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Zwischen Pop und Pornografie

Vom Pornofilm zur Hochkultur - Sasha Grey hat das geschafft. Heute dreht sie mit Hollywood-Regisseuren, ist Musikerin und Künstlerin. Auf dem Festival "Bodies of Babel" ist sie mit ihrer Fotoausstellung "Nüe Sex" zu sehen.

Von Klaus Walter | 30.09.2011
    Marina Ann Hantzis kommt 1988 in Kalifornien zur Welt, der Vater ist aus Griechenland eingewandert, eine Arbeiterfamilie. Mit 18 geht sie nach Los Angeles, gibt sich einen neuen Namen und dreht ihren ersten Pornofilm, hunderte sollten folgen. Mit 21 ist sie der größte Star der Branche – heute ist sie 23 und hat den Sprung nach Hollywood geschafft. Nebenbei hat sie eine eigene Band und dreht Videoclips mit Pop-Größen wie Eminem. Ihr Name ist Sasha Grey und sie ist Stargast bei einem Festival in Frankfurt am Main. Es heißt "Bodies Of Babel" und erforscht die Schnittstellen zwischen Pop und Pornographie. "Pornographie ist Teil der Popkultur" behauptet Sasha Grey. Gestern Abend präsentierte sie in Frankfurt die Foto-Ausstellung "Neü Sex" und ihr gleichnamiges neues Buch.

    Der Name Sasha Grey ist Programm: er verweist auf "Das Bildnis des Dorian Gray", den berühmten Roman von Oscar Wilde, und auf die Kinsey-Skala der sexuellen Orientierung. Auf dieser Skala steht null für eindeutig hetero, sechs für eindeutig homosexuell.

    "Ich bin definitiv in der Grauzone, ich sehe mich auf der Skala bei drei."

    Sasha Grey besetzt die sexuelle Grauzone, eine Drei auf der Skala zwischen homo und hetero. Das spiegelt sich in ihren Pornofilmen….

    "Ich möchte, dass die Zuschauer auch nach dem Orgasmus weiter dranbleiben."

    Sie möchte, dass die Zuschauer auch nach dem Orgasmus weiter dranbleiben. Sie bleiben dran. Schon nach wenigen Filmen ist ihr Gesicht auch Leuten bekannt, die noch nie einen Porno gesehen haben. In kürzester Zeit wird sie zum Popstar der Pornobranche, auch weil sie ungewöhnliche Dinge sagt:

    "Ich benutze meinen Körper als Leinwand."

    Ihren Körper will sie als Leinwand benutzen. Das klingt mehr nach Kunst als nach Porno, zu den Idolen von Sasha Grey gehört die Verwandlungskünstlerin Cindy Sherman. Bald wechselt sie die Seiten: aus der Porno-Aktrice wird die selbstbestimmte Akteurin und schließlich Autorin.

    "Ich war ja nie die klassische Sexbombe, ich wollte immer ich selbst sein. Dann kamen andere Angebote, Film und Fernsehen, also musste ich mich entscheiden."

    Den Sprung nach Hollywood schafft Sasha Grey 2009, sie spielt die Hauptrolle in Steven Soderberghs "Girlfriend Experience".
    Den Sprung in die deutsche Hochkultur schafft Sasha Grey dieser Tage in Frankfurt. Bei dem Festival "Bodies Of Babel" präsentiert sie als Stargast ihre Foto-Ausstellung "Neü Sex". Die beruht auf dem gleichnamigen Buch und zu sehen ist: Sasha Grey.

    ""Ich habe mein Leben dokumentiert vom ersten Tag an, als ich nach L.A. kam, eine Art Selbstprüfung. Mein Agent meinte, daraus müssen wir ein Buch machen."

    Wir sehen Sasha Grey mal nackt, mal halbnackt, manchmal auch angezogen, vor dem Sex, nach dem Sex – aber niemals beim Sex. Neü Sex, das ist Sex ohne explizite Szenen. Das funktioniert nur deswegen, weil der Betrachter die explizite Sasha Grey im Gedächtnis gespeichert hat. Weil er weiß, dass er auf das, was er hier nicht sieht, jederzeit digital zugreifen kann, per Mausklick am Rechner. Mit Hollywoodfilm, Buch und Ausstellung hat Sasha Grey geschafft, wovon Millionen Sexarbeiterinnen träumen. Nein, nicht den eigenen Kosmetiksalon, sondern den Ausstieg aus dem Porno als Aufstieg ins seriöse Fach. Damit ist Sasha Grey die derzeit exponierteste Figur an der Schnittstelle von Pop und Pornografie.

    "In der Geschichte der Popularkultur der letzten 50, 60 Jahren waren Pop und Pornografie getrennte Sphären. Allerdings hat Pornografie immer als Überschreitung von Pop funktioniert, insofern waren sie auch untrennbar verbunden."

    So Thies Mynther, einer der Kuratoren des Festivals. Das Programm erlaubt den Blick hinter die Kulissen der Pornoindustrie und diskutiert das steigende Interesse daran. Gesucht wird aber auch die künstlerische Auseinandersetzung mit Fragen der Körperpolitik. Dabei geht es weniger um die gesellschaftliche Aufwertung von Kommerzporno als um unseren Umgang mit der Omnipräsenz von Pornografie. Musikerinnen und Bands aus diversen sexuellen Randgebieten und Grauzonen runden das Programm ab. Einer der Höhepunkte bei "Bodies Of Babel" : Die Mutter des Queer Cinema - "Flaming Creatures". Der Filmklassiker von Jack Smith steht buchstäblich quer zu Geschlechternormen und sexuellen Konventionen, und das schon 1963. Der New Yorker Avantgarde-Filmer Smith unterläuft mit seinem Porno-Pop-Kunstwerk aber auch die gängigen Erwartungen an einen pornografischen Film. Zur Freude von Karola Gramann, die renommierte Filmwissenschaftlerin hat den Smith-Abend kuratiert:

    "Flaming Creatures ist deswegen ein so besonderer Film, weil er die pornografischen Erwartungen tief enttäuscht, obwohl er aus obszönen Bildern besteht."

    Pop und Porno, offenbar eine attraktive Grauzone, das Festival ist ausverkauft.


    Homepage des Festivals "Bodies of Babel"