirksam ist, sondern das ist natürlich ein bisschen Prozess, und ich glaube, da muss man sich auch ein Stück drauf einlassen. Aber das ist eine Frage, die dann abgewartet werden muss, und wenn die Gerichte entschieden haben, dann haben Sie recht, dann muss auch die Kontrolle funktionieren, und das wird das nächste Problem.
    Schulz: Abwarten jetzt erst mal als Strategie?
    Reul: Abwarten heißt im Sinne von nichts tun - nein! Natürlich muss man sich kümmern und deswegen ist es auch richtig, dass die Bundesregierung darauf hinweist, dass ein denkbarer Weg ist dieses automatisierte Verfahren, und ich finde, darüber sollte man auch unaufgeregt diskutieren. Kann aber auch sein, dass wir gar nicht in den Zwang kommen. Darauf wollte ich nur hinweisen: Nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.
    Kritik an "Ankündigungen, die man dann nicht umsetzt"
    Schulz: Der Deutschlandfunk im Gespräch mit dem nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul. - Auf ein Thema würden wir heute Morgen gerne noch mit Ihnen schauen, das auch viel diskutiert wird. Friedrich Merz, einer der Kandidaten für den CDU-Vorsitz, für die Nachfolge von Angela Merkel, der fordert gestern auf der dritten CDU-Regionalkonferenz eine Debatte um das deutsche Asylrecht. Brauchen wir die?
    Reul: Ich war nicht dabei. Ich weiß nicht, was er gesagt hat. Wenn damit gemeint sein sollte die Infragestellung des grundgesetzlich verbrieften Asylrechts, dann kann ich nur sagen, da warne ich vor, da halte ich nichts von. Wenn damit gemeint ist, dass wir darüber nachdenken, wie wir das Verfahren praktikabler machen, insbesondere in der Frage, wenn Abschiebungen anstehen, dann, glaube ich, gibt es da noch Handlungsbedarf.
    Schulz: Ehrlicherweise muss ich sagen, ich war auch nicht dabei. Aber ich könnte Ihnen das Zitat noch mal vorlesen: Deutschland sei das einzige Land der Welt, das ein Individualgrundrecht auf Asyl in der Verfassung stehen habe, sagt Friedrich Merz. Was ist Ihre Antwort?
    Reul: Aus gutem Grunde haben wir in Deutschland so etwas in der Verfassung stehen. Das hat auch was mit unserer Geschichte zu tun. Ich halte es für wertvoll.
    Schulz: Wir sehen ja, dass sich das Kandidatenfeld jetzt im Wettstreit um diesen CDU-Vorsitz ein bisschen sortiert. Friedrich Merz hat angekündigt, die AfD zu halbieren in den Umfrage- und Wahlergebnissen. Hat er gestern damit angefangen?
    Reul: Ich habe da eine ganz persönliche Auffassung zu der Frage, wie man die Stimmen der AfD zurückgewinnt. Ich glaube nicht mit Ankündigungen, die man dann nicht umsetzt. Denn was nützt die beste Idee, wenn man nachher keine Mehrheiten hat, um das auch zu realisieren. Sondern die Wähler der AfD wird man dann zurückgewinnen, wenn die Politik beweist, dass sie die Probleme, die die Leute haben, Stück für Stück löst. Da ist manchmal der Weg von einzelnen Schritten, die man aber realisiert, hilfreicher, Vertrauen zurückzugewinnen, als Ankündigungen.
    Schulz: Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Danke Ihnen ganz herzlich für das Interview.
    Reul: Bitte sehr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.