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Zwischen Lohndumping und Online-Zwang

Deutschlands Zeitungsverleger investieren im großen Stil ins Internet, um die Anzeigenverluste auszugleichen, die sie in ihren gedruckten Blättern zu verzeichnen haben. Journalisten, die früher nur recherchiert und geschrieben haben, bauen nun auch die Webseiten zusammen und drehen kleine Filme für die Internetauftritte ihrer Zeitungen. Kritiker warnen bereits vor Mängeln in der professionellen Berichterstattung.

Von Brigitte Baetz | 14.11.2008
    Essen, am 11. November. Während im Rheinland die Jecken den Beginn der fünften Jahreszeit einläuten, treffen sich an der Ruhr über 800 Mitarbeiter der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung", der "Westfälischen Rundschau", der "Westfalenpost" und der "Neuen Ruhr/Rhein-Zeitung" zu einer Betriebsversammlung. Es ist die erste gemeinsame Veranstaltung dieser Art. Den Mitarbeitern ist nicht zum Feiern zumute. 300 Stellen, so haben sie aus anderen Medien erfahren, will die Zeitungsgruppe WAZ sparen. Und ihre eigenen, bislang redaktionell unabhängigen Blätter sollen nun einen zentralen so genannten "Content Desk" bekommen. Dieser soll die Inhalte für den Mantel der Zeitungen, also die ersten Seiten, zuliefern. Nur die Westfalenpost soll als "Heimatzeitung" erhalten bleiben.

    " Ich bin mir sicher, wenn es jetzt eine Art Agentur gibt für die vier WAZ-Zeitungen, dann natürlich von Vielfalt nicht mehr die Rede sein kann. In Dortmund gibt es ja noch den WAZ-Mantel und den Mantel der "Westfälischen Rundschau" und dann wird es dann eben so sein, was bei der Rundschau Aufmacher ist, das ist bei der WAZ vielleicht der Aufsetzer und umgekehrt: und das ist nichts Anderes als wenn man sagt, man macht eine Agenturzeitung nur mit dpa-Meldungen, nur dass es eben aus dem eigenen Haus kommt und das man jetzt halt eben die Lizenz oder das Geld spart, was man sonst für dpa ausgibt. "

    Susanne Schulte arbeitet in der Stadtteilredaktion der "Westfälischen Rundschau" in Dortmund. Seit fast 25 Jahren ist sie Journalistin. Sie hält aus ihrer eigenen Berufserfahrung heraus die Konkurrenz mehrerer Zeitungen an einem Ort für absolut notwendig, um journalistische Qualität aufrecht zu erhalten.

    " Ganz wichtig. Ganz, ganz wichtig. Ich habe immer in Städten gearbeitet, in denen es eine Konkurrenz gab, und es ist ganz wichtig. Es gibt ja, glaube ich, nur eine einzige Zeitung, die gelobt wird, dass sie eine Monopolzeitung ist und trotzdem klasse Inhalte macht, das ist das Schwäbische Tagblatt in Tübingen und ansonsten ist es halt so: man kann halt alles auf die lange Bank schieben und Zeitung ist dann halt nicht mehr das, was sie eben sein soll: sie soll halt kontrollieren, sie soll die Leser und Leserinnen zum Nachdenken bringen, auch mal quer zu denken und das würde dann halt eben nicht passieren. "

    Nicht nur 300 Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen scheinen mit dem Ende des so genannten WAZ-Modells gefährdet zu sein, auch die Vielfalt der Presselandschaft und damit die Meinungsvielfalt im bevölkerungsreichsten Bundesland stehen zur Disposition. Als die WAZ, die größte Regionalzeitung Deutschlands, in den 70er Jahren Westfalenpost, Westfälische Rundschau und Neue Ruhr/Rheinzeitung aufkaufte, behielt sie die redaktionelle Eigenständigkeit der Blätter bei, um das Kartellamt milde zu stimmen. Was bis heute von der WAZ gerade auch als Garant wirtschaftlichen Erfolges gepriesen wird, wird nun ausgehöhlt. Denn auch im lokalen Bereich wird bereits massiv gespart.

    Damit steht die WAZ längst nicht allein. In ganz Deutschland, ohnehin beherrscht von Zeitungsmonopolen ohne wirkliche lokale Konkurrenz, wird in den Redaktionen Personal abgebaut, teilweise sogar in Subunternehmen ausgelagert. Damit haben die Lokal- und Regionalzeitungen ihren Ruf, journalistische Schule der Nation zu sein, längst verspielt, meint Horst Röper, Zeitungsexperte und Gründer des Dortmunder Formatt-Institutes:

    " Also die klassische Karriere: sich im Lokalen beweisen, aufzufallen, um dann in die Redaktionen der einzelnen Zeitungen zu gehen und von dort aus vielleicht zu Hörfunk oder Fernsehen, zu Zeitschriften, also das gilt sicherlich auch heute noch, allerdings nicht mehr in dem Maße wie früher, weil es eben den Talentschuppen so nicht mehr gibt. In den Lokalredaktionen haben die wenigsten Kollegen heute noch die Möglichkeit sich auszuzeichnen über recherchierte Artikel, sondern sie sind heute Blattmacher. Sie müssen also jeden Tag dafür sorgen, dass die Zeitung voll wird, mit was ist schon beinah trivial. "

    Immer mehr Arbeit wird von freien Journalisten erledigt, für die keine Sozialabgaben anfallen. Dabei hat die Arbeit in den Redaktionen zugenommen. Denn Deutschlands Verleger investieren im großen Stil ins Internet, um die Anzeigenverluste auszugleichen, die sie in ihren Blättern zu verzeichnen haben. Journalisten, die früher nur für ihr Blatt schrieben, stellen nun auch Texte online oder nehmen auf Termine auch Videokameras mit, um die Internetauftritte ihrer Zeitungen mit kleinen Filmen zu bedienen. Horst Röper stellt eine zunehmende Verflachung der deutschen Presselandschaft fest und immer mehr professionelle Mängel in der Berichterstattung.

    " Ich bin sicher, dass die deutschen Zeitungen, also zumindest einige dieser Zeitungen schlechter geworden sind. Das ist ablesbar, wir wissen das auch aus Untersuchungen, also Untersuchungen von Journalisten über Journalisten, in denen deutlich geworden ist, wie Journalisten heute arbeiten. Sie haben eben heute viel weniger Zeit und Muße für Recherche, um eben auch schwierige Themen zu bearbeiten. Also, wenn die Zeit fehlt, nimmt man sich das leichte Thema, nimmt sich vielleicht den Agenturtext, verändert diesen noch mal und füllt damit den Platz in der Zeitung dort, wo früher die eigen recherchierte, vielleicht auch investigative Leistung platziert war. "

    Zeit und finanzielle Unabhängigkeit - das sind die beiden Faktoren, die journalistische Qualität erst möglich machen. Darin sind sich die Standesorganisationen der Journalisten, aber eigentlich auch die Verleger einig. So hat Alfred Neven DuMont, Herausgeber unter anderem des Kölner Stadtanzeigers bei der Verleihung des renommierten Theodor-Wolff-Preises dazu aufgerufen, wieder verstärkt in die Redaktionen zu investieren. Auch auf den vielen Medienkongressen der Republik herrscht auf den Podien Konsens: die Qualität der Inhalte bringe den Erfolg. Doch, so der Medienexperte Horst Röper, die Realität sieht anders aus.

    " Bei einer ganzen Reihe von Verlagen ist diese Untergrenze erreicht, bei manchen sicher schon unterschritten. Das hängt mit Vielem zusammen. Das sind zum einen Planstellen, die eingespart worden sind, also schlicht weniger Redakteure, zum anderen immer mehr freie Mitarbeiter, die häufig eben nicht den Ausbildungsstand haben wie die Redakteure, zum dritten Tarifflucht. Viele Verlage bezahlen ja heute nicht mehr nach Tarif und haben dann natürlich auch nicht mehr eine Positivauswahl, sondern eine Negativauswahl. "

    Zumal auch die Freien Mitarbeiter immer schlechter bezahlt werden. 30 Cent pro Zeile sind keine Seltenheit. Auch Berthold Flöper, Projektleiter Lokaljournalismus bei der Bundeszentrale für politische Bildung, sieht einen Kulturwandel in den Redaktionen.

    " Der normale Lokaljournalist wird demnächst Vieles anders machen müssen. Er wird auch kleinere Filme produzieren, er wird Hörfunk machen, Podcast machen, all das läuft jetzt schon an. Das ist eine ganz spannende Entwicklung zu sehen, aber auch sehr nüchtern muss man das betrachten. "

    Berthold Flöper glaubt jedoch durchaus an die Heilkräfte des Marktes, die eine komplette Verflachung aufhalten könnten.

    " Diese Kritik haben wir ja schon heute, eigentlich. Immer mehr vom Gleichen beispielsweise, dann nur auf anderen Kanälen. Da ist bestimmt was dran und das muss man sich auch ganz genau angucken. Aber das muss nicht unbedingt so sein, denn letztendlich wird der Hörer, der User, der Leser das unterscheiden. Wenn er sagt, ich bekomme da eh nur Flaches, dann wird er das nicht annehmen und dann werden auch keine Geschäftsmodelle entwickelt. "

    Doch wie viel Qualität will der Leser, will der Internetnutzer? Merkt er es überhaupt, dass seine Zeitung mehr bieten könnte?

    " Tja, das ist eine sehr gute Frage. Ich weiß es nicht. Das kann man sozusagen nur am Markt austesten, wobei ich glaube: Man hat nur einen Versuch, weil wenn die Leute heutzutage weg sind, die dann wieder zu gewinnen und zu sagen, wir sind aber jetzt besser geworden, halte ich für ziemlich ausgeschlossen. "

    Thomas Rogalla ist Sprecher des Redakteursausschusses bei der Berliner Zeitung. Ausgerechnet auf dem publizistisch heftig umkämpften Zeitungsmarkt der Hauptstadt hat der Eigner der Zeitung, eine Investorengruppe um den Iren David Montgomery, die Parole ausgegeben, die Rendite auf bis zu zwanzig Prozent zu steigern. Dabei gilt schon die Rendite von rund 15 Prozent, die zur Zeit erwirtschaftet wird, als ausgezeichnet. Von 130 Redakteuren sollen noch einmal 40 abgebaut werden:

    " Die Chefredaktion in Personaleinheit mit dem Geschäftsführer, also Josef Depenbrock, tut alles, um Kosten zu senken, Leute, die weggegangen sind, werden nicht ersetzt. Wir tun das Mögliche, um das aufzufangen durch Mehrarbeit und so, aber auf die Dauer werden es die Leute merken, dass sie für ihr Geld weniger gute Zeitungen bekommen. "

    Doch die Redaktion wehrt sich. Schon die Tatsache, dass ihr Chefredakteur Josef Depenbrock gleichzeitig Geschäftsführer ist, hält sie für eine Verwilderung der journalistischen Sitten. Sie hat ihm öffentlich ihr Misstrauen ausgesprochen und sogar vor dem Arbeitsgericht gegen die personelle Verquickung von Geschäftsinteressen und journalistischem Anspruch geklagt - allerdings ohne Erfolg. Der Chefredakteur sorge sich mehr um die Vermischung von redaktionellen Inhalten mit dem Anzeigengeschäft, als um die Zeitung selbst, kritisiert die Redaktion. Thomas Rogalla

    " Der ausschließlich betriebswirtschaftliche Blick auf Zeitungen, dass man sie betrachtet, als sei das eine x-beliebige Schraubenfabrik, das ist wirklich ein Trend, den es so in den letzten Jahrzehnten nicht gegeben hat, obwohl man nichts beschönigen darf. "

    Wie der Zeitungsexperte Horst Röper sagt, wird das Beispiel Berliner Zeitung von vielen anderen Verlagen genau beobachtet. Wie wird das Experiment ausgehen? Mit wie wenig Personalkosten lässt sich eine renommierte Regionalzeitung auf Dauer betreiben? Letzte Woche wurde bekannt, dass der Verlag seinen Redakteuren keine Reisen außerhalb Berlins mehr finanzieren will.

    " Es ist in Teilen exemplarisch. Es ist vielleicht überzogen, dahinter steckt ja eine der so genannten Heuschrecken, also ein ausländischer Investor, eine Fondsgesellschaft, die jetzt diese hohen Renditen erwartet und erzwingen will von der Belegschaft, aber das Strickmuster, auf jeden Fall die Renditen wieder hoch zu fahren, obwohl der Markt das derzeitig eben nicht hergibt, das sehen wir bei fast allen Verlagen. "

    Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Ob "Neue Zürcher Zeitung", "New York Times", "Aftenposten", "Financial Times", "Basler Zeitung": Personalabbau, Auslagerung von Redaktion und Produktion, Reduzierung der Seitenzahlen senken die Kosten. Der "Christian Science Monitor", eines der führenden amerikanischen Meinungsblätter, hat sogar angekündigt, ab April nächsten Jahres nur noch online zu erscheinen. Die Angst geht um, dass das Medium Zeitung ein Auslaufmodell ist. Denn immer weniger Menschen greifen zu einer Tageszeitung: auch das ein weltweites Phänomen. Vor allem die jungen Leute wandern ins Internet ab, wo es die meisten Informationen umsonst gibt.

    Die Finanzkrise verunsichert zudem die Werbekunden. Und dennoch: das Project of Excellence in Journalism stellte in einer aktuellen Analyse fest, dass die amerikanische Zeitungsindustrie, trotz des teilweise dramatischen Auflagenschwundes von bis zu fünf Prozent pro Jahr, immer noch profitabel ist. Auch der sogenannte Printgipfel auf den Medientagen München Ende Oktober hinterließ den Eindruck, dass die deutschen Verleger immer noch wirtschaftlich besser aufgestellt sind als es nach außen den Anschein hat. Dirk Ippen gibt unter anderem den "Münchener Merkur", die "Hessisch-Niedersächsische Allgemeine" und den "Westfälischen Anzeiger" heraus.

    " Gerade die kleineren Zeitungen, in den kleinen Städten und auf dem Lande sind nach wie vor in Deutschland eine Erfolgsgeschichte, das muss man ganz klar sagen. Wir sind auch nicht betroffen von einer angeblichen früheren Krise, das gibt es einfach in 90 Prozent der deutschen Verbreitungsgebiete nicht, weil auch die Rubrikabhängigkeit von diesen Zeitungen gar nicht so groß ist. "

    Und auch die Südwestdeutsche Medien Holding, neben der Axel Springer AG und der WAZ Mediengruppe eine der größten Tageszeitungsgruppen in Deutschland, bestätigt, dass keiner ihrer Titel rote Zahlen schreibt. Der Geschäftsführer Richard Rebmann sagt jedoch voraus, dass das Produkt Zeitung für den Leser teurer werden wird, wenn die Werbeindustrie ihre Anzeigen weiter reduziert:

    " Wie lange können wir die Tageszeitungen profitabel betreiben, damit die ihren hohen Fixkostenblock tragen können? Das ist die eigentlich spannende Frage, weil eine Tageszeitung ist im Grunde genommen in der Produktion immer gleich teuer, ob Sie viel oder wenig Anzeigen drin haben und wenn Ihnen diese Anzeigen aus ihrem Produkt heraus brechen, dann ist Worst Case, dass Sie irgendwann an den Punkt kommen und sagen: Jetzt macht das eigentlich wirtschaftlich keinen Sinn, dieses zu betreiben und jetzt sind wir aber noch lange davon weg. Wo ich auch noch ein bisschen optimistisch bin, ist, dass wir bei der Süddeutschen, aber auch bei anderen Qualitätszeitungen gemerkt haben, dass wir in den Abo-Preisen Luft nach oben haben. Ich glaube, da waren wir in den letzten Jahren vielleicht auch etwas zu bescheiden. Ich denke, dass die Leser, wenn sie von ihrer Zeitung überzeugt sind, auch bereit sind, höhere Abopreise zu akzeptieren. "

    Wann aber sind die Leser überzeugt von ihrer Zeitung? Wie lässt sich die Abwanderung, vor allem der jungen Leute, ins Internet stoppen? Die auflagenstärkste deutsche Tageszeitung, die "Süddeutsche Zeitung", hat einen relativ niedrigen Altersdurchschnitt bei ihren Lesern. Er liegt zwischen 43 und 44 Jahren. Der "Süddeutschen" wie auch der "Frankfurter Allgemeinen" sei es gelungen, so meint der Verleger Dirk Ippen, ganz bestimmte soziale Gruppen für sich zu gewinnen und ihnen eine Art intellektuelles Zuhause zu geben.

    " Die wahre Aufgabe aber in der heutigen Zeit vor allem, wo die Information und die Nachricht vor allem alles syndicated ist, alles, was aus aller Welt kommt, von dpa, AP oder wo immer es herkommt, das ist eine commodity. Das ist überall zu haben und zu hören und da will verständlicherweise auch niemand mehr Geld zu bezahlen und deshalb ist es ganz entscheidend, die eigene Zeitung zu etwas Einzigartigem zu machen und sich klar zu machen: ich bin nicht im Inhaltegeschäft so sehr, ich bin im Geschäft, Gemeinschaften zu bilden und Teil von örtlichen oder nationalen Gemeinschaften zu sein. Warum ist eine "Süddeutsche Zeitung" so erfolgreich? Weil eine bestimmte Bildungselite in diesem Lande sich mit dieser Zeitung identifiziert."

    Identifikation gelingt in den regionalen und lokalen Blättern über die Berichterstattung aus der Heimat. Susanne Schulte, Redakteurin bei der Westfälischen Rundschau in Dortmund, wundert sich selbst, welch großes Echo die Entscheidung ihrer Zeitung auslöste, die Stadtteilausgaben im Umfang zu reduzieren.

    " Die Leser und Leserinnen in Dortmund lieben das Lokale und die lieben ihre Stadtteilzeitungen, weil da stehen eben die Sachen drin, mit denen Lokaljournalismus häufig verknüpft wird, nämlich die Lokalschau der Karnickelzüchter, die Klassentreffen oder das Schulfest, wenn es was Besonderes war und das wollen, das hab ich selbst so noch nicht mitbekommen, auch nicht, als wir vor einem guten Jahre schon mal probiert haben, die Seiten anders zu strukturieren, einen derartigen Aufschrei aus der Leser- und Leserinnenschaft habe ich noch nicht mitbekommen. "

    " Die Zeitung, die eigenständig für ihre jeweiligen Leserschaften in dem jeweiligen Gebiet berichten will, wird eben auch vor Ort sein müssen und das möglichst oft. "

    Der Zeitungsexperte Horst Röper

    " Stetig und ständig an der Präsenz vor Ort, an Korrespondenten, an Redakteuren zu sparen, die eben vor Ort sein können, mindert die Qualität solcher Zeitungen. "

    Lokale und regionale Kompetenz sind für eine Zeitung, die auf dem Markt bestehen will, wichtig. Doch auch für die Willensbildung der Wähler, für die Kontrolle von Politik, Wirtschaft und Verwaltung spielen Zeitungen immer noch eine größere Rolle als Fernsehen, Hörfunk oder Internet. Eine funktionierende Presselandschaft gilt in der Demokratietheorie als wichtiges Element eines funktionierenden Staatswesens.

    " Zeitungen sind eben nicht nur irgendein Produkt. Sie haben in einer Demokratie eine wichtige Funktion. "

    Thomas Rogalla vom Redakteursausschuss der "Berliner Zeitung" glaubt deshalb auch, dass sein Blatt fast schon eine Verpflichtung habe, sich dem drohenden Niveauverlust entgegen zu stellen. Die Redakteure der "Berliner Zeitung" wollen mit Protestaktionen, aber auch weiterhin mit dem hohen Niveau ihrer Berichterstattung sich gegen weitere Personalkürzungen und Streichungen in den Etats wehren. Auch Streiks will Rogalla nicht ausschließen.

    " Also, wir halten es jetzt schon über zwei Jahre durch und wir sind absolut fest entschlossen, es auch weiter durchzuhalten. Es gibt auch überhaupt keine Alternativen, weil: wir könnten nur klein beigeben und wenn wir nicht die ganze Zeit uns schon gewehrt hätten, dann wäre hier schon viel, viel mehr an Abbau, an Qualitätssenkung erfolgt. "

    Wie es bei der Berliner Zeitung weiter gehen wird, ist also immer noch offen. Klar aber ist, dass die an der Börse notierte Mecom-Gruppe, die Eignerin der Zeitung, schwere Kursverluste hinnehmen musste und deshalb weiter versuchen wird, über Kostensenkungen ihre Anleger zu beruhigen. Und auch bei der eigentlich gut aufgestellten Süddeutschen Zeitung soll es nun doch zu einem rigiden Sparregiment kommen. Im zweistelligen Bereich, so wurde es heute gemeldet, soll gekürzt werden. WAZ-Gruppe, Süddeutsche Zeitung, Berliner Zeitung: die Verleger sparen, wo es nur geht. Und lancieren gleichzeitig neue Produkte: die Süddeutsche beispielsweise eine Familienzeitschrift. Ob es sich beim Personalabbau also wirklich um finanzielle Notwendigkeiten handelt? Oder dient die Finanzkrise nur als Vorwand dafür, noch mehr Rendite heraus zu holen? Der Zeitungsexperte Horst Röper jedenfalls verweist auf den Umstand, dass immer mehr Zeitungsunternehmer aus ihrem Bundesverband austreten - um ihre Redakteure nicht mehr nach Tarif bezahlen zu müssen:

    " Der Deutsche Journalistenverband, eine der Journalistengewerkschaften, hat dazu eben eine Auflistung gemacht und vervollständigt die ständig, und man sieht eben wie stark die Zahl dieser Bewegung unter den Verlegern wächst. Das ist schon enorm und gleichzeitig natürlich auch erschreckend. "