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"Zwischen den Parteien liegen Welten"

Der Plakatkünstler Klaus Staeck hat vor einem Regierungswechsel gewarnt. Es gebe große Unterschiede zwischen Regierung und Opposition, etwa in der Frage Kopfpauschale oder Bürgerversicherung und im Bereich der Arbeitnehmerrechte. Es müsse aber korrigiert werden, dass das "neoliberale Gift" auch in der Regierung Einzug erhalten habe.

Moderator: Dirk Müller | 22.06.2005
    Dirk Müller: Günter Grass hat es oft vorgemacht. Aber wo sind die Intellektuellen, wo sind die Künstler hierzulande heute? Eine Frage also nach denjenigen, die bereit sind, sich politisch, das heißt auch sich parteipolitisch zu engagieren, Farbe zu bekennen. Gerade jetzt vor den geplanten Neuwahlen. Es ist gar nicht so einfach, denn die Linken, vor allem die SPD wie auch die Grünen, haben traditionell immer den größten Zuspruch unter den Kreativen gefunden, doch die Koalition diesmal unterstützen, in dieser Verfassung? Einer, der weniger Schwierigkeiten hat, Farbe zu bekennen, ist der Plakatkünstler Klaus Staeck. Guten Morgen.

    Klaus Staeck: Guten Morgen.

    Müller: Herr Staeck, ein Gönner beauftragt sie mit einem Wahlplakat ihrer Wahl. Wie sieht der erste Pinselstrich aus?

    Staeck: Also, das läuft schon mal gar nicht, dass ein Gönner mir irgend etwas bietet, damit ich ein Plakat mache. Aber angenommen, es wäre so eine Konstellation, dann würde ich natürlich auf die Dinge hinweisen, die uns da drohen durch eine neue Regierung, von der sich ja manche das Heil jetzt erwarten.

    Müller: Wie kann ein Grafiker, ein Künstler das tun?

    Staeck: Indem er mit seinen Mitteln arbeitet, und sie haben ja von Intellektuellen gesprochen, die sind gewohnt, nicht im Auftrag zu arbeiten, sondern ihre Gedanken, ihre Phantasie spielen zu lassen. Da gibt es, was die neue Konstellation, die uns die Medien jeden Tag aufs neue heiß empfehlen, sehr viele Dinge zu sagen, die die Republik schon verändern werden. Nehmen Sie mal bloß die Bürgerversicherung und die Kopfpauschale, da liegen zwischen den Parteien doch Welten.

    Müller: Haben Sie da schon einen bestimmten Entwurf, ein Bild im Kopf?

    Staeck: Ich habe bereits zwei, drei Plakate in Arbeit. Aber wissen Sie, der Witz besteht darin, dass man die Öffentlichkeit damit überrascht und nicht vorher darüber redet, sonst brauchte man keine Bilder zu machen.

    Müller: Wenn man heute als Künstler aufrütteln will in diesen schwierigen politischen Zeiten, womit beginnt man?

    Staeck: Man beginnt - wie heißt das so schön altmodisch - mit der Bewusstmachung. Viele Leute glauben ja, die Politik ginge sie nicht an. Sie sind doch zum großen Teil enttäuscht von dem, was in der Politik geschieht. Und da hat man schon Mühe, überhaupt Menschen zu erreichen. Aber mir ist das, vor allem mit den Bildern der Satire, bisher immer gelungen.

    Müller: Sind Sie auch enttäuscht?

    Staeck: Man ist immer über Teile enttäuscht. Also, den Intellektuellen möchte ich sehen, der mit allem zufrieden wäre. Da wäre nämlich keiner mehr. Es gibt ein paar Dinge, das zum Beispiel auch dieses neoliberale Gift, so nenne ich das mal, auch in diese Regierung zum Teil Einzug gehalten hat. Das gilt es zu korrigieren. Die neuen Einlassungen von Müntefering zum Beispiel weisen wieder in eine alte Richtung, alte - sprich in eine vernünftige, dem Gemeinwohl dienende, nicht bloß ein paar Leuten dienende.

    Müller: Herr Staeck, wenn Sie sagen, Sie sind bedingt enttäuscht, dann heißt das doch umgekehrt in diesen Zeiten, dass Sie besonders schmerzfrei sind.

    Staeck: Nicht schmerzfrei. Wissen Sie, ich folge bloß nicht dem allgemeinen Mainstream, den die Medien uns einreden wollen. Nehmen Sie doch bloß mal diese Falschmeldung von dieser Woche im Spiegel, da wurde einfach frech behauptet, es würde ein Treffen bei Herrn Schröder geben am 14. Juli. Kein Mensch der da genannten Eingeladenen weiß von einer Einladung. Es gibt auch keine Einladung. Aber um einen mysteriösen Termin herum wird einfach eine Meldung gestrickt und so und so viel Namen schon genannt, unter anderem ein ehemaliger Bild-Chefredakteur. Wer mich kennt weiß, dass ich mich mit allen an den Tisch setze, nur nicht mit solchen Leuten. Und da war natürlich programmiert, dass so und so viel Leute dementieren. Jetzt haben Sie überall in den Meldungen, also Christa Wolf ist nicht bereit, Martin Walser ist nicht bereit, Wahlkampf zu machen. Das wusste man alles vorher. Und dass eine gezielte Desinfektion - könnt ich fast sagen - Desinformation, das ist Schmierenjournalismus. Und wir richten uns nach dieser Art von öffentlicher Meinungsbeeinflussung nun absolut gar nicht, im Gegenteil mich spornt das an, nun gerade speziell in meinem Falle, SPD-Wahlkampf zu machen.

    Müller: Deutschlandfunk versucht ja auch immer seriös zu sein.

    Staeck: Deshalb nehme ich den Rundfunk bei meiner Kritik an dem, was wir inzwischen Journalismus nennen, auch sehr oft und gerne aus.

    Müller: Wenn wir nach vorne blicken, wenn Gerhard Schröder Sie einlädt, setzen Sie sich dann mit ihm an einen Tisch?

    Staeck: Ich habe mehrfach schon, und sehr viele Leute, mit Gerhard Schröder zusammen gesessen. Das zeichnet ihn ja gerade aus. Wenn Sie vorhin von der CDU sprachen, da gibt es eben nichts, da ist Wüste. Und gestern war im Kölner Stadtanzeiger ein interessantes Interview mit Herrn Lammert, der eben meint, wir brauchen so etwas gar nicht, wir denken selbst. Vorher wird natürlich Günter Grass als ein in der Qualität, vor allem in der literarischen Qualität, doch sehr dürftiger Autor abqualifiziert. Auf diesem Niveau agiert die CDU. Die SPD hat sich immer kritisch auseinander gesetzt mit Leuten, schon zu Willy Brandt Zeiten. Das ist eine Tradition, die wir auch gerne angenommen haben. Und da fallen auch sehr kritische Töne, glauben Sie mal bloß nicht, dass das alles eine Harmonieveranstaltung ist.

    Müller: Weil der Kanzler ein Neoliberaler ist?

    Staeck: Er ist nicht ein Neoliberaler, sondern es gibt in dieser Gesellschaft ja allgemein - von diesem unseligen Beraterwesen auch angestiftet - Leute, die wollen die Republik in eine andere Richtung drängen und sind im Augenblick, so scheint es, doch sehr erfolgreich damit. Gucken Sie doch den Spiegel von vorne bis hinten an, das ist ein reines neoliberales Blatt geworden, und das vor allem mit der Bildzeitung ist schon eine Kampffront, da muss man sich schon etwas einfallen lassen.

    Müller: Und der eine oder andere Sozialdemokrat hat sich davon offenbar anstecken lassen?

    Staeck: Das ist deren Problem, ja. Gott sei dank ist es nicht das ganze, sonst würde ich tatsächlich keinen Wahlkampf für die SPD machen können.

    Müller: An welchen Leuten hängen Sie sich denn da auf beziehungsweise bewerten Sie positiv, die die SPD - wie Sie sagen - wieder auf den richtigen Weg bringen können?

    Staeck: Also, an Personen hänge ich mich schon mal gar nicht auf. Das haben wir nie gemacht, weil wir für eine Idee kämpfen. Die sozialdemokratische Idee ist ja im Grundsatz richtig. Sie verspricht zumindest eine Gesellschaft, in der es einigermaßen gerecht zugeht, sozialgerecht zugeht, die uns immerhin einen Frieden gebracht hat in Sachen Irakkrieg. Das ist nicht hoch genug anzusetzen. Dann gibt es die verschiedensten Gebiete, nehmen Sie einfach nur den Kulturbereich, da wird ja schon erwogen, diesen Verweis mit ihrem kleinen Miniministerium wieder abzuschaffen. Dann gibt es die Gebiete, die die Gewerkschaften sehr interessieren. Tarifautonomie ist einer der Grundsätze, der Grundstabilitäten unseres Staates auch bisher geblieben, die wollen sie schleifen - Kündigungsschutz, zentrales Thema. Atomkraft wollen sie wieder einführen, erneuerbare Energien zurückfahren, alles wesentliche Dinge, die nun mal bewegt worden sind. Denn noch mal, der zentrale Punkt, Bürgerversicherung, Kopfpauschale, das sind Entscheidungen, die fallen, die durchaus die Bürger alle miteinander betreffen. Staatsbürgerschaftsrechte sind einigermaßen geregelt worden, da gibt es sehr viel aufzuzählen, was unter dieser rot-grünen Regierung gelungen ist und was es weiterzuführen gilt, sicher mit neuen Personen. Man kann nicht einfach nur so weitermachen.

    Müller: Aber Sie bleiben dem Hartz IV-Kanzler treu?

    Staeck: Ich bleibe nicht dem Hartz-IV… - Sie machen schon wieder so eine Art Totschlageinleitung durch ihre Frage - nein, ich bleibe einer Idee treu, der sozialdemokratischen in meinem Falle, unserem Falle, denn wir sind sehr, sehr viele. Die paar Leute, die da aufgezählt worden sind im Spiegel-Artikel, das ist eine Minigruppe, sondern es haben sich schon sehr viel Leute bereit erklärt mitzumachen. Wir werden Aufrufe machen, wir werden Anzeigen schalten, viele Veranstaltungen - ich alleine haben schon über 20 Termine zugesagt, und wir werden das Internet diesmal nutzen. Das ist ein sehr gutes, unabhängiges Forum - jenseits jedes Journalismus, der uns im Augenblick wirklich stört, weil er seinen eigentlichen Beruf nicht mehr wahrnimmt. Dagegen kämpfen wir, dabei bleibe ich. Und deshalb wird es eine fröhliche Wahlkampfschlacht werden. Es wird einen Richtungsentscheid geben. Keinen Lagerwahlkampf - das ist immer so ein Schlagwort. Aber eine Richtungsentscheidung schon, die Leute müssen sich entscheiden, wen sie künftig über sich haben wollen, für sich regieren lassen. Das wird noch sehr spannend.

    Müller: Der Plakatkünstler Klaus Staeck war das. Vielen Dank für das Gespräch.