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Zwischen Boykott und Gleichgültigkeit

Fotografie, Stängel und Gräuel - was FAZ und Günther Grass beharrlich verweigern, wird ab 2005 für Schulen, Ämter und Unis verbindlich: die neue Rechtschreibung. Zweieinhalb Jahre hatten die Hochschulen schon Zeit, sich an die neuen Regeln zu gewöhnen. Trotzdem ist es in der Regel egal, ob der Student in der Prüfung "blaß" oder "blass" wird oder ob die Klausur "gutgelungen" oder "gut gelungen" ist.

30.09.2002
    An der Uni Heidelberg achten Dozenten kaum darauf, ob die Studierenden die neuen Rechtschreibregeln einhalten oder nicht.

    Teilweise geht es schon fast in Richtung Mittelalter, als jeder schreiben konnte, wie er wollte. So kommt's mir vor.

    Meine Texte sind im Moment zu größten Teilen so eine Mischung.

    Auch bei nagelneuen Büchern in der Bibliothek kann man sich nicht darauf verlassen, dass alles so geschrieben ist, wie die Reform es vorsieht. Nicht die Form, der Inhalt sei maßgeblich, so das Argument. Sogar bei denjenigen, die sich tagtäglich mit unserer Sprache befassen, gibt es keine Auflagen, die neue Rechtschreibung zu lernen und anzuwenden. Allerdings gibt es hier mehr Studenten, die bereit sind, die neuen Regeln anzunehmen. Fritz Peter Knapp, Professor für ältere deutsche Sprache, erklärter Gegner der Rechtschreibreform:

    Ich bin da völlig tolerant, die Leute sollen eine der beiden wählen, sie dürfen nur nicht mischen. Ich muss bei den Korrekturen jetzt natürlich viel öfter nachschlagen, als ich es früher getan habe.

    Unsicherheiten, Desinteresse und generelle Ablehnung - Wissenschaftler und Studierende geht es mit den neuen Regeln offensichtlich auch nicht anders als dem Rest der Bevölkerung. Laut einer Allensbach-Studie lehnen 56 Prozent der Deutschen die Rechtschreibreform immer noch ab. Klaus Heller, Mitglied der Reform-Kommission, ist dennoch zuversichtlich:

    Wir haben noch nicht einen Menschen, der die gesamte Schulzeit durchlaufen hat und von Anfang an die Rechtschreibung gelernt hat, das heißt, wir haben es ausschließlich mit Umlernern zu tun. Und wir wissen wie das ist, wenn jemand von uns verlangt, wir sollen Kaffe auf andere Weise kochen als wir es gewöhnt sind.

    So wird der Übergang noch etwas dauern, auch an den Unis. Immerhin ist bei Lehr- und Wörterbüchern, Zeitungen und Zeitschriften, offiziellen Schreiben von Behörden die neue Schreibweise längst normal. Das hat das Institut für Deutsche Sprache heraus gefunden. Klaus Heller vom Institut stellt fest,...

    ...dass die neuen Rechtschreibung doch massiv um sich greift, um es mal so zu sagen. Ich glaube, dass es gar keine Frage ist, dass die wenigen Bereiche, in denen man zurückhaltender ist, sich auch auf die neue Rechtschreibung einstellen werden.