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Zwischen persischer Hochkultur und Ostalgie

Mohsen stammt aus einer exil-iranischen Familie und soll die Schafmetzgerei seines Vaters übernehmen. Ein Geschäft mit Exportfleisch führt in den tiefen Osten Deutschlands: eine Kultur-Clash-Komödie über die Absurditäten und Sollbruchstellen in unserem Alltag, im deutschen Ost-West-Verhältnis und in unserer immer noch - irgendwie gestörten - Beziehung zu Ausländern.

Von Rüdiger Suchsland | 23.07.2009
    Leicht nostalgisch wie diese Musik sind auch die Bilder des Vorspanns: In bewusst naivem 60er-Jahre Trickstil sieht man ein schwarzes Schaf, das von einer Horde weißer Schafe gejagt wird, und ihnen ein ums andere Mal ein Schnippchen schlägt. Schon diese wenigen Sekunden sind so einfallsreich, so witzig, so voller Tempo und Geist, dass sie den Zuschauer sofort in Bann ziehen und das Publikum bei der Berlin-Premiere diese Woche zu Szenenapplaus hinrissen.

    Vom Titel jedenfalls sollte man sich nicht abschrecken lassen: "Salami Aleikum" ist das Gegenteil all dessen, was das deutsche Kino seinem Publikum in den letzten Jahren so an Humor-Zumutungen geboten hat: Keine lispelnden "Keinohrhasen" und keine Teeniekomödie mir banalen Analwitzen, auch kein dritter Aufguss von Opas-50er-Jahre-Kino a la Bully Herbig - und im Gegensatz zu den angeblichen Heimatfilmen eines Markus Rosenmüller erzählt "Salami Aleikum" wirklich Substanzielles aus dem Deutschland der Gegenwart.

    Die Story ist schnell skizziert: Im Zentrum steht Mohsen. Er lebt in Köln und stammt aus einer exil-iranischen Familie. Eigentlich soll er die Schafmetzgerei seines Vaters übernehmen, aber der sieht in ihm nur einen Taugenichts.

    "7000 Jahre persische Hochkultur. Perser haben sie alles erfunden… Für alles haben Perser erfunden: Medizin, Mathematik, Philosophie, Alkohol. Und mein Sohn… Ich bin geflüchtet. Er kann nichts. Das ist das Problem."

    Mohsens Problem: Er kann kein Blut sehen und bringt es darum nicht übers Herz, Schafe zu schlachten.

    Als der Vater eines Tages im Krankenhaus liegt und der Metzgerei das Fleisch ausgeht, lässt Mohsen sich auf ein dubioses Geschäft ein und kauft polnisches Importfleisch. Mit seinem Transporter fährt er los, um es zu holen, landet aber nach einem Unfall im tiefsten wilden Osten, in Ober-Niederwalde. Dort heißen die Kinder Justin, die Erwachsenen baden in Ostalgie, trinken gegen den Frust und Fremde sind auch nicht gerade willkommen:

    "Ich bräuchte ein Zimmer für eine Nacht."

    "Ham wa nicht."

    "Haben Sie vielleicht was zu essen? Dann hätte ich gerne Kartoffelpüree mit Sauerkraut."

    "Ham wa nich."

    "Tomatensuppe?"

    "Ham wa… auch nich."

    Trotzdem muss Mohsen erstmal in Oberniederwalde bleiben. Er verliebt sich in die Tochter des Wirtes und durch ein Missverständnis hält man ihn bald für einen Millionärssohn. Der Wirt, früherer Betriebsleiter in der DDR-Kleiderfabrik "VEB Textile Freude" hofft auf eine neue Blüte für das heruntergekommene Dorf und die verlassene Fabrik. Und als plötzlich auch noch Mohsens Eltern ins Dorf kommen, wird es endgültig turbulent und sehr, sehr witzig.

    Schon dies alles ist viel anspruchsvoller und in den Einzelheiten subtiler, als man es von deutschen Komödien gewohnt ist. Die eigentliche Überraschung an "Salami Aleikum" ist jedoch sein Stil: Albern, aber nicht niveaulos, voller Leichtigkeit, aber immer mit Tiefgang erzählt der Film von einem doppelten Kultur-Clash.

    Vielleicht muss man, wie der seit 1985 in Köln lebende, aus dem Iran stammende Regisseur Ali Samadi Ahadi einen zweiten kulturellen Hintergrund haben, um mit soviel scharfer Beobachtungsgabe auf Deutschland zu blicken; um mit derartiger Präzision die Absurditäten und Sollbruchstellen in unserem Alltag zu sehen, im deutschen Ost-West-Verhältnis und in unserer immer noch irgendwie gestörten Beziehung zu Ausländern.

    Gerade die tagtägliche Integrations-Rhetorik, und die Abgründe, die sich in ihr verbergen, entlarvt "Salami Aleikum", der nicht zuletzt ein Film über Sprache ist, sehr gut:

    "Ich hab nichts gegen Ausländer. Das sag ich ganz deutlich. Wirklich. Nicht das hier ein falscher Eindruck entsteht"

    "Man sollte immer freundlich sein, das ist ganz klar. Aber wenn man zu freundlich ist, dann holen die gleich die ganze Sippe nach, und dann haben wir hier Kleinasien."

    "Vom Terrorismus ganz zu schweigen."

    "Wenigstens ist es kein Wessi."

    Immer wieder unternimmt Ali Samadi Ahadi auch kurze Ausflüge in die Animation, dann wieder wirkt der Film wie eine überladene, grellbunte Kitschorgie mit Gesang und Bollywood-Einlagen. Es gibt ein paar so gezielte wie treffende Geschmacklosigkeiten und das eigentlich pessimistische, im Film aber irgendwie tröstende Fazit lautet: "Egal, was man im Leben macht, es ist ein Fehler."

    "Salami Aleikum" ist ein bestechendes orientalisches Märchen aus Köln. Und wer es noch nicht wusste, weiß es jetzt: Im Osten geht die Sonne auf.