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Zwischen digitalen Reizen und Risiko der Infoüberflutung

Neben gedruckten Büchern verwenden Schüler und Lehrer zunehmend Smartphones und Tablet-PCs. Auf der Frankfurter Buchmesse zeigt nun ein sogenanntes "Klassenzimmer der Zukunft", wie Lernen im digitalen Zeitalter aussehen kann. Und welche Risiken dabei entstehen.

Von Ludger Fittkau | 12.10.2013
    Sitzecken mit Polstermöbeln locker verstreut im Raum, einzelne Schreibtische, auf denen Tablet-PCs liegen. Drei vier Stühle drum herum, an den Wänden Großbildschirme.

    Das "Klassenzimmer der Zukunft" auf der Buchmesse Frankfurt sieht auf den ersten Blick aus wie eine Hotellobby, die beiläufig als Ausstellungsraum eines Monitorherstellers fungiert. Und tatsächlich: Ein Computer-Komponentenhersteller gehört zu den Partnern eines EU-geförderten Projektes unter Federführung der Universität Stockholm, das auf der Buchmesse das "Klassenzimmer "der Zukunft" aufgebaut hat. Projektleiter Roland Burger vom Fachbereich Informatik der Stockholmer Uni erklärt, dass trotz des Elektronikeinsatzes Schüler und Lehrer nicht hinter der Technik verschwinden sollen:

    "Das sehen sie auch auf unserem Stand. Wir haben das bewusst ein bisschen dekonstruiert hier. Das ist ja nicht das Modell. Wir sind hier auf ner Messe. Aber wir zeigen auf, dass zum Beispiel kleine Gruppen auch effizient arbeiten können. Sie sehen hier nicht große Computer, wir haben kleine Devices. Die auch jeder vielleicht hat. Es kann Software adaptiert werden, das ist der Weg."

    Gerade die mobilen Endgeräte, die Kinder und Jugendliche ohnehin besitzen, sollen in diesem digitalen Klassenzimmer eine Hauptrolle spielen.

    "Wir haben einerseits Lehrer, die über unsere Plattform pädagogische Lerninhalte und Konzepte mit ICT-Tools mit modernen Apps und Smartphones in den Unterricht bringen. Das ist eine Ebene. Aber wir haben auf der anderen Seite, das ist auch sehr wertvoll, diesen Zugang von unten, wo auch Schüler selbst Ideen einbringen können. Die heutige Jugend, die hat ja Smartphones, das ist teilweise ja auch ein Problem und wir wollen das auch nicht verklären, ja müssen wir ganz genau hinschauen, dass wir da einen guten Mittelweg finden."

    Veronika Helfmeier, Lehrerin an der Realschule im bayerischen Traunreut, ist von den digitalen Techniken im Klassenzimmer der Zukunft auf der Buchmesse begeistert.

    "Natürlich, wenn sie fragen, brauchen wir das? Wir brauchen es nicht unbedingt, aber das ist das, was die Schüler interessiert. Schüler wollen diese Technik nutzen und wir Lehrer gehen hin und verbinden beides."

    Nämlich die Schüler-Smartphones und Unterrichtsinhalte. Veronika Helfmeier ermutigt ihre Schüler, über ihre mobilen Geräte Texte und Text-Bild-Collagen zu erstellen und in den Unterricht einzubringen. Sie schickt ihre Schüler dazu gerne nach draußen, um zum Beispiel Wasserproben zu sammeln und die Verschmutzung festzustellen. Mit einer Schülergruppe hat sie das sogar schon einmal entlang der Transsibirischen Eisenbahn getan:

    "Na ja, ein Klassenzimmer ist für uns nicht nur die Schule, ein Klassenzimmer ist für uns auch nach draußen gehen. Aber das Ganze dann zu vernetzen, Technik zu nutzen, um diese Informationen weiterzugeben, dazu braucht es Technik und dazu sind die Neuen Medien und die technischen Möglichkeiten, die es jetzt gibt, fantastisch."

    Andere Messebesucher, die sich an den verstreuten Sitzgruppen vorbei unter den Bildschirmen an den Wänden durch das digitale Klassenzimmer drängeln, reagieren zurückhaltender. Etwa Buchhändlerin Sabine Krissel aus der Region Karlsruhe:

    "So ganz so frei, wie es da drüben bei dem modernen Klassenzimmer aussieht, wird es wahrscheinlich noch nicht sein. So ein bisschen Struktur im Unterricht schadet vielleicht nicht. Zuviel Freiarbeit könnte in einer spaßigen Unterrichtsstunde enden. Muss man halt sehen, was dabei rauskommt."

    Gleich neben dem digitalen Klassenzimmer haben dreizehn Verlage einen Gemeinschaftsstand aufgebaut. Dort präsentieren sie Software, die in Schulen oder auch Kinderbibliotheken zum Einsatz kommen soll. Auf einer Plattform mit Namen onilo.de werden klassische Kinderbücher von Grafikern mit Trickfilmelementen animiert, die Bilder werden auf einen Großbildschirm geworfen. Aus der Kinderbuchlektüre wird eine Art kollektives Kinoereignis. Irina Gudanakis vom Oetinger-Verlag stellt das Multimedia-Produkt vor:

    "Die Bibliotheken kennen das vielleicht, mit dem Bilderbuchkino Leseveranstaltungen zu machen. Man kann dieses großformatig einsetzen. Sowohl im Schulunterricht als auch in den Bibliotheken. Und es wird auch sehr gut genutzt. Wir haben Bibliotheken in Hamburg, in München und in Bremen. Wir haben jetzt gerade hier in Hessen eine Fachstelle, mit denen wir eine größere Rahmenvereinbarung haben."

    Fazit: Das Klassenzimmer der Zukunft wird elektronischer sein als heute – doch Bücher haben nicht ausgedient. Sie werden mit neuen Techniken kombiniert. Das Risiko jedoch, im Klassenzimmer von Technik umstellt zu werden oder gar in einer unstrukturierten, digitalen Informationsflut zu ertrinken, wird vom Buchmessen-Fachpublikum gesehen.