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Zwischen Freiheit und Erfolgsdruck
Skaten als olympische Disziplin

Skateboard fahren bedeutet Lifestyle und Freiheit. Wenn es bei den olympischen Sommerspielen 2020 in Tokio für Skateboarder erstmals um Medaillen geht, heißt es dann: Regeln und Erfolgsstreben. Die Szene ist gespalten. Mancher findet: "Olympia ist eigentlich all das, was Skaten nicht ist."

Von Daniela Müllenborn | 19.08.2018
    Der US-Amerikaner Mitchie Brusco bei den X Games 2013 in Barcelona.
    Ab 2020 olympisch: Skaten. (picture alliance / dpa / Marta Perez)
    Ein Skatepark in Düsseldorf. Hier trainiert auch Lenni Janssen, 17 Jahre alt. Er fährt schon lange Skateboard: "Also, geradeaus fahren konnte ich schon mit vier, so als Hobby hab ich es mit acht angefangen." Inzwischen ist Lenni einer der besten Skateboard-Fahrer in Deutschland und hat ganz gute Karten 2020 in Tokio dabei zu sein.
    Er gehört nämlich zum vorläufigen deutschen Olympiateam: "Allein dort mitmachen zu können, ist 'ne übelst große Sache. Da hat ja nicht jeder die Gelegenheit oder das Glück dafür, einfach krass." Andere Skateboarder empfinden es eher als Pech, dass ihr Sport jetzt Teil eines strikten Reglements werden soll.
    Der Skater Lenni Janssen hält 3 Skateboards in seinen Armen.
    Der Skater Lenni Janssen könnte für Deutschland bei den Olympischen Spielen 2020 antreten. (Dlf/Lenni Janssen)
    Dass sich das Internationale Olympische Komitee neben Sportklettern und Surfen auch Skateboarden ausgeguckt hat, um die angestaubten Sommerspiele eine Spur lässiger wirken zu lassen, für junge Leute, die an klassischen Sportarten wie Kunstturnen, Fechten oder Reiten eher weniger Interesse haben.
    "Skaten ist an sich ein unabhängiger Sport"
    Donald Campbell, 52, früher Besitzer einer Skateboard-Halle und Entdecker von Lenni, beobachtet die Entwicklung skeptisch: "Skaten ist an sich ein unabhängiger Sport, du bist halt auf dich alleine gestellt. Olympia, da gehst du mit einer Nummer an den Start, hast dein Leibchen an, und das ist eigentlich all das, was Skaten nicht ist."
    Olympia-Zugehörigkeit als Widerspruch zur Skateboard-Kultur? Klares "Ja", sagt Titus Dittmann, der deutsche Skate-Pionier schlechthin. Er kann sich nur schlecht vorstellen, wie die Olympiastarter 2020 gemeinsam mit anderen Sportlern im Einheits-Dress ins Stadion von Tokio einlaufen: "Aus der pädagogischen Sicht sage ich, schade, dass es olympisch wird. Von Grund auf geht's beim Skateboarden nicht um 'höher, weiter, schneller'."
    Der Unternehmer Titus Dittmann
    Der Unternehmer Titus Dittmann (picture alliance / dpa / Ina Fassbender)
    Sondern um Selbstbestimmheit, Freiheit und darum, dass sich alle gemeinsam freuen, wenn jemand einen neuen Trick schafft – egal wie schwer der war, sagt Dittmann. Die deutsche Szene ist also zwiegespalten. Hier diejenigen, die sagen, Skateboarden muss bei seinen Wurzeln bleiben. Auf der anderen Seite, diejenigen, die sagen, Skateboarding muss sich weiterentwickeln, und darf ruhig kommerzieller werden.
    Skater-Szene ist unorganisiert
    Diese Sicht kann auch Titus Dittmann nachvollziehen, obwohl er Olympia-Skeptiker ist: "Es tut kommerziell den Skateboardern gut, die Profi werden wollen, die davon leben wollen. Da wird's einfacher, wenn die Allgemeinheit auf Skateboarden steht und das toll findet, kann man anfangen damit Kohle zu verdienen."
    In den letzten Jahren hat sich viel getan. Es gibt mehr Contests, sprich Wettbewerbe, als noch vor zehn, fünfzehn Jahren. Es gibt zum Beispiel die Street League - eine Art Champions League im Skateboarding. Es gibt die X-Games, die größte Fun- und Action-Sport-Veranstaltung der Welt. Das Problem: Die weltweite Skater-Szene ist weitestgehend unorganisiert, und mehrere Verbände konkurrieren miteinander.
    Und in Deutschland war es gar nicht so einfach, ein Olympiateam zusammenzustellen. Lenni und seine Team-Kollegen wurden vor einem Jahr teilweise von Agenturen sozusagen aufgestöbert: "Ja, es gibt halt keine Ranglisten, deshalb war es auch so schwer, deshalb mussten die so rumfragen, bei ein paar Contest-Ergebnisse gucken, weil es keine Rangliste gibt, wo du gucken kannst, wer ist in Deutschland Platz eins oder so was."
    Kein Widerspruch zu Olympia
    Auch wenn Lenni zum vorläufigen Olympia-Team gehört, und sich für die Spiele in Tokio qualifizieren kann: Für ihn heißt Skaten in erster Linie noch immer mit Freunden abhängen, mit dem Brett auf vier Rollen durch Straßen und über Plätze heizen, in Parks über Ramps fahren und Tricks machen. Skaten - ein Lebensgefühl, aber kein Widerspruch zu Olympia.
    "Alle, die sagen, dass es kacke ist, oder sich darüber beschweren, das ist total unbegründet, weil es ändert sich für sie ja nichts. Die können ja das machen, was sie vorher gemacht haben, es ändert sich nix, außer dass sie vielleicht einen Skatepark bekommen, also ist das total dumm." Sagt es und schnappt sich sein Skateboard und geht gerade noch mal bei den Kumpels vorbei.