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Zwischen Konstruktivismus und Comic

Die amerikanische Künstlerin Joanne Greenbaum will den Betrachter ihrer Bilder desorientieren. Sie tut das, indem sie in ihre geometrisch geprägten Bilder Unordnung bringt, zum Beispiel durch Übermalen. Nun widmet das "Haus Konstruktiv" in Zürich der Malerin erstmals eine Einzelausstellung.

Von Christian Gampert | 11.03.2008
    Sechs Großformate hat Joanne Greenbaum extra für die große Halle des alten Züricher Kraftwerks gemalt, sechs Bilder mit einer jeweils anderen dominanten Grundfarbe, schrilles Pink und Rosa, blutiges Rot, tiefes Beerdigungs-Schwarz, Badezimmer-Türkis, giftiges Gelb. Sie zeigen den letzten Stand in der Entwicklung dieser Malerin, die mit geometrischen und konstruktiven Elementen arbeitet und das mit gestischer, expressiver Malerei verbindet. Keine leichtverdauliche Kost, nichts, was man einfach so angucken und schön finden könnte. Wir sehen vielmehr Zeugnisse eines komplizierten Mal-Prozesses, den man in diesen Bildern nachvollziehen kann. Deutlich ist zum Beispiel, dass der Ausgangspunkt dieser Arbeiten die Zeichnung ist. Joanne Greenbaum zeichnet, kritzelt pro Woche ein ganzes Notizbuch voll, aus diesem manischen Stricheln entwickeln sich formale Ideen, die sich dann, in viel größerer Dimension, in den Ölbildern wiederfinden. Es gibt vielerlei Anklänge an die Sprache der klassischen Moderne, an die Farbfelder der Konkreten, die mechanischen Elemente der Konstruktivisten, aber das ist eben nicht pur eingesetzt, sondern Farbfelder ergießen sich ins Bild, bekommen eine Lebendigkeit jenseits des Abstrakten, und die konstruktiven Bestandteile haben etwas Anarchisch-Spielerisches, wie nicht-gegenständliche Comic-Zeichnungen für die gebildeten Stände.

    Joanne Greenbaum hat nicht immer so gemalt. Als Studentin war sie von der Pop-Art beeinflusst; dann hat sie Stilleben gemalt, und dann hat der Tisch, auf dem die Gegenstände standen, sie in seiner Körperlichkeit mehr interessiert als das Stilleben selber. Das war der Schritt zur abstrakten Malerei, zunächst ohne Erfolg; dann kamen Bilder mit Schütt-Techniken, und Ende der 1980iger Jahre hat sie dann nochmal von angefangen.
    - "Ich mochte die Idee, über das Prozesshafte und die Möglichkeiten von Performance auf der leeren zweidimensionalen Leinwand nachzudenken. Wenn etwas leer und weiß ist, dann ist das wie eine leere Seite, auf der man mit Farbe auftreten kann. So wurden die Bilder Performances mit Farbe."

    Einige Bilder dieser Phase, in der Formen und Zeichen auf relativ weißen Leinwänden herumschwirren, sind auch in Zürich zu sehen. Sie haben Witz und Ironie, weil sie abstraktes Material mit naiven Comic-Schablonen wie Kulleraugen und Polypenarmen mischen. Die Strenge der Abstraktion wird so aufgebrochen zugunsten einer persönlicheren Sprache.

    " "I wanted to figure out a way: how can you make an abstract painting, that is a very personal type of expression?”"

    Also: Wie kann man ein abstraktes Bild malen, das trotzdem eine persönliche Meinungsäußerung ist? Bei Greenbaum kommen - seit Mitte der 90iger Jahre - die Kritzeleien der Notizbücher ins Spiel, die sich in den Bildern dann monumentalisieren. In Zürich kann man genau beobachten, wie sich die Strukturen der Bilder langsam verdichten, verschachteln, übereinander legen, immer komplexer werden, Zahlen und Hinweise sich einschleichen, als gucke man von oben auf einen Stadtplan, auf dem die Hausnummern eingetragen sind - dabei ist es nur der Plan für das Bild, das Greenbaum in der Reihenfolge der Malakte mit Nummern benennt.

    Greenbaum hatte das Glück, dass die einflussreiche Kritikerin Roberta Smith von der "New York Times" ihre Bilder als "kryptisch" und "frech" empfahl; das machte Greenbaum, die bis vor 10 Jahren für ihren Lebensunterhalt in einer Buchhandlung arbeiten musste, die Tür auf zu Galerie- und Gruppenausstellungen - und jetzt hat sie eine große Museumsausstellung in Zürich, wo die Kuratorin Dorothea Strauss die konkreten und konstruktiven Elemente der Bilder behutsam mit Arbeiten der hauseigenen Sammlung garniert und abfedert.

    Man kann alles mögliche in Greenbaums Bilder hineinassoziieren - wichtig ist zu begreifen, dass sie "Innenleben" sind, abstrakter Ausdruck eines psychischen Prozesses. Das wird nicht jedem zugänglich sein; dafür, dass hier immer noch mit den strengen Formen der abstrakten Malerei experimentiert wird, sind die Bilder der Joanne Greenbaum allerdings wirklich sehr lebenslustig, leichthändig und crazy.