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Zwischen Glaube und Wissenschaft

Es ist der zweite Band seines Buchs über das Leben Christi, den Josef Ratzinger alias Papst Benedikt XVI. heute veröffentlicht. "Der Papst versucht eigentlich, einen Spagat zu machen", resümiert SZ-Kirchenredakteur Matthias Drobinski.

Matthias Drobinski im Gespräch mit Peter Kapern | 10.03.2011
    Peter Kapern: Für 13 Uhr heute Mittag hat Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, nach Frankfurt zu einer Pressekonferenz eingeladen. Die läuft also im Moment. Dort wird der zweite Band des Buchs "Jesus von Nazaret" vorgestellt. Verfasser des Werks ist niemand geringerer als Papst Benedikt XVI.. Sein jüngstes Werk wird heute weltweit präsentiert. Zugeschaltet aus München ist uns nun jemand, der es bereits in der Hand hält: Matthias Drobinski, Kirchenredakteur der Süddeutschen Zeitung. Guten Tag, Herr Drobinski.

    Matthias Drobinski: Hallo! Guten Tag.

    Kapern: Herr Drobinski, wer hat dieses Buch eigentlich geschrieben, der Theologe Josef Ratzinger, oder Papst Benedikt XVI.?

    Drobinski: Es hat zumindest nach eigenem Anspruch erst mal der Theologe, also der Gelehrte, wie er selber sagt, Josef Ratzinger geschrieben, der natürlich nicht leugnen kann, dass er Papst ist, also das Oberhaupt der katholischen Kirche. Da haben Sie auch genau die Rollendiffusion angesprochen, die in diesem Buch natürlich drin ist. Da ist jemand, der als Gelehrter dieses Buch angefangen hat, da war er noch nicht Papst, da kam diese Idee, man müsste mal das Leben Jesu aufschreiben. Dann ist er Papst geworden und in diesem Sinn kann man sagen, ist es kein Plagiat, er hat es wirklich selber geschrieben, er hat keine anderen Hilfen gehabt, außer seiner eigenen Gelehrsamkeit. Das ist sicher etwas, was ihn als Gelehrten auszeichnet. Aber natürlich hat er eine Funktion.

    Kapern: Von welchem Jesus erzählt uns denn da der Papst?

    Drobinski: Der Papst versucht, eigentlich einen Spagat zu machen. Er versucht, auf der einen Seite den Jesus der Wissenschaft ein bisschen zu beschreiben, was denken die Theologen, was denkt die historisch-kritische Methode über diesen Papst. Andererseits versucht er doch aber auch, den Jesus des Glaubens darzustellen: diesen Jesus, der eben nicht seziert wird von den Wissenschaftlern, der nicht mit Zweifeln überschüttet wird, sondern der Jesus, der das wahrhaft Neue, nämlich die christliche Religion in die Welt gebracht hat. In diesem Sinne ist es also durchaus ein Glaubensbuch, ein Buch, in dem der Papst sich sagt, ich beschreibe diesen Jesus, an den ich glaube und von dem ich auch denke, dass er die Grundlage des Christentums und natürlich für ihn der katholischen Kirche ist.

    Kapern: Wenn ich da noch mal nachfragen darf: Was genau macht denn die Differenz aus dieser beiden Jesus-Bilder, die Sie dort gerade angedeutet haben, und auf welche Position stellt sich der Papst da genau?

    Drobinski: Der Papst versucht da, man könnte sagen, einen Mittelweg. Ich glaube aber, letztlich ist es doch eine Kritik an dieser historisch-kritischen Methode. Das heißt, er sagt, diese Theologen haben über 100 Jahre hinweg - kann man fast sagen - diesen Jesus seziert, sie haben versucht rauszufinden, was ist historisch beweisbar, haben dadurch ganz viel weggelassen, was angeblich Theologie der Evangelisten ist, die das Leben Jesu aufgeschrieben haben, 30, 60, 90 Jahre nach dessen Tod. Das heißt, die haben eigentlich immer gesagt, das und das und das, da haben wir Zweifel, da muss man vorsichtig sein, und da sagt der Papst, das ist schon alles durchaus richtig - ich bin keiner von denjenigen, die sagen, die Bibel ist wortwörtlich wahr, so wie sie da steht - aber das ist nicht das Einzige, sondern er sagt, letztlich müssen wir diesen Jesus als Jesus des Glaubens beschreiben, der eben nicht einfach ein frommer Jude war, wie viele Theologen das sagen oder viele Bibelwissenschaftler das sagen, und dessen Anhänger erst das Christentum zum Christentum gemacht haben, sondern auch dieser Jesus wollte eine neue Religion gründen.

    Das ist unter Theologen sehr umstritten. Da stellt sich der Papst eigentlich genau auf diese Seite, die sagen, jawohl, dieser Jesus wollte sich bewusst von den frommen Juden seiner Zeit unterscheiden. Da gibt es zum Beispiel eine Szene, da geht es ums letzte Abendmahl. Da gibt es drei Evangelisten, die beschreiben, dass Jesus sich sehr streng an die jüdischen Vorschriften gehalten hat, einen, nämlich Johannes, der sagt, dass er eigentlich was Neues wollte, dass er bewusst vor dem eigentlichen Pessach-Fest sein letztes Abendmahl feiert. Da sagt der Papst gegen die Mehrheit der Wissenschaftler, ich neige Johannes zu, denn das beschreibt, wie Jesus etwas Neues ins Leben bringen wollte, in die Welt bringen wollte, nämlich eben dieses eigene neue Fest, das Fest des Christentums.

    Kapern: Wird dieses Buch von Papst Benedikt in der Szene der Theologen, der kritisch-historischen Theologen, vehement diskutiert werden? Was denken Sie?

    Drobinski: Das Erste ist durchaus sehr kontrovers diskutiert worden. Da gab es auch einige Kritik. Ich denke, das wird jetzt beim Zweiten ein bisschen weniger werden, weil er letztlich das des Ersten fortsetzt. In diesem Sinne enthält das Buch wenig wirklich spektakulär Neues, sondern er führt den Duktus fort, den er eigentlich schon im ersten Buch hatte, wo er über das Auftreten Jesu als Lehrer geschrieben hat.
    Jetzt im zweiten Buch geht es ja sehr stark um Leiden, Tod und Auferstehung Jesu, was sowieso sehr schwierige Themen auch für Theologen sind. Ich denke, es wird respektiert werden. Das, was mir auch an dem Buch gefällt, dass es sehr gut geschrieben ist, dass es ein Buch ist, wo man merkt, da hat einer seinen Stoff wirklich auch durchdacht. In diesem Sinne kann man schon sagen, da hat auch der Gelehrte Josef Ratzinger geschrieben, auch durchaus ein Werk seines Könnens. Das wird, glaube ich, respektiert werden.

    Beim anderen muss man sagen, da muss dann ein Theologe auch in all seiner Freiheit sagen können, ich bin eigentlich eher für den Zweifel da. Ich glaube, als Wissenschaftler muss man schon immer wieder sagen, ich bin derjenige, der seziert, der schaut, stimmt das denn, der schaut, gibt es nicht was Neues. Da hat er als Papst natürlich vielleicht einfach eine andere Rolle, nämlich derjenige, der sagt, ich muss doch auch sehr stark den Jesus des Glaubens beschreiben.

    Kapern: Letzte Frage, Herr Drobinski, mit der Bitte um eine kurze Antwort. Ist das eigentlich auch ein Buch, das Menschen lesen können, die nicht Theologie studiert haben?

    Drobinski: Ja. Wer ein bisschen Bereitschaft mitbringt, sich in diesen Stil, der der Stil eines 80-Jährigen Mannes ist, einzulesen, der kann da auch durchaus seinen Spaß dran haben. Ich habe es durchaus mit Gewinn gelesen.

    Kapern: Das war Matthias Drobinski von der Süddeutschen Zeitung, dort ist er zuständig für das Ressort Kirche. Ich bedanke mich für das Interview, wünsche einen schönen Tag nach München.