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Zwischen Retter und Restpostenverkäufer

Als Plattmacher geschmäht oder als Sanierer gefeiert – Insolvenzverwalter polarisieren immer. Und sie werden immer wichtiger: Mit Praktiker, Conergy und Loewe haben allein in den vergangenen Wochen drei bekannte Unternehmen einen solchen Krisenmanager mit ins Boot holen müssen.

Von Wolfram Schrag | 23.07.2013
    "Die drittgrößte deutsche Baumarktkette Praktiker ist zahlungsunfähig. Das Unternehmen stellte heute einen Insolvenzantrag."

    "Die Baumarktkette ist heillos überschuldet. 12.000 Mitarbeiter in Deutschland bangen nun um ihren Arbeitsplatz."

    "Wie es bei Conergy in Frankfurt/Oder weitergeht, bleibt unklar. Auch heute wurde kein Termin genannt, wann die Produktion wieder starten soll. Darauf hatten die Mitarbeiter beim insolventen Solarmodulhersteller gehofft:"

    "Dass sie uns jetzt endlich mal sagen, wie es weitergeht und ob es überhaupt weitergeht."

    "Der Fernsehhersteller Loewe hat heute Gläubigerschutz beantragt. Das Unternehmen will versuchen, sich unter gerichtlichem Schutz zu sanieren und eine Pleite abzuwenden."

    Praktiker, Conergy, Loewe. Allein in den vergangenen Wochen sind drei bekannte Unternehmen in finanzielle Schieflage geraten. Dazu gibt es eine Vielzahl unbekannter Firmen, die zahlungsunfähig geworden sind. Im vergangenen Jahr saß der Pleitegeier in 29.500 Fällen auf dem Dach, hat die Wirtschaftsauskunftei Creditreform ermittelt. Sie beziffert den Schaden daraus für öffentliche und private Gläubiger auf 38,5 Milliarden Euro. Und immer gingen Arbeitsplätze verloren, im vergangenen Jahr besonders viele, nämlich 346.000. Das lag hauptsächlich an der Pleite der Drogeriemarktkette Schlecker mit 52.000 Jobs.

    Bei einer Insolvenz wird Geld vernichtet und Jobs bleiben auf der Strecke. Nicht umsonst gilt die Insolvenz als unternehmerische Katastrophe. Und doch gibt es Menschen, die sich täglich genau damit beschäftigen, die im Moment des Zusammenbruchs erst an Bord gehen und die das böse "I-Wort" sogar in ihrer Berufsbezeichnung führen. Es sind die Insolvenzverwalter. In Deutschland gibt es rund 1900, die diese Berufsbezeichnung führen. Die meisten sind Juristen oder Wirtschaftsprüfer. Allerdings geschützt ist der Beruf nicht. Es gibt zwar Richtlinien, wie sich Insolvenzverwalter ordentlich verhalten müssen, aber dennoch, sagt Martin Prager, Insolvenzverwalter aus München und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht beim Deutschen Anwaltverein:

    "Das Qualitätsniveau in der Branche, ist wie in allen Berufen, auch wenn sie geschützt sind, nicht ganz gleichmäßig."

    Als Plattmacher geschmäht oder als Sanierer gefeiert
    Insolvenzverwalter werden als Plattmacher geschmäht oder aber als Sanierer gefeiert. Sie werden für ihren unermüdlichen Einsatz im Unternehmen gelobt oder wegen immenser Honorarforderungen gescholten. Den Insolvenzverwalter gibt es ebenso wenig wie den Arzt oder den Rechtsanwalt. In allen Berufen, bei denen es um viel Geld, um Einfluss und um Entscheidungsfreude geht, braucht es Menschen mit klarem analytischem Verstand und mit einem starken Willen. Das Ego eines Insolvenzverwalters muss ausgeprägt sein. Man muss es mögen, genau solche Sätze in Kameras und Mikrofone zu sprechen wie etwa Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz am Tag eins nach der Schlecker-Pleite:

    "Ich glaube schon, dass wir gute Ansätze haben bei Schlecker. Wir sind wichtig für die Nahversorgung der Menschen, und ich glaube, darauf sollten wir aufbauen und dafür werden wir kämpfen."

    Oder Horst Piepenburg. 2009 meldete der Karstadt-Quelle Mutterkonzern Arcandor Insolvenz an:

    "Heute ist Deutschlands größtes Insolvenzverfahren eingeleitet worden. Es geht nicht um die Sanierung von Teilsegmenten, sondern die erklärte Aufgabe und das Ziel des Vorstandes, und seit heute auch von mir ist es, den Konzern Arcandor AG insgesamt zu sanieren."

    Gestern noch war der Insolvenzverwalter nur einer Handvoll Brancheninsidern bekannt. Dann erhält er den Auftrag, ein marodes Unternehmen zu retten und heute schon steht er im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Er, in seltenen Fällen auch sie, soll Antwort geben: Wie geht es weiter? Ist das Unternehmen überlebensfähig? Können die Gläubiger befriedigt werden? Bleiben die Arbeitsplätze erhalten? Brennende Fragen, die auf die Schnelle nur schwer zu beantworten sind. Im schlimmsten Fall erweisen sich die Antworten später schlichtweg als falsch. Arndt Geiwitz und Horst Piepenburg haben diese Erfahrung gemacht: Schlecker wurde wenige Monate später aufgelöst, Arcandor 2010 zerschlagen. Das erste Statement ist Folge des ersten Eindrucks. Und deshalb sagt Horst Piepenburg heute:

    "Die erste Antwort muss immer wahr sein, weil vor der Insolvenzantragstellung hat es immer eine Phase gegeben, wo Vertrauen verloren gegangen ist, für das Unternehmen, in das Management, die eigenen Mitarbeiter vertrauen dem Unternehmer nicht mehr. Das heißt, es gilt, neues Vertrauen aufzubauen. Und da ist es wichtig, die Wahrheit zu sagen. Wenn ich nicht weiß, wie es ausgeht, dann sage ich, dass ich das nicht weiß. Wenn ich aber sehe, es ist ein gutes Produkt in einem vernünftigen Markt, die Mitarbeiter, die Lieferanten und die Kunden stehen grundsätzlich zu diesem Unternehmen, dann gibt es immer eine ausreichende Grundlage, Zuversicht zu verbreiten."

    Gerne zitieren Insolvenzverwalter ein Sprichwort, das Winston Churchill zugeschrieben wird: Ein Pessimist ist einer, der in jeder Möglichkeit die Probleme sieht. Ein Optimist ist dagegen einer, der in jedem Problem noch die Chancen sieht. Und Horst Piepenburg ist einer, der in seiner mehr als 30-jährigen Tätigkeit mit rund 1500 Insolvenzverfahren genau diese Chancen entdecken und Optimismus verbreiten will. Er sagt von sich selbst: Ich übernehme keine aussichtslosen Verfahren. Aber er gilt in der Szene als Verwalter für die schweren Fälle, als Papst der deutschen Sanierer wurde er auch schon bezeichnet. Er führte den insolventen Anlagenbauer Babcock Borsig, brachte die ehemals zu Karstadt-Quelle gehörende Modekette SinnLeffers zurück an den Markt und er leitete den Postdienstleister Pin Group. Gerade bei Konzernen mit vielen Tausend Beschäftigten gibt es ein Problem, sagt Piepenburg:

    "Ganz selten erreicht man alle Mitarbeiter unmittelbar in einer Belegschaftsversammlung Auge in Auge. Da geht es nur, indem man über die Medien und natürlich auch über die Kommunikationsmöglichkeiten, die es im Konzern gibt, darum, dass man die Zuversicht rüberbringt. Das kann man nicht in 16-minütigen Reden, sondern das muss in kurzen Statements sein, dass die Mitarbeiter wissen, Insolvenz ist nicht das Ende. Wir haben die Chance."

    Arcandor bedeutete aber auch für Piepenburg eine schwere Niederlage. Gerufen wurde er nämlich vom Vorstand und sollte als Generalbevollmächtigter aus dem Konzern heraus das Unternehmen sanieren. Doch schon nach einem Monat war Piepenburgs Gastspiel zu Ende. Er durfte nicht, wie er wollte. Die Bank Sal. Oppenheim verzögerte nötige Schritte:

    "Dass das bei Arcandor nicht geklappt hat, hatte mit der Unzuverlässigkeit eines Hauptaktionärs zu tun. Und die haben im Augenblick mehr Probleme als ich."

    Eben jene ehemaligen Vorstände der einstmals größten Privatbank Deutschlands müssen sich seit diesem Jahr wegen Untreue vor Gericht verantworten, auch im Zusammenhang mit der Kaufhaus-Pleite.

    Die Pleite als Chance - dank neuem Insolvenzrecht
    Vor allem die großen Pleiten führen dazu, dass die Insolvenz in der Öffentlichkeit nach wie vor weniger als Chance, denn als Katastrophe gesehen wird. Und natürlich geht es in vielen Fällen tatsächlich nicht weiter. Von den 29.500 Firmen, die 2012 Insolvenz anmeldeten, wurden die meisten liquidiert. Das hat verschiedene Ursachen: Neun von zehn Unternehmen waren Klein- und Kleinstbetriebe mit bis zu zehn Beschäftigten. Am häufigsten rutschen Kurier- und Paketdienste in die Pleite, gefolgt von kleinen Bauunternehmen, Diskotheken und Video-Verleihern. Verwalter Martin Prager:

    "Gerade bei kleineren Unternehmen müssen sie sehen, dass die Anträge spät und in der Regel viel zu spät kommen. Viele dieser Unternehmen sind bereits stillgelegt in dem Zeitpunkt, in dem wir als Insolvenzverwalter kommen."

    Doch dann gibt es auch Insolvenzen, die zeigen, dass eine Pleite auch eine Chance sein kann. Dabei hilft auch ein neues Insolvenzrecht.

    Die CentrothermPhotovoltaics AG in Blaubeuren bei Ulm ist ein Hochtechnologieanbieter in der Solarindustrie. Das Maschinenbauunternehmen, das es schon seit 1948 gibt, liefert schlüsselfertige Produktionsanlagen, also im Prinzip die Ausstattung einer Fabrik, damit der Kunde Solarmodule herstellen kann. Centrotherm war nach den Umsätzen im Jahr 2011 die Nummer zwei am Weltmarkt. Und die Firma wuchs und wuchs. Immer neue Teilbereiche entstanden, neue Geschäftsfelder wurden erschlossen, das Unternehmen lief von einem Rekord zum anderen. 2011 schnellte der Umsatz hoch auf fast 700 Millionen Euro. Rund um die Uhr arbeiteten die 1900 Beschäftigten im Drei-Schicht-Betrieb.

    Doch dann kam die Krise in der Solarbranche. Der Markt wurde überschwemmt mit Modulen aus China, die dort viel billiger produziert werden konnten. Und obwohl in Deutschland mehr Solaranlagen denn je verbaut wurden, war der Markt übersättigt. Die Preise sanken und ein Photovoltaikhersteller nach dem anderen rutschte in die Pleite. Die Kunden von Centrotherm mussten aufgeben, stornierten bereits erteilte Aufträge, neue kamen nicht hinzu. Centrotherm wurde in die Krise mitgerissen. Darauf war das Unternehmen in keiner Weise vorbereitet. Waltraud Widmer, heute Betriebsratsvorsitzende und davor sieben Jahren als technische Zeichnerin tätig, hatte plötzlich kaum noch Arbeit und machte sich so ihre Gedanken:

    "War‘s das jetzt? Geht’s jetzt vom einen Extrem ins andere Extrem. Was passiert? Man hat auch versucht, irgendwelche Informationen herzukriegen von anderen Mitarbeitern, die auch Einblick in andere Abteilungen haben. Ja, aber, da war überall ein großes Fragezeichen."

    Dabei gab es harte Fakten: Der Umsatz brach massiv ein. Doch Kommunikation war nicht gerade großgeschrieben in diesem Unternehmen, das zu schnell gewachsen war und nun wie ein Boxer schwankte. Im Frühjahr 2012 traf die Belegschaft dann ein massiver Stellenabbau. Ohne Vorwarnung. Deshalb gingen nicht nur Jobs verloren, sondern es wurde auch jede Menge Vertrauen verspielt und entsprechend ärgert sich Waltraud Widmer heute noch:

    "Wenn ich gar nichts höre, dann ist das ein ganz ungutes Gefühl. Mit einer schlechten Nachricht, mit der kann man umgehen, man wird mit ins Boot aufgenommen. Das bedeutet für mich Vertrauen."

    Doch die Krise war mit dem Stellenabbau noch nicht überwunden, ganz im Gegenteil. Das Unternehmen musste die Notbremse ziehen. Am 10. Juli 2012 ging die CentrothermPhotovoltaics AG zum Amtsgericht Ulm und beschritt jenen Weg, den das neue Insolvenzrecht eröffnet hat: Es stellte den Antrag für ein Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung. Dieses Schutzschirmverfahren gibt es erst seit März 2012. Es läutete eine neue Phase bei der Sanierung von Unternehmen ein. Im Schutzschirmverfahren beruft das Unternehmen einen sogenannten Eigenverwalter. Das ist ein externer Sanierungsexperte, meist ein Insolvenzverwalter. Beim Unternehmen Centrotherm in Blaubeuren zog der Mannheimer Anwalt Tobias Hoefer in den Vorstand ein. Er wurde einen Tag nach dem Antrag beim Insolvenzgericht vom Unternehmen berufen. Plattmacher will dieser Mann nicht sein. Er will etwas unternehmen:

    "Nach meiner Einschätzung ist es schon wichtig, dass man zu seinen Einstellungen steht, um dann an verschiedenen Stellen als Verwalter auch mal unangenehme Entscheidungen rechtfertigen zu können, auch zu begründen. Umgekehrt aber auch positive Entscheidungen überzeugend zu vermitteln und letztendlich in Summe irgendwie auch immer für alle Verfahrensbeteiligten glaubwürdig ist und verlässlich ist und ich glaube, das ist das wesentliche Pfund."

    Viele warten zu lange mit dem Insolvenzantrag
    Im Insolvenzverfahren wird das Unternehmen den Eigentümern aus der Hand genommen. Deshalb warten viele zu lange. Mit der Folge, dass sich die Schulden anhäufen und eine Sanierung mit jedem Tag schwieriger wird. Das neue Recht belohnt das Unternehmen, das die bittere Wahrheit frühzeitig erkennt, sagt der Insolvenzverwalter Martin Hörmann aus Ulm:

    "Wenn ein Unternehmer bestimmte Voraussetzungen erfüllt, also zum Beispiel darf er noch gar nicht zahlungsunfähig sein, und wenn ein Dritter bestätigt, dass es sanierungswürdig und sanierungsfähig ist, dann hat er die Möglichkeit, sich selbst zu sanieren und einen Plan vorzulegen, auszuarbeiten, mit dem er sich dann mit seinen Gläubigern vergleicht."

    Das heißt zunächst, dass die Gläubiger ihre Forderungen nicht eintreiben dürfen. Das Unternehmen bekommt drei Monate wertvolle Zeit, um die Sanierung einzuleiten. Wird es finanziell eng, erhalten die Beschäftigten sogar Insolvenzausfallgeld von der Bundesagentur für Arbeit. Aber: Dazu müssen alle Gläubiger mitspielen, also die Geschäftsbanken, die Kreditversicherer, das Finanzamt oder die Agentur für Arbeit. Verzichten die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen, bekommen sie im Gegenzug Anteile am Unternehmen, bei Centrotherm sind das rund 80 Prozent der Aktien. Diese halten sie dann ein paar Jahre und können sie, wenn es dem Unternehmen wieder besser geht, an der Börse verkaufen. Im günstigsten Fall mit einem stattlichen Gewinn.

    Im amerikanischen Insolvenzrecht gibt es diese Sanierungsmöglichkeit schon länger. Unter dem sogenannten Verfahren nach "Chapter eleven" konnte schon manches US-Unternehmen saniert werden wie der Autohersteller General Motors oder die Fluggesellschaft American Airlines. Doch birgt die Eigenverwaltung auch Risiken: Zumindest ein Teil der alten Geschäftsführung ist noch mit an Bord. Und die war ja verantwortlich für die Schieflage des Unternehmens. Deshalb schufen die Experten zusätzlich zur Eigenverwaltung ein Kontrollgremium, den sogenannten Sachwalter. Dieser ist ebenfalls ein Sanierungsexperte und Insolvenzverwalter und wird vom Gericht eingesetzt. Die Sanierung soll die Gläubiger befriedigen. So beginnt nun ein Spiel im besten Fall über die Bande zwischen Eigenverwalter, Sachwalter und Gläubigern. Die Interessen der Gläubiger vertritt in der Sache Centrotherm der Heidelberger Insolvenzverwalter Tobias Wahl. Er hält die Anteile am Unternehmen und soll sie in ein paar Jahren möglichst mit Gewinn verkaufen. Und Wahl macht klar:

    "Auch eine Eigenverwaltung, auch Schutzschirmverfahren ist ein Insolvenzverfahren, das klaren Regeln, nämlich den Regeln der Insolvenzordnung folgt und das dem Interesse der Gläubiger dient."

    Im neuen Insolvenzrecht sollen die Sanierungsexperten möglichst freie Hand haben. Denn die Schieflage eines Unternehmens bedeutet Unruhe. Tobias Hoefer, der Eigenverwalter bei Centrotherm, musste zunächst Lieferanten, Kunden und andere Geschäftspartner beruhigen:

    "Oftmals sind ja die Interessen gleichlautend. Wenn jemand ein Interesse hat, ein Projekt abzuschließen, ist das ja oft eine Frage der Schadensminderung. Denn es hat keiner was davon, wenn er wegrennt wie die Sau vom Trog, sag ich mal, nur weil er das Wort "i" hört und sich hinterher wundert, dass er einen größeren Schaden hat, als wenn er vernünftig mit den Verantwortlichen gesprochen hätte, und hätte ein Konzept entwickelt, vielleicht mit Mehrkosten vermeintlich, aber in Relation zu einem späteren Schaden ein weitaus geringeres und wirtschaftlich betrachtet, immer noch vernünftig."

    Die Sanierung bei Centrotherm wurde vor Kurzem abgeschlossen. Das Unternehmen wurde aus dem Schutzschirmverfahren entlassen und ist wieder eigenständig. Dank frischer Aufträge konnte die Kurzarbeit aufgehoben werden. Tobias Hoefer sitzt auch noch bei Centrotherm und trägt als Vorstand für Restrukturierung weiter Verantwortung im Unternehmen. Doch gehört auch das Scheitern immer zu den möglichen Optionen. Dann muss das Unternehmen abgewickelt werden, die Gläubiger verlieren Geld und die Beschäftigten stehen auf der Straße. Der Münchner Insolvenzverwalter Martin Prager musste vor ein paar Jahren den Mobilfunkhersteller Benq Mobile liquidieren:

    "Das war ein 56-jähriger Mann, der sich mit mir über seine Entlassung unterhalten hat, der als Verstärkung seine Ehefrau mitgebracht hat, dem die Tränen über die Wangen liefen und wo sie als Insolvenzverwalter ganz direkt mit menschlichem Leid konfrontiert werden."

    Insgesamt waren 3000 Benq-Angestellte von der Auflösung des Unternehmens betroffen. Ganz schwierig sind die Fälle, in denen ein Investor im Prinzip weitermachen will, aber nur einen Teil der Belegschaft übernimmt. Martin Hörmann hält dann eine Betriebsversammlung ab:

    Unternehmer in Ausnahmesituationen
    "Wir haben einen Investor, allerdings wie ihnen bekannt ist, nur für eine bestimmte Anzahl. Und dann müssen sie die Einzelgespräche führen, was wir dann ja auch machen. Ich für mich hab‘ dann gesagt: An dem Tag, an dem mir das nichts mehr ausmacht, muss ich den Job wechseln."

    Insolvenzverwalter sind Unternehmer in einer Ausnahmesituation. Die Krise ist bei ihnen der Normalfall. Doch sie stehen im prallen Leben und können im besten Fall etwas wieder aufbauen, trotz des bösen "I"-Wortes, sagt Horst Piepenburg:

    "Das negative Image der Insolvenz. Da werden wir uns wohl die Zähne dran ausbeißen. Aber man muss eben einfach sehen, dass es immer wieder gelungen ist, Arbeitsplätze zu erhalten, Unternehmen insgesamt als Rechtsträger unverändert zu erhalten ohne jeden Arbeitsplatzverlust und das macht doch zumindest Hoffnung, dass die Insolvenz eben gerade nicht das Ende ist."

    Und das gilt zum Beispiel auch für den Insolvenzverwalter der Baumarktkette Praktiker, Christopher Seagon oder für Volker Böhm, der die Eigenverwaltung beim Fernsehhersteller Loewe übernommen hat:

    "Da bin ich absolut optimistisch, dass wir für Praktiker eine gute Lösung hinbekommen."

    "Ich bekomme einen Zeitraum von drei Monaten, in dem ich vor meinen Gläubigern geschützt bin, und in dieser Zeit hab ich eben die Möglichkeit, einen Plan, einen Vergleich für die Gläubiger vorzuschlagen und auszuarbeiten."