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Zwischen Journalismus und PR passt ein iPad

Wunder-Flunder wird der neue Mini-Computer iPad von Apple schon genannt. Schließlich hofft vor allem die Zeitungsbranche, dass jetzt die Saure-Gurken-Zeit endlich vorbei ist. Der Verkaufsstart des iPad vergangenen Samstag in New York war ein Medienereignis. Unter den Journalisten aus aller Welt stach jedoch einer besonders hervor. Richard Gutjahr, der, wenn er nicht gerade in New York Schlange steht, für den Bayerischen Rundfunk als freier Journalist Fernsehsendungen moderiert. Er berichtete über das iPad in der "Münchner Abendzeitung" und auf der Internetseite der "Süddeutschen". Und er wurde selbst zum Objekt der Berichterstattung, etwa bei "Spiegel online" und im ZDF. Weil, ja weil der Kollege Gutjahr als erster Kunde weltweit das Objekt der Begierde in Händen hatte. Und weil er sich dabei so verhielt, als habe man ihn gerade auf den Mars geschossen.

Von Felix Hügel | 10.04.2010
    Unter Applaus läuft Richard Gutjahr die Treppen des Apple-Stores in New York herunter. Er ist der Erste, der sich das neue iPad kaufen darf. Die Szene gibt es in seinem Blog und auf der Video-Plattform YouTube zu sehen. Zuvor hatte Gutjahr 20 Stunden aus der Warteschlange vor dem Apple Store in New York gebloggt und getwittert. Videos hat er direkt vom Klappstuhl aus an seinem Laptop geschnitten und ins Netz gestellt.

    Im Internet wird nun diskutiert: Für die einen ist er ein Wegbereiter der multimedialen Live-Berichterstattung. Für die anderen kann er schlichtweg nicht zwischen Journalismus und PR unterscheiden. So sieht das auch der freie Journalist und Blogger Martin Giesler:

    "Dadurch hat er meiner Meinung nach in einer gewissen Grauzone agiert, nämlich einerseits zwischen sozusagen distanzloser Blogger-Reportage, in der ein Produkt auch durchaus abgefeiert werden darf. Auf der anderen Seite aber auch in seiner Funktion als freier Journalist, der sozusagen zusieht, dass er seine Story verkauft bekommt. Da hat sich meiner Meinung nach Journalismus und PR irgendwie zu sehr die Hand gereicht und der Zuschauer oder der Leser musste sich eigentlich immer fragen, okay, ist der Mann in dem Moment, wo ich das lese, ist er da der Apple-Fanboy oder ist er da der Journalist."

    Zwar könne ein Journalist nie hundertprozentig objektiv berichten, sagt Giesler. Doch wer sich so offiziell mit einer Marke oder einem Produkt identifiziere, der höhle journalistische Standards aus. Und das zerstöre unnötig das Vertrauen in den Journalismus. Diese Vorwürfe will Richard Gutjahr allerdings nicht gelten lassen:

    "Ich habe alle meine Mittel transparent gemacht. Ich habe nicht verschwiegen, wenn man bei mir auf die Homepage geht oder bei Twitter nachliest, ich bin ein Apple-Fan, ich habe mir die Reise selber finanziert, ich habe mir Urlaub genommen beim BR, also ich habe alles, alles offen und publik gemacht, was man machen kann. Ich wünschte mir, die klassischen Medien würden so transparent arbeiten, weil da weiß ich nicht immer, welches Parteibuch ein Journalist hat, der über Politiker berichtet oder in welche Beteiligungen eine Zeitung verstrickt ist."

    Gutjahr sagt, er habe eigentlich nur für die interessierten Nutzer zu Hause bloggen wollen. Der Wirbel um seine Person sei wohl dadurch gekommen, dass er per Zufall zum Ersten in der Warteschlange wurde. Ihm sei es dabei auch nicht um Journalismus im hehren Sinne gegangen, sondern um eine neue Form der Kommunikation. Und die habe ganz gut funktioniert. Trotz aller Kritik an seiner Aktion: Die Mehrheit der Kurznachrichten bei Twitter und der Kommentare in Blogs sind durchaus positiv. Richard Gutjahr habe deutlich gemacht, dass er Apple-Fan sei, beinahe schon damit kokettiert, findet die Medienjournalistin und Bloggerin Ulrike Langer. Auch sie lobt die Berichterstattung von Gutjahr:

    "Ich sehe, dass er sehr interessant, innovativ und auch sehr unterhaltsam mit den Möglichkeiten gespielt hat, multimedial aus New York Bericht zu erstatten. Jemand hat den Begriff 'Embedded Journalism' für ihn angewandt. Es trifft es auch hier, weil er ist als Blogger mittendrin gewesen, er ist in der Schlange gewesen. Das ist ja auch sein eigentliches Anliegen, er hat weniger über das iPad berichtet, er hat Leute in der Schlange interviewt, 24 Stunden Live-Gefühl dort vermittelt - und das hat er sehr gekonnt gemacht."

    Unabhängig von Richard Gutjahrs Experiment arbeitet die ARD derzeit an Richtlinien für ihre Redakteure in sozialen Online-Netzwerken. Dort sollen zum einen Fragen zu Datenschutz und Urheberrecht geregelt werden. Es geht aber auch um die Rolle der Journalisten. So soll immer klar zu erkennen sein, ob der Journalist sich im Internet als Redaktionsmitglied oder als Privatmensch äußert. Beim Bayerischen Rundfunk gibt es bisher keine Regelungen für das Verhalten der Mitarbeiter beim privaten Bloggen oder twittern. In der Pressestelle in München sieht man den Rummel um die iPad-Aktion des freien Mitarbeiters Gutjahr auch durchaus positiv. Immerhin sei das kostenlose Werbung für den Sender.